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Märkte 24. Februar 2023

Die guten Zahlen der Kunststoffverarbeiter täuschen

Die deutschen Kunststoffverarbeiter konnten 2022 ihren Umsatz um 12,6 % auf 78,9 Mrd. EUR steigern, leiden aber unter der Explosion der Energiekosten.

Die Kunststoffverarbeitung ist traditionell sehr energieintensiv . Deshalb leiden die Unternehmen besonders unter den hohen Energiekosten und fordern deshalb die Politik zum sofortigen Handeln auf.
Die Kunststoffverarbeitung ist traditionell sehr energieintensiv . Deshalb leiden die Unternehmen besonders unter den hohen Energiekosten und fordern deshalb die Politik zum sofortigen Handeln auf.

Wer sich die Schlüssel-Kennzahlen der deutschen Kunststoff verarbeitenden Industrie für das Jahr 2022 betrachtet, findet bis auf eine einzige Ausnahme nur Wachstum mit Werten zwischen 1,3 und 19,7 %. Doch genau diese Ausnahme ist das Problem: Denn die verarbeitete Menge an Kunststoffen ging um 3 % auf 13,6 Mio. t zurück. Heißt: Das Wachstum basiert nicht auf einer Mengensteigerung, sondern auf zum Teil dramatisch gestiegenen Kosten.

Preissteigerungen müssen an die Kunden weitergegeben werden

Als Dr. Helen Fürst bei ihrer Premiere als Präsidentin des Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie – GKV – auf der traditionellen Aschermittwochs-Pressekonferenz in Frankfurt die Branchenzahlen für das Jahr 2022 präsentierte, nutzte sie die Gelegenheit deshalb auch für klare und von großer Sorge geprägte Worte an die Politik: „Die Zukunft Kunststoff verarbeitender Unternehmen in Deutschland steht und fällt mit der Möglichkeit, Kosten an die Kunden weiterzugeben. Angesichts der dramatischen Preissteigerungen bei Strom und Gas sind allerdings deutliche Zweifel angebracht, ob das auch in diesem Jahr gelingen wird.“ Die Dimensionen zeigt eine aktuelle Befragung des GKV: Dramatische 90 % beträgt die durchschnittliche Steigerung der Stromkosten bei den Mitgliedsunternehmen des GKV im Jahr 2022.

Die Situation der Kunststoffverarbeiter ist schlechter, als diese Zahlen vermuten lassen. Sorge bereiten vor allem die extremen Steigerungen der Energiekosten, die ein schnelles und unbürokratisches Handeln der Regierung erfordern. 
Die Situation der Kunststoffverarbeiter ist schlechter, als diese Zahlen vermuten lassen. Sorge bereiten vor allem die extremen Steigerungen der Energiekosten, die ein schnelles und unbürokratisches Handeln der Regierung erfordern. 

Aktuelle Energiepreisbremse nur ein „Flickwerk“, das nicht hilft

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Deshalb fordert die GKV-Präsidentin denn auch von der Bundesregierung allem voran Entlastungen bei den Energiekosten, denn die im Dezember 2022 „hastig zusammengeschusterten so genannten Preisbremsen für Strom und Gas“ erweisen sich nach Überzeugung von Fürst als „Flickwerk, das den meisten mittelständischen Industrieunternehmen nicht wirklich hilft.“

Ihre Begründung: „Da die Entlastungen unter Vorbehalt geleistet werden, müssten die Unternehmen Rückstellungen bilden für eine mögliche Rückzahlung staatlicher Hilfen. Das schreckt viele ab, vor allem Mittelständler. Es besteht hier neben einem neuen wirtschaftlichen Risiko so viel Verunsicherung und enormer bürokratischer Aufwand, für den die Unternehmen sich für viel Geld externen Sachverstand einkaufen müssen.“

Kunststoffverarbeiter brauchen bezahlbare grüne Energie

Die klare Botschaft, die Dr. Helen Fürst im Namen aller Mitglieder des GKV am Aschermittwoch an die Politik richtete: „Wir brauchen schnell und zuverlässig ausreichend grüne Energie zu bezahlbaren Preisen. So lange wir diese nicht haben, brauchen wir eine Energiepolitik, die dafür sorgt, dass unsere Unternehmen noch im Industrieland Deutschland produzieren können. Jetzt ist ein Handeln der Politik dringend geboten: Die Bundesregierung muss die derzeitigen Energiepreisbremsen, die in der jetzt vorliegenden Form vielen Unternehmen nicht helfen, nachbessern. Dafür muss die Bundesregierung zügig in Verhandlungen mit Brüssel eintreten, um Änderungen am Beihilferecht zu erwirken.“

Mittelständische Industrie kurzfristig spürbar entlasten

Ganz wichtig bei all dem ist es Fürst, dass „die mittelständische Industrie kurzfristig spürbar entlastet wird“. Schnell umsetzbare Möglichkeiten zur Energiekostensenkung sind nach Überzeugung der GKV-Präsidentin durchaus vorhanden, zum Beispiel die Übernahme der Netzentgelte durch den Bundeshaushalt, die Reduzierung der Strom- und Energiesteuersätze auf die europäischen Mindestsätze und Befreiung der Unternehmen von bürokratischen Entlastungsverfahren wie dem so genannten Spitzenausgleich.

 Dr. Helen Fürst, Präsidentin des Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie – GKV :  „Ich war immer überzeugt vom Standort Deutschland, aber selbst ich komme ins Zweifeln.“
Dr. Helen Fürst, Präsidentin des Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie – GKV :  „Ich war immer überzeugt vom Standort Deutschland, aber selbst ich komme ins Zweifeln.“

Wie ernst die Lage bei vielen Kunststoffverarbeitern ist, zeigt die aktuelle GKV-Mitgliederbefragung vom Januar und Februar 2023. Obwohl in der Branche überall händeringend Mitarbeiter gesucht werden und der Fachkräftemangel nach wir vor eines der zentralen Probleme der Kunststoffverarbeiter ist, sehen 54 % der Befragten einen Arbeitsplatzabbau und 50 % der Befragten Kurzarbeit als die wahrscheinlichsten Konsequenzen, falls sich die Kostensituation nicht verbessert.

Verlagerung ist Ausland droht

Für 41 % der Kunststoffverarbeiter könnte eine ausbleibende Verbesserung der Kostensituation sogar zu einer Produktionsverlagerung ist Ausland führen. Dr. Helen Fürst: „Ich war immer überzeugt vom Standort Deutschland, aber selbst ich komme ins Zweifeln.“ Deshalb kommt es für Fürst gerade jetzt auf die Unterstützung der Politik für die Unternehmen und vor allem für den Mittelstand in Deutschland an. Denn die Folgen einer mangelnden Unterstützung wären nach Überzeugung der GKV-Präsidentin fatal: „Unternehmen, die Deutschland einmal verlassen haben, werden nicht wiederkommen. Eine Abwanderung der mittelständischen Industrie hätte irreversible Folgen für die Wertschöpfung, die Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.“

Der Vorstand des GKV hat übrigens bereits im Rahmen seiner Sitzung am 28. September 2022 auf die prekäre Situation aufmerksam gemacht und  eine Resolution verabschiedet, in der der Verband von Bundesregierung effektive Maßnahmen zur Begrenzung der Gas- und Energiepreise mit einem Preisdeckel fordert. Mehr dazu in diesem Beitrag der K-ZEITUNG

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