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Automation 28. Februar 2019

Automatisieren, wo es sinnvoll ist

Wirtschaftlicher produzieren mithilfe eines höheren Automatisierungsgrads ist das Ziel der Automatisierungs-Potenzialanalyse des Fraunhofer IPA.
Mit der entsprechenden Produktstruktur und passenden Software wie „Pitasc“ vom Fraunhofer IPA lassen sich auch anspruchsvolle Montageaufgaben automatisieren.
Mit der entsprechenden Produktstruktur und passenden Software wie „Pitasc“ vom Fraunhofer IPA lassen sich auch anspruchsvolle Montageaufgaben automatisieren.

Wirtschaftlicher produzieren mithilfe eines höheren Automatisierungsgrads ist das Ziel der Automatisierungs-Potenzialanalyse des Fraunhofer IPA.

Die Montage erfolgt in vielen Unternehmen noch manuell. Gründe dafür sind eine hohe Variantenvielfalt bei kleinen Losgrößen, unterschiedlichste Montageprozesse und eine undefi­nierte Teilebereitstellung. Mit dem richtigen Know-how kann durch Automatisierung dennoch kostengünstiger produziert werden. Möglich wird dies zum einen durch neue Technologien in Hard- und Software wie verbesserte Sensorik und Softwaremodule. Ein Beispiel ist die IPA-Software Pitasc, die fertige Programmbausteine ähnlich wie Makros für komplexe Roboteranwendungen bereithält. Der Anwender kann damit auch ohne Fachwissen ein fertiges Roboterprogramm zusammenstellen.

Auch die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Roboter kann für eine effizientere Montage sinnvoll sein.
Auch die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Roboter kann für eine effizientere Montage sinnvoll sein.

Automatisierungsgrad sinnvoll ermitteln

Zudem bedarf es nicht immer einer Vollautomatisierung, um einen Produktionsprozess effizienter zu gestalten. Auch Teilaufgaben, die beispielsweise belastend oder nicht ergonomisch für den Werker sind oder die keine kognitiven Fähigkeiten erfordern, lassen sich oft an ein Robotersystem abgeben. Die Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) ermöglicht es, Aufgaben zwischen Werker und Roboter aufzuteilen. Bei Bedarf kann der Werker korrigierend eingreifen. Was Aufwand und Kosten für ein MRK-geeignetes Robotersystem betrifft, können diese schon bei der Planung mithilfe eines IPA-Tools detailliert den langfristig möglichen Einsparungen gegenübergestellt und die Amortisationsdauer angegeben werden. Dadurch erhalten Unternehmen Planungssicherheit.

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Die vom Fraunhofer IPA entwickelte Automatisierungs-Potenzi­alanalyse (APA) ist eine Methodik, um mögliche (Teil-)Automatisierungspotenziale in bisher manuellen Montagebereichen systematisch zu identifizieren. Sie wurde bereits weltweit in Kundenprojekten eingesetzt und ist ein kompaktes Verfahren, das Unternehmen innerhalb weniger Wochen Kenntnisse für Investitionsentscheidungen bereitstellt. Ferner erhält der Kunde ein Grobkonzept für eine Automatisierung, beispielsweise in einem 2D-Layout. Auf dieser Basis kann er eine Montagelösung planen und umsetzen.

Montageschritte chronologisch erfassen

Bei der APA legen die IPA-Experten gemeinsam mit dem Kunden fest, welches Aufgabenspektrum analysiert werden soll. Davon nehmen sie bei einer Begehung der Produktionsanlage alle Montageschritte beziehungsweise -prozesse­ chronologisch auf. Für jeden Schritt dokumentieren sie die Art der Teilebereitstellung und den Montageprozess selbst. Die APA bietet nun verschiedene Bewertungskriterien, die je nach Kundenanforderung unterschiedlich gewichtet werden können.

So untersuchen die Experten jeden Montageschritt in Bezug auf die Kriterien Vereinzeln, Handhaben, Positionieren und Fügen und inwieweit diese Schritte technisch sinnvoll zu automatisieren wären. Hinzu kommen Untersuchungen zu möglichen Zeiteinsparungen und ergonomischen Eigenschaften. Erfahrungsgemäß ergibt diese­ Untersuchung, dass etwa ein Zehntel der Montageprozesse prinzipiell für eine Automatisierung infrage kommt. Für dieses verbliebene Zehntel werden die vier genannten Kriterien weiter aufgeschlüsselt. Beispielsweise wird das Positionieren in die Detailaspekte Toleranzen der Zielposition, vorhandene Positionierhilfen, Zugänglichkeit, Fügebewegung, Fügetole­ranzen und Haltestabilität untergliedert und jeder Prozess noch einmal entsprechend bewertet.

So kann für den Prozess des Einsetzens einer Druckfeder gezeigt werden, dass das Positionieren und Fügen gut automatisierbar wären, weniger gut jedoch das Greifen und Handhaben, da sich Federn im Schüttgut verhaken und nicht universell greifen lassen. Die Zeiteinsparung durch eine Automatisierung wäre für diesen Prozess gering, so dass sich insgesamt eine Automatisierung wirtschaftlich nicht lohnen würde. Ordnet man dann noch jeden Prozess einem bestimmten Produktionsschritt zu, können Unternehmen ein Gesamtbild ihrer Produktionsanlage erhalten, welches das Automatisierungspotenzial pro Bereich und Prozess darstellt. Ein weiterer Vorteil dieser Auswertung: Oft lassen sich mehrere Prozesse zu sogenannten „Automatisierungsinseln“ gruppieren. Hier kann ein Roboter mehrere Aufgaben übernehmen.

Auswertungsdaten auf dem Smartphone

Bei der APA kommen viele Auswertungsdaten zusammen, ins­besondere, wenn mehrere Monta­gelinien, gegebenenfalls sogar an mehreren Standorten, untersucht werden. Der zeitliche Aufwand, den die händische Aufnahme und Auswertung der Daten erforderten, fällt nun weg, denn für die APA gibt es jetzt eine App. Zudem lassen sich damit quantitative Analysemethoden einsetzen, mit denen zum Beispiel Montagelinien­ verglichen werden können. Zusammen mit der ebenfalls am Institut entwickelten Ontologie für die Beschreibung von Montage­prozessen und Automatisierungslösungen gibt es nun eine einheitliche Datenbasis für die weitere Verwendung und Aufbereitung der gesammelten Informationen.

Produktgestaltung anpassen

Ergibt die APA, dass für die aktu­ellen Umstände eine (Teil-)Automatisierung eines Prozesses nicht möglich oder lohnenswert ist, gibt es neben dem Verbleib bei der manuellen Montage noch einen alternativen Weg: Dieser heißt „Design for Automation“. Das meint, Produkte so zu gestalten oder ihre Gestaltung so anzu­passen, dass eine automatisierte Herstellung problemlos möglich ist.

Hierfür hat das Fraunhofer IPA einen Fragenkatalog mit elf Punkten entwickelt. Anhand dessen lässt sich bestimmen, wie „automatisierungsfreundlich“ ein Produkt ist. Die Fragen beschäftigen sich beispielsweise mit der Modularität einer Produktstruktur, mit der Verwendung von standardisierten Komponenten, mit der Anzahl der Bauteile, ihren Materialeigenschaften und ihrer Zuführung und Handhabung. So erhält der Kunde eine Analyse seiner aktuellen Produktion und Vorschläge für Einsparmöglichkeiten. Und selbst wenn die APA ergibt, dass sich eine (Teil-)Automatisierung auch nicht mit geänderten Produkteigenschaften lohnt, so können die elf Punkte auch bei einer weiterhin manuellen Montage helfen, die Fehlerquote zu reduzieren und für reibungslosere Fügeprozesse zu sorgen.

Ramez Awad/db

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