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News 25. April 2024

Ist die 4-Tage-Woche die Lösung?

Ist die 4-Tage-Woche generell ein Zukunftsmodell für die Branche? Ein Thema das aktuell die Gemüter spaltet und für viel Gesprächsstoff sorgt.

Ist eine verkürzte Woche das Richtige für die Kunststoffbranche? Weltweit experimentieren aktuell große und kleine Unternehmen mit der Idee einer verkürzten 4-Tage-Woche.
Ist eine verkürzte Woche das Richtige für die Kunststoffbranche? Weltweit experimentieren aktuell große und kleine Unternehmen mit der Idee einer verkürzten 4-Tage-Woche.

Ein viel diskutiertes Thema, dass die deutsche Arbeitswelt aktuell umtreibt, ist die 4-Tage-Woche. Nur vier Tage in der Woche zu arbeiten, macht die Mitarbeiter glücklicher, ist gesünder und genauso produktiv: Das legen Studien und Pilotprojekte nahe. In Großbritannien beispielsweise haben 61 Unternehmen die 4-Tage-Woche ein Jahr lang getestet. Das Ergebnis: Beschäftigte waren zufriedener, weniger gestresst, weniger krank. Die Fehltage sanken um ganze 63 % – und die Umsätze stiegen.

Wirtschaftsbosse schlagen Alarm

Auf der anderen Seite schlagen aktuell Wirtschaftsbosse Alarm, wenn es um die Anzahl der Wochen-Arbeitsstunden geht. Die Experten mahnen harte Reformen an – und fordern die Bürger auf: Alle müssen mehr arbeiten, um den Sozialstaat zu retten!

„Wir brauchen eine Steigerung der Arbeitsstunden von den Menschen, die bereits hier arbeiten“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger vor kurzem auf einem Wirtschaftskongress.

Für Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, ist klar: „Durch eine Steigerung der Wochenarbeitszeit lassen sich höhere Sozialbeiträge verhindern.“ Würde jeder Beschäftigte eine Stunde/Woche mehr arbeiten, stiege die Wirtschaftsleistung auf einen Schlag um fast vier Prozent, so Schäfer. Das entspricht zusätzlich 160 Mrd. EUR. Ein Teil davon würde an Rentenkasse, Pflegeversicherung etc. fließen.

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Fest steht: Die Deutschen sind laut einer OECD-Umfrage internationales Schlusslicht, wenn es um die durchschnittliche Arbeitszeit in Stunden pro Woche geht. Im Schnitt arbeitet ein Beschäftigter in Deutschland nur 25,8 Stunden/Woche. Im Vergleich dazu: Der OECD-Durschnitt liegt bei 33,7 Stunden, der EU-Durschnitt bei 30,2 Stunden.

Sind wir bereit für die 4-Tage-Woche?

Nach einer einjährigen Testphase mit einem sehr positiven Fazit hat der Thüringer Gummimaschinenbauer Deguma offiziell die 4-Tage-Woche eingeführt. Aber ist die Vier-Tage-Woche generell ein Zukunftsmodell für die Kunststoffbranche? In einer LinkedIn-Umfrage haben wir auf unserem K-Zeitung-Kanal nachgehakt. Das Ergebnis ist aktuell sehr eindeutig. Zwei Drittel der rund 130 Befragten Personen und Unternehmen aus der Branche können sich im Moment keine 4-Tage-Woche vorstellen. Das Ergebnis verwundert Deguma-Geschäftsführerin Viktoria Schütz nicht. „Für so ein Arbeitszeitmodell müssen erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden. Wir haben schon seit 2019 unser Unternehmen transformiert – in Richtung mehr Eigenverantwortung und mehr Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter. Seitdem haben wir unsere Mitarbeiter fachlich und persönlich weiterentwickelt“, erklärt Schütz. „In diesem Prozess haben wir uns auch mit neuen Arbeitsmethoden befasst, und da kommt man zwangsläufig irgendwann zur 4-Tage-Woche“, führt sie weiter aus.

Viktoria Schütz, Geschäftsführerin von Deguma: Seit der Einführung der 4-Tage-Woche ist  die Zahl der Krankheitstage um zwei Drittel zurückgegangen, die Mitarbeiter sind viel motivierter und ausgeglichener und  der Umgang untereinander ist viel entspannter. 
Mit 4-Tage-Woche gegen den Fachkräftemangel
Interview mit Geschäftsführerin Viktoria Schütz zu den Hintergründen der Einführung der 4-Tage-Woche bei Deguma.

4-Tage-Woche versus Fachkräftemangel

Aber auch das Thema Fachkräftemangel wird aktuell in der Diskussion rund um die 4_Tage-Woche immer wieder auf das Tablett gebracht. In einer repräsentativen Umfrage des F.A.Z.-Instituts im Februar zeigte sich, dass der Arbeits- und Fachkräftemangel für 50 % der mittelständischen Unternehmen das drängendste Problem ist.

Sven Weihe, Geschäftsführer Pro-K Industrieverband: „Neue Arbeitszeitmodelle wie die Einführung einer 4-Tage-Woche versprechen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine bessere Work-Life-Balance als auch Anreize für Auszubildende und Fachkräfte.“
Sven Weihe, Geschäftsführer Pro-K Industrieverband: „Neue Arbeitszeitmodelle wie die Einführung einer 4-Tage-Woche versprechen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine bessere Work-Life-Balance als auch Anreize für Auszubildende und Fachkräfte.“

Mehr Anreize schaffen

„Als Vertreter der Kunststoffindustrie kann ich sagen: Schichtdienst, Wochenend- und Nachtarbeit sowie 24/7 Dauerbetrieb in der Produktion sorgen auch in unserer Branche für einen ansteigenden Mangel an Arbeitskräften. Klar ist: Neue Arbeitszeitmodelle wie die Einführung einer 4-Tage-Woche versprechen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine bessere Work-Life-Balance als auch Anreize für Auszubildende und Fachkräfte“, sagt Sven Weihe, Geschäftsführer des Pro-K Industrieverbands. Dabei muss aber laut Weihe im Blick behalten werden, dass in vielen Bereichen die Produktivitätssteigerungen fehlen, um Stundenreduzierungen zu erwirtschaften. Zudem ist insbesondere in der Produktion die Einführung einer Vier-Tage-Woche strukturell und arbeitsorganisatorisch aus seiner Sicht schlicht nicht umsetzbar. „Anlagen nur von Montag bis Donnerstag laufen zu lassen und dann abzuschalten, wäre unwirtschaftlich. Allerdings appelliere ich an die Unternehmen unserer Branche, neue Arbeitszeitmodelle proaktiv dort zu prüfen und klare Regeln aufzustellen, wo es im Unternehmen möglich ist“, ergänzt Weihe.

Beispiele, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken

So ist es heute gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur noch schwer vermittelbar, Bürotätigkeiten ausschließlich vor Ort zu erledigen. Flexible Arbeitszeiten, Jobsharing, Homeoffice oder Telearbeit sind laut Weihe aber nur einige Beispiele, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Es ist sinnvoll, mehr individuelle auf den Arbeitsplatz abgestimmte Vereinbarungen der Arbeitszeiten im Unternehmen einzuführen, um allen Seiten gerecht zu werden.

„Die Digitalisierung von Arbeitsprozessen oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz können zusätzlich helfen, Personalengpässe zu verringern. Die Chancen, die eine größere Automatisierung bieten, müssen jetzt mutig angepackt werden. In Verbindung mit internen Schulungen und Weiterbildungen, die brach liegende Potenziale bei Beschäftigten heben und diese fit für die Arbeitswelt von morgen machen, runden den Maßnahmenkatalog gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel ab – und können so vielleicht dazu führen, dass die Vier-Tage-Woche häufiger umgesetzt wird, als wir heute denken“, schließt Weihe ab.

Viktoria Schütz, Geschäftsführerin von Deguma: „Seit der Einführung der 4-Tage-Woche ist  die Zahl der Krankheitstage um zwei Drittel zurückgegangen, die Mitarbeiter sind viel motivierter und ausgeglichener und  der Umgang untereinander ist viel entspannter.“
Viktoria Schütz, Geschäftsführerin von Deguma: „Seit der Einführung der 4-Tage-Woche ist  die Zahl der Krankheitstage um zwei Drittel zurückgegangen, die Mitarbeiter sind viel motivierter und ausgeglichener und  der Umgang untereinander ist viel entspannter.“

Kommt die 4-Tage-Woche für alle Unternehmen infrage?

Laut Viktoria Schütz hängt das auf jeden Fall nicht von der Branche ab – „schließlich sind wir keine Agentur oder IT-Firma, sondern ein Maschinenbauer“, sagt Schütz. Entscheidend sind ihrer Meinung nach die Unternehmenskultur und die Reife von Unternehmen und Mitarbeitern. Deshalb gehört zur 4-Tage-Woche auf jeden Fall auch eine Potenzialentwicklung. „Ein traditionelles, hierarchisch geführtes Unternehmen wird sich vermutlich schwertun. Da wird sich die Verringerung der Arbeitszeit nicht ausgleichen lassen. Deshalb ist es auch so wichtig, zuerst die Menschen zu entwickeln und bei der Veränderung mitzunehmen. Dann wird auch die 4-Tage-Woche funktionieren. Davon bin ich fest überzeugt“, ergänzt Schütz.

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