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News 14. März 2024

Flaute auf Chinas Kunststoffmarkt

Die Chinaplas vom 23. bis 26. April 2024 in Shanghai könnte erneut Rekorde brechen – obwohl die Industrie im Reich der Mitte nicht gerade boomt.

Der chinesische Kunststoffmarkt ist für die Hersteller gefühlt auf Talfahrt, weil das Wachstum vor der Corona-Pandemie deutlich höher lag. Dabei läuft er relativ stabil. Nun hofft die Branche auf neue Impulse auf der Chinaplas im April 2024 in Shanghai.
Der chinesische Kunststoffmarkt ist für die Hersteller gefühlt auf Talfahrt, weil das Wachstum vor der Corona-Pandemie deutlich höher lag. Dabei läuft er relativ stabil. Nun hofft die Branche auf neue Impulse auf der Chinaplas im April 2024 in Shanghai.

Bereits im vergangenen Jahr verbuchte die Chinaplas, die seinerzeit in Shenzen stattfand, einen Besucherrekord – und löste damit die K in Düsseldorf als besucherstärkste Kunststoffmesse ab. Nun kehrt die chinesische Messe nach sechs Jahren Pandemie-bedingter Pause nach Shanghai zurück. Und auch hier stehen die Zeichen auf Rekord: 380.000 m2 Ausstellungsfläche – und damit genauso viel wie 2023 in Shenzen – und mehr als 4.000 Aussteller vermeldet Messeveranstalter Adsale. Alle 15 Ausstellungshallen des Geländes sind damit voll belegt. Gegenüber 2018 steigt die Ausstellungsfläche um 11 %. Da China Bürgern aus Deutschland und vielen anderern Ländern seit Dezember vergangenen Jahres wieder die visafreie Einreise gewährt beziehungsweise Maßnahmen zur Vereinfachung der Visaverfahren eingeführt hat, hoffen Messeveranstalter und Aussteller auch, mehr internationale Besucher in Shanghai zu empfangen.

Kunststoffmarkt in China 43 Mrd. USD schwer

Dabei blickt die Branche – insbesondere Hersteller aus Europa – mit gemischten Gefühlen auf den chinesischen Kunststoffmarkt: Zwar wuchs die Wirtschaft nach Angaben des nationalen Statistikbüros Chinas im Jahr 2023 um 5,2 %. Und auch in diesem Jahr soll sie um rund 5 % zulegen, so der jüngste Arbeitsbericht der Regierung. Gleichzeitig will Peking 12 Millionen neue Arbeitsplätze in urbanen Regionen schaffen. Auch soll der chinesische Kunststoffmarkt, der während der Corona-Pandemie Volumen einbüßte, weiter wachsen: So wird der Markt für technische Kunststoffe im Jahr 2024 auf gut 43 Mrd. USD geschätzt. 2029 soll er 61,8 Mrd. USD erreichen, dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 7,4 % im Prognosezeitraum von 2024 bis 2029.

Allerdings ist die chinesische Wirtschaft damit weiterhin weit entfernt von den Wachstumszahlen vergangener Jahre – und schottet ihre Industrie zunehmend nach außen ab, sodass es Hersteller aus dem Ausland schwer haben. „Das tatsächliche Marktwachstum entspricht nicht dem prognostizierten“, klagte Engel-CEO Dr. Stefan Engleder bereits im Sommer 2023 im Interview mit der K-Zeitung. Dadurch sah er in China bis Mitte 2024 ein relativ geringes Potenzial für Neuinvestitionen in Spritzgießmaschinen. Engleder äußerte die Hoffnung, „dass der Markt dort in der zweiten Jahreshälfte 2024 wieder anzieht“.

Engel-CEO Dr. Stefan Engleder, beobachtet die Deindustrialisierung Europas kritisch: „Auch die chemische Industrie wandert immer stärker auf andere Kontinente. Die Werkstoffentwicklung ist aber ganz zentral für Innovationen im Kunststoffbereich.“
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2022 lief es hingegen für die europäischen Kunststoffmaschinenbauer noch sehr gut: Laut Branchenverband VDMA war Deutschland das mit Abstand wichtigste Lieferland Chinas für Kunststoff- und Gummimaschinen und konnte die Exporte gegenüber dem Vorjahr um satte 27 % auf 12,76 Mio. EUR Umsatz steigern. Da die Importe aus Japan mit umgerechnet rund 9 Mio. EUR etwa auf Vorjahresniveau verharrten, konnten die deutschen Maschinenbauer 2022 ihren Marktanteil deutlich ausbauen: Er lag bei 41 %. Für 2023 liegen dem VDMA noch keine abschließenden Zahlen vor. Doch hat sich die Stimmung im vergangenen Jahr deutlich eingetrübt: Nach einer Umfrage des VDMA unter seinen in China aktiven Mitgliedsunternehmen im November 2023 beurteilten nur 10 % ihre Geschäftslage als gut. Fast die Hälfte beschrieb ihre Situation als zufriedenstellend und 43 % sogar als schlecht. Der Bereich Kunststoff- und Gummimaschinen lag dabei zwar leicht über dem Maschinenbau-Durchschnitt, doch auch hier überwogen ganz klar negative Einschätzungen.

Gerd Liebig, CEO von Sumitomo (SHI) Demag,  sieht Wachstumschancen vor allem in der chinesischen Automobilindustrie.
Gerd Liebig, CEO von Sumitomo (SHI) Demag,  sieht Wachstumschancen vor allem in der chinesischen Automobilindustrie.

Zur Risikostreuung investieren Verarbeiter außerhalb von China

Hinzu kommt, dass sich der chinesische Markt zunehmend vom Weltmarkt abkoppelt, die Local-für-Local- und die Made-in-China-Strategie der Regierung in Peking ist aufgegangen. „Im Standardspritzguss-Bereich kaufen die chinesischen Unternehmen zunehmend chinesische Spritzgießmaschinen“, so Engel-Chef Engleder im Interview. Verbände und Beratungsunternehmen empfehlen zudem allen Firmen in der Industrie seit geraumer Zeit, angesichts der weltweiten Decoupling-Entwicklungen das Risiko zu streuen. Gerd Liebig, CEO von Sumitomo (SHI) Demag – der deutsch-japanische Maschinenbauer produziert auch in einer Fabrik in Ningbo/China – stellt vor diesem Hintergrund fest: „Bei internationalen Kunststoffverarbeitern sehe ich die zunehmende Tendenz, sich neben China ein zweites Standbein zu suchen. Daher erwarten wir eine Schrumpfung des chinesischen Markts.“ Ein anderer Grund für seine Einschätzung ist der Trend zu vollelektrischen Spritzgießmaschinen: „Diese verstärken die generelle Maschineneffizienz, sodass die Spritzgießer auch in China mit einem kleineren Maschinenpark arbeiten können.“

Dass sich der Markt für die Kunststoffbranche in China generell eingetrübt hat, führt Liebig auf mehrere Faktoren zurück: „Auch in China macht sich die Krise in der Baubranche bemerkbar. Der überhitzte Immobilienmarkt hat zu hohen Immobilienpreisen geführt, die sich immer weniger Menschen leisten können. Auch wenn die chinesische Regierung versucht, mit Zinssenkungen dagegenzuhalten, dürfte eine Erholung dieses wichtigen Sektors noch dauern. Das hat auch Einfluss auf die Kunststoffverarbeiter als Zulieferer der Baubranche.“ Liebig weiter: „Die während der Corona-Pandemie angeheizte Nachfrage in den Bereichen Verpackung und Medizin ist nunmehr abgeflaut und die Nachfrage hat sich auf ein niedrigeres Niveau eingependelt.“

Der Spatenstich für die neue Fabrikationshalle am Standort Ningbo erfolgte im Dezember 2022.
Sumitomo (SHI) Demag erweitert Fabrik in Ningbo
Sumitomo (SHI) Demag China verdoppelt mit einer neuen Fabrikhalle die Produktionskapazitäten am Standort in Ningbo. Der Spatenstich ist bereits erfolgt.

Der Chef von Sumitomo (SHI) Demag sieht jedoch auch Wachstumschancen, vor allem in der lokalen Automobilindustrie: „Durch ihre steigende Marktbedeutung – insbesondere im elektrischen Bereich – wird der Zugang zu chinesischen Autoherstellern zunehmend wichtig. Aufgrund unseres guten Netzwerks in China und unserer Produkte sehen wir hier große Chancen.“ Auch wird nach seiner Einschätzung der verstärkte Fokus der chinesischen Regierung auf Nachhaltigkeit die Marktentwicklung stark prägen: „Bereits jetzt verzeichnen wir eine weiterhin steigende Nachfrage nach vollelektrischen Maschinen, und wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend noch verstärken wird.“

Zhang Jianfeng, Executive Director von Haitian International, dem nach Stückzahlen weltweit größten Spritzgießmaschinenhersteller, bestätigt diese Einschätzung seines Heimatmarkts: „Chinas Dual-Carbon-Strategie und der Aufstieg der erneuerbaren Energien bieten große Chancen, insbesondere in Bereichen wie Elektromobilität und intelligente Haushaltsgeräte. Wir sehen dies allein an der Nachfrage nach unseren intelligenten und energiesparenden Spritzgießmaschinen in fast allen Branchen.“ Vor diesem Hintergrund biete der chinesische Markt für Haitian ein großes Wachstumspotenzial.

Zhang Jianfeng, Executive Director of Haitian International, sieht Chinas Dual-Carbon-Strategie, als Herausforderung und Chance gleichzeitig.
Zhang Jianfeng, Executive Director of Haitian International, sieht Chinas Dual-Carbon-Strategie, als Herausforderung und Chance gleichzeitig.

Haitian sieht mehr Wettbewerb auf heimischen Markt

Gleichzeitig stellt die Dual-Carbon-Strategie den chinesischen Markt vor eine große Herausforderung: „In dem Maße, in dem China seine Bemühungen zur Erreichung seiner doppelten Kohlenstoffziele intensiviert, sieht sich die Kunststoffindustrie strengeren Umweltvorschriften gegenüber. Dieser Wandel erfordert von den Unternehmen Investitionen in sauberere, nachhaltigere Produktionsmethoden und -technologien, die sowohl kostspielig als auch technisch anspruchsvoll sein können“, betont Jianfeng.

Eine weitere Herausforderung für Haitian ist „der sich verschärfende Wettbewerb auf dem heimischen Markt. Da sich die Branche hin zu höherwertigen und technologisch fortschrittlichen Produkten entwickelt, wetteifern sowohl lokale als auch internationale Unternehmen um Marktanteile“. Der chinesische Markt ist für den Spritzgießmaschinenriesen nach wie vor der Kernmarkt und macht 60 % des Umsatzes aus.

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