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News 15. Februar 2024

Wachstumsagenda für Deutschland mit vier Elementen

Angesichts schrumpfender Umsätze, schwieriger Rahmenbedingungen, Bürokratie und Investitionszurückhaltung fordert der GKV eine Wachstumsagenda für Deutschland.

GKV-Präsidentin Dr. Helen Fürst: „Ich bin davon überzeugt, die Wachstumsagenda kann die dringendsten Probleme unserer Wirtschaft lösen, Verlässlichkeit und verlorenes Vertrauen wiederherstellen und den Menschen in Deutschland neue Zuversicht geben.“
GKV-Präsidentin Dr. Helen Fürst: „Ich bin davon überzeugt, die Wachstumsagenda kann die dringendsten Probleme unserer Wirtschaft lösen, Verlässlichkeit und verlorenes Vertrauen wiederherstellen und den Menschen in Deutschland neue Zuversicht geben.“

Der Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV) zog im Rahmen seiner traditionellen Jahres-Wirtschaftspressekonferenz am Aschermittwoch eine durchwachsene Bilanz des vergangenen Jahres. Denn wie erwartet musste die Kunststoff verarbeitende Industrie in Deutschland 2023 schrumpfende Umsätze verbuchen.

Gegenüber dem Vorjahr ging nicht nur der Umsatz des Industriezweigs um rund 6 % auf 72,5 Mrd. EUR zurück. Erstmals seit vielen Jahren reduzierte sich auch die Mitarbeiterzahl der Kunststoffverarbeiter – ein echtes Alarmsignal, denn angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels trennen sich die Unternehmen nur im äußersten Notfall von ihren Mitarbeitern.

Eine kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht, denn auch die Geschäftserwartungen der Unternehmen für das laufende Jahr sind verhalten. Die Ursache für den Umsatzrückgang sieht der Verband in den aktuell ungünstigen Rahmenbedingungen für die deutsche Industrie. Die Unternehmen seien zudem derzeit zurückhaltend bei Investitionen. Dies ist ebenfalls den unsicheren Zukunftsperspektiven für die Industrie in Deutschland geschuldet.

Zukunftsorientierte Wachstumsagenda mit vier Elementen

Als Konsequenz forderte die GKV-Präsidentin Dr. Helen Fürst von der Regierung die Umsetzung einer zukunftsorientierten Wachstumsagenda für Deutschland. „Die Ursachen der aktuellen Wirtschaftskrise in Deutschland sind überwiegend struktureller Natur. Deshalb brauchen wir eine zukunftsorientierte Wachstumsagenda, damit die Industrie in Deutschland in zwei bis drei Jahren wieder Fahrt aufnehmen kann“, so Fürst.

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Der GKV-Präsidentin sind dabei aus Sicht der Kunststoff verarbeitenden Industrie vier Themen für eine Wachstumsagenda ein besonderes Anliegen.

Energieintensiven Mittelstand unterstützen

So darf Deutschland nach Fürsts Überzeugung bei den Transformationen auf keinen Fall den energieintensiven Mittelstand vergessen: „Die Transformationen mit den Zielen Treibhausgasneutralität und Kreislaufwirtschaft erfordern hohe Investitionen von den Unternehmen, die nur dann getätigt werden, wenn die Unternehmen eine langfristige Perspektive für sich am Standort Deutschland sehen.“ Allerdings bremst nach Worten von Fürst nicht nur die aktuelle Wirtschaftskrise die Transformation der Wirtschaft aus, auch beim Strompreis sind nach der Reduzierung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz jetzt wieder schwer zu stemmende Preiserhöhungen durch eine drastische Steigerung der Netzentgelte absehbar, die Investitionen in Deutschland infrage stellen.

In dieser Situation muss nach Worten von Dr. Fürst „der Aufruf von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu mehr „Standortpatriotismus“ an die Adresse der deutschen Wirtschaft dem industriellen Mittelstand wie Hohn vorkommen. Die Bundesregierung kann angesichts der schlechten Rahmenbedingungen froh sein, dass überhaupt noch so viele hochpatriotische Unternehmerinnen und Unternehmen in Deutschland jeden Tag für den Erhalt von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen arbeiten. Planbarkeit und Verlässlichkeit müssen wieder die Maximen der Wirtschaftspolitik werden. Andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union machen uns vor, dass Lösungen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie, auch für wettbewerbsfähige Strompreise, gefunden werden können, wenn man nur will. Wir brauchen nur zu unseren Nachbarn nach Frankreich zu schauen.“

Bürokratie abbauen

Zweite Forderung aus der Wachstumsagenda ist die Reduzierung der Bürokratie, denn – so Fürst – „Innovationen und Wertschöpfung entstehen aus klugen Ideen in den Unternehmen, nicht aus Regelungsflut und Bürokratie.“ Für die GKV-Präsidentin ist „die Flut an neuen und immer detaillierteren Rechtsvorschriften und Meldepflichten für die große Mehrheit der mittelständischen Unternehmen kaum mehr zu bewältigen und verunsichert die Unternehmen zusehends.“

Als Negativbeispiel nannte Fürst die Europäische Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle, die von zuvor 25 Artikeln auf 29 Seiten auf 65 Artikel auf mehr als 100 Seiten in diesem Jahr zuzüglich vieler neuer Anhänge und Ermächtigungen der Kommission für zusätzliche delegierter Rechtsakte angewachsen ist. Für andere europäische Rechtsnormen wie die Vorschriften für Altfahrzeuge und Bauprodukte gilt das in ähnlichem Maße. Fürst: „Zusätzliche Berichts- und Nachweispflichten entstehen für die Unternehmen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dem neuen Energieeffizienzgesetz, dem neuen Einwegkunststofffondsgesetz, der Taxonomie, der CSRD, demnächst womöglich noch einer neuen EU-Verordnung gegen Kunststoffgranulat-Verluste und vielen anderen Vorschriften mehr. Immer mehr Bürokratie schafft aber nicht mehr Innovationen, sondern sie gefährdet die Existenz von Unternehmen.“

Deshalb ist es für Helen Fürst wichtig, dass Arbeitsplätze für die Wertschöpfung entstehen und nicht wegen des sogenannten „Erfüllungsaufwands“ der Unternehmen für neue Vorschriften. Europa und Deutschland brauchen deshalb nach Überzeugung der GKV-Präsidentin dringend ein wirksames Stoppschild gegen Bürokratie: „Wir fordern, dass mindestens die Hälfte aller Vorschriften innerhalb der nächsten Wahlperiode des Europaparlaments abgeschafft wird. Neue Gesetze, Richtlinien, Verordnungen beziehungsweise delegierte Rechtsakte der EU und des Bundes sollen künftig im Regelfall nur noch fünf Jahre gültig sein“, so Fürst in Frankfurt.

Ein klares Nein zur Plastiksteuer

Dritte Forderung des GKV ist ein klares Nein zur Plastiksteuer. Denn obwohl sich die Steuereinnahmen des Bundes trotz der Wirtschaftskrise weiter auf Rekordniveau bewegen, wurden für die Transformation der Wirtschaft wichtige Förderprogramme gestrichen, beispielsweise die Förderung des Bundes für den Leichtbau. Schlimmer noch. Denn ab 2025 sollen dann auch noch die Verbraucher über eine neue zusätzliche Plastiksteuer für einen Teil des Mitgliedsbeitrags der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union zur Kasse gebeten werden. Fürst: „Mit dem Griff in die Taschen der Verbraucher wird weder für die Wirtschaft noch für die Umwelt irgendetwas besser. Ein Verschieben der Plastiksteuer um ein Jahr fördert die Verunsicherung und ist keine Lösung. Wir fordern: Die Bundesregierung muss auf ihre Pläne für eine unsinnige, unsoziale und schädliche Plastiksteuer sofort verzichten.“

Digitalisierung vorantreiben

Als vierte Forderung des GKV muss Deutschland – auch angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels – die Chancen der Digitalisierung konsequenter als bisher nutzen. Denn, so Fürst: „Digitale Technologien und Künstliche Intelligenz ermöglichen es der mittelständischen Industrie, mit deutlich weniger Arbeits- und Fachkräften auszukommen. Allerdings läuft Deutschland Gefahr, bei der Digitalisierung international den Anschluss zu verlieren.“

Zum Leidwesen des GKV sind gerade in den ländlichen Räumen, in denen die weitaus überwiegende Zahl der mittelständischen Industriebetriebe zuhause ist, die Voraussetzungen für eine Industrie 4.0 nicht gegeben. Es fehlt an einem systematischen Wissensaufbau über die Möglichkeiten digitaler Technologien in der Industrie, von der Schule über die Berufsausbildung bis hin zu Studium und Forschung.

„Ich bin davon überzeugt, die Wachstumsagenda kann die dringendsten Probleme unserer Wirtschaft lösen, Verlässlichkeit und verlorenes Vertrauen wiederherstellen und den Menschen in Deutschland neue Zuversicht geben“, so Dr. Helen Fürst am Aschermittwoch in Frankfurt.

Für das Jahr 2022 hatte der GKV vor gut einem Jahr noch gute Zahlen präsentieren können, doch „die guten Zahlen der Kunststoffverarbeiter täuschen“ hatte die K-ZEITUNG schon damals gewarnt.

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