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27. Oktober 2023

Studie: So macht sich China technologisch unabhängig

China forciert die technologische Eigenständigkeit; ausländische Hersteller werden in Nischen gedrängt; im Robotikbereich zeigt die Strategie Erfolge.

Roboter gehören für China zu den strategischen Feldern, bei der eine technologische Unabhängigkeit vom Ausland erstrebt wird.
Roboter gehören für China zu den strategischen Feldern, bei der eine technologische Unabhängigkeit vom Ausland erstrebt wird.

„Technologische Eigenständigkeit in einer geopolitisch fokussierten Wirtschaft ist das zentrale Ziel von Chinas Wirtschaftsagenda“, sagt Max J. Zenglein, Chefökonom des Mercator Institute for China Studies (Merics). „Ein gesamtstaatlicher Ansatz zielt darauf ab, technische Lücken zu schließen und China unabhängiger von ausländischen Akteuren zu machen. Der Staat übernimmt dabei die Kontrolle über die Innovationskette und leitet und unterstützt jeden Akteur, um technische Effektivität und Markteffizienz zu erreichen, während er gleichzeitig alles von der Grundlagenforschung bis zur Kommerzialisierung zentralisiert und rationalisiert.“

In der Studie „The party knows best: Aligning economic actors with China’s strategic goals“ stellt Merics fest, dass die chinesische Regierung einheimische Lösungen fördert, wo sie kann – auch auf Kosten der Effizienz. „Angesichts der Fortschritte, die China auf dem Weg zu einer technologischen Großmacht gemacht hat, ist normalerweise zu erwarten, dass die Gesamtfaktorproduktivität mit dem Einsetzen der Erträge aus Innovationsgewinnen gestiegen wäre“, so Zenglein. Doch dies sei nicht geschehen. Die technologische Eigenständigkeit sei für Peking wichtiger als Produktivitätszuwächse.

China fördert Start-ups mit Little Giants Initiative

Dabei verfolge China einen gesamtstaatlichen Ansatz, bei dem Staatsunternehmen und größere Privatunternehmen die wissenschaftliche Gemeinschaft in der Forschungsphase unterstützen sollen – auch durch Investitionen in eigene Tochtergesellschaften, die dann vom Technologietransfer profitieren, oder in Start-ups. Für chinesische Start-ups, denen das Potenzial zugeschrieben wird, die Technologielücke in Schlüsselbereichen zu schließen, kann diese Unterstützung auch durch Chinas „Little Giants Initiative“ erfolgen. Diese bietet kleinen und mittleren Unternehmen umfangreiche Unterstützung durch das Innovationskettenmodell und durch die Anbindung an Finanzmärkte. Im Jahr 2022 wurden 40 % der Notierungen an den Börsen in Shanghai, Shenzhen und Peking von Little-Giant-Unternehmen getätigt.

Erfolgsbeispiel Leaderdrive, Hersteller von Roboterkomponenten

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Eine Erfolgsgeschichte für Pekings „kleine Riesen“ ist Leaderdrive, Hersteller von Getrieben etwa für Roboter. Roboter gehören zu den zehn Schlüsselindustrien, die in der Strategie „Made in China 2025“ enthalten sind. Peking versucht daher seit langem, im Inland Kapazitäten in Kerntechnologien der Robotik aufzubauen, wo ausländische Firmen dominieren. Doch die Branche konnte die Erwartungen der Regierung bisher nicht erfüllen, so Merics. Im Jahr 2020 betrug der inländische Marktanteil einheimischer Marken in der Industrieroboterproduktion etwa ein Viertel. In Bezug auf Kernkomponenten erreichte die Lokalisierungsrate bei Getrieben, Servosystemen und Steuerungen im Jahr 2020 etwa 36 %, 25 % beziehungsweise 31 %.

Leaderdrive hingegen hatte 2021 im Bereich Oberschwingungsfilter einen chinesischen Marktanteil von 25 % und belegte damit den zweiten Platz. Das Unternehmen zählt einige der größten chinesischen Hersteller von Industrierobotern wie Siasun, Estun, Step Electric und Huashu Robot zu seinen Hauptkunden. Seit der Erlangung des Little-Giant-Titels erhielt Leaderdrive zwischen 2019 und 2022 Subventionen in Höhe von 78 Millionen CNY, was 6 % seines Umsatzes in diesem Zeitraum ausmacht. Der Umsatz hat sich zwischen 2019 und 2022 mehr als verdoppelt.

Roter Teppich für Player aus dem Ausland, wenn keine andere Wahl

Auch wenn der Fokus auf dem Schließen von Technologielücken in wichtigen Bereichen liegt, wird China laut der Merics-Studie „zögernd weiterhin ausländische Technologie importieren, wenn es keine andere Wahl hat“. Präferiert wird dabei statt Direktimporten das Onshoring ausländischer Technologien. So genehmigte Peking den beiden Chemiekonzernen BASF und Exxon Mobil 2018 für den Bau von Fabriken in der Provinz Guangdong im Wert von jeweils 10 Mrd. USD erstmals Rechtsformen ohne chinesische Beteiligung. Der Grund: Diese Fabriken werden Kunststoff für Kunden in China produzieren, die bislang importiert wurden – was möglicherweise zu Störungen geführt hätte.

Für europäische und japanische Maschinenhersteller heißt dies laut Merics, dass sie künftig „nur ihre modernsten Produkte nach China exportieren werden“.

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