Firmenübernahmen: Wenig chinesische Investoren in der EU
Europäische Firmen sind bei chinesischen Investoren weniger beliebt: Die Zahl der Firmenübernahmen sank von 309 im Jahr 2016 auf 119 im vergangenen Jahr.
2022 waren gab es nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY noch 138 europäische Firmenübernahmen durch chinesische Käufer. Auch das Transaktionsvolumen sank demnach erneut: Der Wert der Beteiligungen und Übernahmen ging von 4,3 auf 2,0 Mrd. USD zurück; bei der Mehrzahl der Übernahmen liegen allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen vor. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 – auf dem Höhepunkt des Booms chinesischer M&A-Transaktionen in Europa – betrug das Transaktionsvolumen bei 85,8 Mrd. USD.
In Deutschland stieg die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen im vergangenen Jahr zwar von 26 auf 28. Doch lag sie damit ebenfalls deutlich niedriger als im Rekordjahr 2016, als 68 chinesische Zukäufe in Deutschland gezählt wurden. Das Investitionsvolumen lag mit 202 Mio. USD auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2010. Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Start-ups, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen aktiv waren.
China nur noch auf Rang 9 im deutschen Investorenranking
Als Investoren spielen chinesische Unternehmen in Deutschland derzeit nur eine untergeordnete Rolle: Mit 28 Transaktionen in Deutschland belegte China im vergangenen Jahr Platz 9 im Investorenranking, das von den USA und Großbritannien mit 225 beziehungsweise 113 Transaktionen angeführt wird. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 war China noch der viertwichtigste Investor in Deutschland, so die EY-Studie.
„Das leichte Plus bei der Zahl chinesischer Unternehmensübernahmen in Deutschland ist noch keine Trendwende“, sagt Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services in der Region Europe West bei EY. „Nach wie vor sind chinesische Unternehmen zurückhaltend, wenn es um Übernahmen in Europa geht. Das liegt auch an der konjunkturellen Situation in China und der Finanzlage chinesischer Unternehmen: Eine Expansion nach Europa durch M&A-Aktivitäten hat innerhalb der Unternehmensstrategie vieler chinesischer Unternehmen derzeit keinen hohen Stellenwert mehr – sie konzentrieren sich auf eine Verbesserung ihrer eigenen Geschäftslage und auf ihr bestehendes Beteiligungsportfolio.“ Zum Teil gehöre dazu auch die Trennung von Beteiligungen in Europa, etwa in der Automobilindustrie. Während Zukäufe in Europa gerade an Bedeutung verlieren, konzentrieren sich laut Sun einige chinesische Investoren darauf, Mega-Fabriken in Europa zu bauen, besonders in den Bereichen Elektroautos und Batterien.
Chinesische Investoren kaufen weniger Industrieunternehmen
Im vergangenen Jahr gab es europaweit erneut mehr Unternehmensübernahmen und -beteiligungen im Hightechsegment, wozu in erster Linie Software- und Halbleiter-Unternehmen zählen, als in klassischen Industriebranchen: Die Zahl der Übernahmen von Hightechunternehmen sank allerdings von 32 auf 26, gleichzeitig ging die Zahl der übernommenen Industrieunternehmen von 25 auf 24 zurück.
Sowohl im Industriesektor als auch im Hightechbereich engagierten sich chinesische Investoren bevorzugt in Deutschland: Von den europaweit 26 Deals im Hightechbereich betrafen sieben deutsche Unternehmen. Und von den 24 Transaktionen, bei denen Industrieunternehmen gekauft wurden, fanden acht in Deutschland statt.
Vorwiegend kleinere Firmenübernahmen erwartet
Sun sieht trotz der überschaubaren Transaktionsaktivitäten nach wie vor ein grundsätzlich großes Interesse chinesischer Investoren an Übernahmen in Europa und vor allem in Deutschland: „Im vergangenen Jahrzehnt haben chinesische Unternehmen sich europaweit an fast 1.900 Unternehmen beteiligt, knapp 400 davon in Deutschland. Die Erfahrungen, die dabei auf allen Seiten gesammelt wurden, waren zumeist gut, so dass es inzwischen auf vielen Ebenen enge und belastbare Verbindungen zwischen chinesischen und hiesigen Unternehmen gibt. Die politischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen sind allerdings derzeit nicht gerade günstig – und eine deutliche Besserung ist nicht absehbar. Daher werden große Deals die Ausnahme bleiben, stattdessen wird es weiterhin vorwiegend kleinere Transaktionen geben. Und Deutschland wird das bevorzugte Investitionsziel bleiben.“
Kautex von chinesischem Unternehmen gekauft
Ein Beispiel dafür ist der Bonner Extrusionblasformanlagenhersteller Kautex, der am 1. Januar 2024 für eine nicht genannte Summe vom chinesischen Extruderhersteller Jwell übernommen wurde. Dem war ein Insolvenzverfahren vorausgegangen.
Allerdings ist das weltweite M&A-Transaktionsvolumen 2023 insgesamt stark gesunken, und zwar um 15 % auf 3,2 Bio. USD – den niedrigsten Wert in den vergangenen zehn Jahren. Dies ist das Ergebnis des „Global M&A Report 2024“ der Unternehmensberatung Bain & Company. Demnach agieren potenzielle Firmenkäufer erheblich vorsichtiger angesichts steigender Zinsen, konjunktureller Unsicherheit sowie verschärfter Prüfungen durch Aufsichtsbehörden. sk