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Automation 9. April 2020

Bringt das den Durchbruch für MRK-Anwendungen?

Die Vorteile produktiver Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) demonstriert das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI, bei VW.
Beispielhafte Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK): Der Roboter präsentiert das zu prüfende Werkstück in einer ergonomischen Position.
Beispielhafte Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK): Der Roboter präsentiert das zu prüfende Werkstück in einer ergonomischen Position.

Die Vorteile produktiver Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) demonstriert das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI, bei VW.

Beim Projektpartner, der Volkswagen AG, zeigt das Fraunhofer HHI, wie sich die Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) beispielhaft umsetzen lässt. Mensch und Roboter arbeiten dabei beim Überprüfen von Schweißnähten eng zusammen. Doch wie integriert sich der Roboter in die dortige Arbeitsumgebung und wie wird er dabei bedient? Das folgende Beispiel gibt Antworten darauf.

Schweißnähte auf Fehler überprüfen

Fehlerfreie Schweißnähte gehören mitunter zu den kritischen Stellen im Automobilbau. Um diese zu überprüfen setzt man zukünftig auf die Fähigkeiten von Roboter und Mensch. Der Roboter wird dabei mittels Gesten und Sprachbefehlen gesteuert. Dieser trägt dann auch die Bauteile, der jeweilige Facharbeiter kann Fehlstellen sodann leicht markieren und protokollieren.

Das Fraunhofer HHI bringt damit seine langjährige Erfahrung in der 3D-Erfassung, -Informationsverarbeitung und -Visualisierung in das Verbundprojekt „Easy Cohmo“ ein (Ergonomics Assistance Systems for Contactless Human-Machine-Operation). Die Sichtprüfung von Schweißnähten an wichtigen Bauteilen in der Automobilproduktion ist ein Paradebeispiel für eine funktionierende MRK, die in den nächsten Jahren konkret die Prüfung bei Volkswagen unterstützen wird.

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Systematische Fehlstellen einfacher erkennen

Das auf das Bauteil und den Arbeitstisch augmentierte Handgesten-Bedieninterface unterstützt bei der Roboter- und Prozesssteuerung.
Das auf das Bauteil und den Arbeitstisch augmentierte Handgesten-Bedieninterface unterstützt bei der Roboter- und Prozesssteuerung.

Bislang verläuft der Prüfprozess nach immer dem gleichen Schema. So müssen sämtliche Bauteile erst händisch in einen Drehpositionierer eingespannt werden, damit es von allen Seiten begutachtet werden kann. Dabei lässt sich nicht vermeiden, dass der Mitarbeiter ergonomisch ungünstige Haltungen einnehmen muss – das kann wiederum zu Dauerbelastungen führen. Für diesen aufwändigen Prozess ist jedoch nur eine kurze Zeit vorgesehen, worunter die Begutachtungsqualität leidet.

Der Prüfprozess kann vom Mitarbeiter frei gestaltet werden, doch darin liegt auch das Problem einer nicht standardisierten Vorgehensweise, die es erschwert, aus den Beobachtungen systematische Fehlstellen zu erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass entdeckte Fehler meist gar nicht protokolliert werden. Sie müssen separat per Maus und Tastatur in das dafür vorgesehene System eingetragen werden.

MRK verändert den Arbeitsprozess

In Zukunft soll der Prüfprozess interaktiver ablaufen. Was das genau bedeutet? In den nächsten Jahren werden Roboter am Sichtprüfplatz die schweren, zu prüfenden Teile in einer für den Menschen ergonomischen Position halten und bewegen können. Der Roboter besteht aus mindestens sechs Achsen und kann so das Bauteil in sämtliche Richtungen drehen, kippen und verschieben. Kollege Roboter entnimmt dann das Bauteil selbst vom Fließband und präsentiert es. Der Mitarbeiter interagiert mit dem Roboter mithilfe von expliziten und impliziten Gesten und steuert so, welche Positionen vom Roboter angefahren werden sollen. So kann dieser sich auf die Fehlersuche konzentrieren und übersieht dadurch weniger Fehlstellen.

Perceptual Interface kann personalisierte Gesten und eigene Sprachkommandos erfassen

Vom Benutzer erkannte Fehler können als 3D-Positionen direkt auf dem Bauteil mittels Finger- und Schweißnaht-Tracking dokumentiert werden.
Vom Benutzer erkannte Fehler können als 3D-Positionen direkt auf dem Bauteil mittels Finger- und Schweißnaht-Tracking dokumentiert werden.

Die vom Fraunhofer HHI entwickelte Middleware koordiniert verschiedene Sensoren, um die Arbeitssituation ganzheitlich zu erfassen. So werden aus der Position und den Körpergesten des Mitarbeitenden die nötigen Bewegungen des Greifarms abgeleitet. Dies gewährleistet zusätzlich die Sicherheit des Menschen, beispielsweise, wenn er nicht auf das Bauteil schaut und die Software entscheidet, den Roboterarm vorsichtshalber anzuhalten.

„Bei der Steuerung des Roboters sind auch individualisierte Eingaben möglich. Unser neu entwickeltes Perceptual Interface kann personalisierte Gesten und eigene Sprachkommandos erfassen“, erklärt Paul Chojecki, Projektleiter beim Fraunhofer HHI. „So kann das System schnell angepasst und der Arbeitsplatz individuell gestaltet werden.“

Über solch eine Geste werden auch die Fehler am Bauteil virtuell markiert und mithilfe von Projektoren visualisiert, bevor sie vom Mitarbeitenden bestätigt werden. Dadurch erfolgt zusätzlich eine 3D-Dokumentation der Qualitätsprobleme der schadhaften Schweißnähte – digital und auf effiziente und intuitive Weise. Diese systematische Fehlerdokumentation findet im bisherigen Verfahren nicht statt, da Informationen kaum stringent zwischen den Mitarbeitenden weitergegeben werden. Mit dem neuen Verfahren können Fehlstellen direkt im Prüfprozess eingegeben und statistisch ausgewertet werden. Systematische Fehlerquellen werden so deutlich schneller sichtbar und können bereits beim Schweißvorgang gezielt vermieden werden.

Auch auf weitere Mensch-Roboter-Arbeitsplätze erweiterbar

Der Ansatz, über eine optimierte Middleware mit Hilfe passgenauer Regelanweisungen und Maschinellem Lernen viele Sensoren mit multimodalen Steuerungsmöglichkeiten zu kombinieren, kann für weitere MRK-Anwendungen den Durchbruch bringen – und die Möglichkeiten der Kooperation und Interaktion von Mensch und Roboter erweitern.

db

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