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Spritzgießprozess 22. November 2023

Spritzgießen: Viskositätsschwankungen im Griff

Viskositätsschwankungen beim Spritzgießen müssen nicht sein: Das neue Tool HIQ Melt Premium von Wittmann Battenfeld ist ein Gradmesser der Schmelzequalität.

HIQ Melt Monitoring gibt Empfehlungen zur Hubauslastung der Schnecke, um Viskositätsschwankungen in den Griff zu bekommen.
HIQ Melt Monitoring gibt Empfehlungen zur Hubauslastung der Schnecke, um Viskositätsschwankungen in den Griff zu bekommen.

Um möglichst ressourcenschonend zu produzieren, indem die Zahl der Ausschussteile minimiert wird, gilt es, so frühzeitig wie möglich Viskositätsschwankungen zu detektieren und gegebenenfalls zu reagieren. Viskositätsschwankungen können zum Beispiel durch einen unterschiedlichen Fasergehalt bei Chargenwechsel oder alternierende Mahlgutqualitäten hervorgerufen werden.

Anwendertechnisch wird der Einrichter heute bereits mit vielen Softwareanwendungen unterstützt. Das beginnt bereits mit dem sogenannten Quick Setup, das bei Wittmann Battenfeld im Standard der Unilog-Steuerungsgenerationen B8X und B8 schon seit Jahren zur Verfügung steht. In diesem Tool wird ein Einstellvorschlag berechnet, der mit wenigen Grunddaten Prozessdaten vorschlägt, die anschließend übernommen werden können. Schwankungen der Viskosität werden dann im laufenden Betrieb durch das bereits bekannte HIQ Flow Premium ausgeglichen, können aber mit den beiden Anwendungen HIQ Melt Monitoring und HIQ Melt Premium auch überprüft werden.

Für die optimale Verweilzeit im Plastifizierzylinder

Mit der bereits im Maschinenstandardpaket verfügbaren Funktion HIQ Melt Monitoring ist es möglich, sowohl die mittlere Verweilzeit der Kunststoffschmelze im Plastifizierzylinder als auch die Auslastung des Schneckenvolumens anzuzeigen. Diese beiden Werte liefern dem Maschinenbediener eine gute Basis für die Bewertung der Kunststoffschmelze-Qualität bei einem Produktionsprozess. Durch ein Ampelsystem wird die qualitative Darstellung der Werte für den Einrichter schnell erfassbar. Welche Gefahren sich für den Kunststoff und in weiterer Folge für das Produkt ergeben, ist qualitätsentscheidend.

Typische Fehlerbilder bei zu kurzer Verweilzeit, bei der das Kunststoffmaterial nicht vollständig aufgeschmolzen ist, sind Gewichtsschwankungen und Schlierenbildung am Bauteil. Für den Schneckenzylinder, die Maschinendüse, Schnecke, Rückstromsperre und Schneckenspitze bedeutet das einen erhöhten Verschleiß durch zu hohe Scherkräfte. Bei langer Verweilzeit kann der Kunststoff überhitzen und erzeugt Verbrennungen im Bauteil. An der Maschine können Materialanlagerungen an der Schnecke und Korrosionsbildung an der gesamten Schneckenzylinder-Einheit die Folge sein. Abbauprodukte des Kunststoffes können zusätzliche Probleme an den Produkten und der Plastifiziereinheit hervorrufen.

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Software berechnet die Auslastung des Schneckenvolumens

Für die Berechnung der mittleren Verweilzeit mit HIQ Melt Monitoring werden das Volumen in den Schneckengängen, die Zykluszeit und das Schussvolumen herangezogen. Die Auslastung des Schneckenvolumens wird zwischen 1xD (= Durchmesser der Schnecke) bis 3xD als ideal angesehen. Eine Auslastung unter 1D führt zu Problemen in der Reproduzierbarkeit des Prozesses und einer zu langen Verweilzeit des Kunststoffes im Plastifizierzylinder. Die Ungenauigkeiten sind auf die sehr kurze Regelstrecke des Einspritzprozesses zurückzuführen und auf den kurzen Weg, der auf das Schließen der Rückstromsperre erheblich mehr Einfluss nimmt. Verbesserung können zum Beispiel das aktive Verschließen der Rückstromsperre mit HIQ-Metering und langsame Einspritzgeschwindigkeiten schaffen. Mit elektrischen Maschinen werden diese Maßnahmen in der Regel besser umgesetzt als mit hydraulischen Systemen. Diese Lösungen ersetzen aber nicht eine korrekte Auslegung der Schnecke.

Eine Auslastung über 3D wird nicht empfohlen. Die Dosierleistung nimmt ab diesem Dosiervolumen schrittweise immer mehr ab. Zykluszeiten können je nach Material deutlich länger werden und die Materialhomogenität wird durch nicht geschmolzene Bereiche in der Schmelze, wie schon oben erwähnt, instabil. Wirtschaftliche und qualitative Aspekte werden dadurch, zum Teil erheblich, verschlechtert.

Zeigt Viskositätsschwankungen schon beim Dosieren

Viele Anwender stehen vor dem Problem, dass ihnen unter anderem Informationen über das Schmelze- und Fließverhalten des Kunststoffs während der Produktion fehlen. Das Ziel der Neuentwicklung HIQ Melt Premium ist es daher, dem Bedienpersonal eine Kennzahl mit auf den Weg zu geben, mit der es intuitiv Aussagen zum aktuellen Prozess treffen kann. Für HIQ Melt Premium ist das der Schmelzflussindex MVR beziehungsweise MFI.

Die Vorteile der Software HIQ Melt Premium wurden auf der K 2022 anhand der Herstellung von Bio-Bausteinen aus Fasal gezeigt.
Die Vorteile der Software HIQ Melt Premium wurden auf der K 2022 anhand der Herstellung von Bio-Bausteinen aus Fasal gezeigt.

Das Steuerungssystem ermittelt durch Eingabe von Materialwerten und einer anschließenden Kalibrierungsphase den MVR. Die Steuerung Unilog B8X bietet dem Einrichter viele Materialkennwerte bereits an. Die meisten Materialhersteller stellen die optimalen Kennwerte zur Verfügung. Daraus kann HIQ Melt Premium den Schmelzflussindex abschätzen und für die Gut/Schlecht-Beurteilung heranziehen. Außerdem ist es damit möglich, einen Vergleich des aktuellen Wertes mit den Angaben des Materialherstellers durchzuführen. Dem Einrichter werden so die Viskositätsschwankungen unmittelbar beim Dosieren des Materials bekanntgegeben und dokumentiert. Das gibt ihm die Möglichkeit, auf etwaige Änderungen sofort zu reagieren. In der Qualitätstabelle kann dieser Wert mit anderen prozessrelevanten Ist-Werten verglichen werden. Somit sind Veränderungen im Prozess auch zeitlich rückverfolgbar.

HIQ Melt Premium ist somit ein Gradmesser für die Schmelzequalität und verringert den Ausschuss. Die damit einhergehende Effizienzsteigerung führt zu einer Reduktion der Kosten, erleichtert die frühzeitige Erkennung von Materialveränderungen und erhöht in der Folge die Produktivität.

Mit der S-Max-Mühle von Wittmann wurden innerhalb der Fertigungszelle auf der K 2022 die Angüsse vermahlen. Das Mahlgut wurde sofort wieder in den Spritzgießprozess zurückgeführt.
Mit der S-Max-Mühle von Wittmann wurden innerhalb der Fertigungszelle auf der K 2022 die Angüsse vermahlen. Das Mahlgut wurde sofort wieder in den Spritzgießprozess zurückgeführt.

Die Verarbeitung von Biokunststoffen im Griff

Die neue Software wurde bereits auf der K-Messe 2022 anhand der Verarbeitung eines nachwachsenden Rohstoffs vorgestellt. Mit einer als Insiderzelle ausgeführten Maschine der vollelektrischen EcoPower-Baureihe wurde mit einem 8-fach-Werkzeug von Bioblo ein Bio-Baustein aus Fasal, einem Compound aus Holzmehl und Post-Industrial Polypropylen von Borealis – gefertigt. Die Angüsse wurden dabei in eine integrierte Mühle befördert, dort vermahlen und in den Prozess zurückgeführt. Diese Fertigungszelle war auch auf der Swiss Plastics Expo 2023 zu sehen.

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