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News 24. April 2024

Mit 4-Tage-Woche gegen den Fachkräftemangel

Interview mit Geschäftsführerin Viktoria Schütz zu den Hintergründen der Einführung der 4-Tage-Woche bei Deguma.

Viktoria Schütz, Geschäftsführerin von Deguma: Seit der Einführung der 4-Tage-Woche ist  die Zahl der Krankheitstage um zwei Drittel zurückgegangen, die Mitarbeiter sind viel motivierter und ausgeglichener und  der Umgang untereinander ist viel entspannter. 
Viktoria Schütz, Geschäftsführerin von Deguma: Seit der Einführung der 4-Tage-Woche ist  die Zahl der Krankheitstage um zwei Drittel zurückgegangen, die Mitarbeiter sind viel motivierter und ausgeglichener und  der Umgang untereinander ist viel entspannter. 

Deguma hat als Hersteller von Gummiverarbeitungsmaschinen die 4-Tage-Woche eingeführt und damit für große Diskussionen in der Branche gesorgt – und zum Teil auch für Unverständnis. In Interview mit der K-ZEITUNG erklärt Geschäftsführerin Viktoria Schütz die Hintergründe und Erfahrungen bei der Einführung der 4-Tage-Woche bei Deguma

Frau Schütz, nach einer Online-Umfrage der K-ZEITUNG können es sich rund zwei Drittel der Teilnehmer nicht vorstellen, in ihrem Unternehmen eine 4-Tage-Woche einzuführen.

Viktoria Schütz: Das überrascht mich nicht.

Warum?

Schütz: Weil dazu erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Wir haben schon seit 2019 unser Unternehmen transformiert – in Richtung mehr Eigenverantwortung und mehr Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter. Seitdem haben wir unsere Mitarbeiter fachlich und persönlich weiterentwickelt.

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In diesem Prozess haben wir uns auch mit neuen Arbeitsmethoden befasst, und da kommt man zwangsläufig irgendwann zur 4-Tage-Woche. Schließlich gibt es ja schon einige Firmen, bei denen die 4-Tage-Woche gut funktioniert und deshalb haben wir uns auch mit diesem Thema befasst. Denn wir gehen in unserer Firmenkultur generell sehr offen mit neuen Themen um – und zwar grundsätzlich ohne Dinge von vornherein auszuschließen, weil „sie bei uns sowieso nicht funktionieren.“

Und wie wurde die 4-Tage-Woche bei Deguma eingeführt?

Schütz: Wir haben einfach beschlossen, die 4-Tage-Woche auszuprobieren. Dazu haben wir zuerst alle Mitarbeiter auf das Thema vorbereitet. Denn auch bei uns gab es Widerstand und Ängste. Dann haben wir – begleitet von der TU Illmenau – die 4-Tage-Woche ein Jahr lang getestet.

Gegen Ende der Testphase war für uns klar, dass es keinen Grund gibt, die 4-Tage-Woche nicht weiterzuführen. Die wichtigste Kennzahl in diesem Zusammenhang war für uns die Zahl der Krankheitstage, die seit der Einführung um zwei Drittel zurückgegangen ist.

Zudem konnten wir feststellen, dass unsere Mitarbeiter viel motivierter und ausgeglichener sind. Auch der Umgang untereinander ist viel entspannter.

Sicherlich haben auch wir unsere Probleme, zum Beispiel, dass gerne der Umsatz höher und die Qualität für unsere Ansprüche noch etwas besser sein könnte – aber die liegen nicht an der 4-Tage-Woche.

Viele Gegner der 4-Tage-Woche argumentieren ja, dass ohnehin schon Fachkräftemangel besteht und der dann bei einer Verringerung der Arbeitszeit noch größer wäre. Wie stehen Sie dazu?

Schütz: Wir haben ein sehr ganzheitliches Gesellschaftsbild. Wenn alle Leute 40 Stunden und mehr arbeiten würden – wer kümmert sich dann um die Kinder und die pflegebedürftigen Erwachsenen? Das sind dann die Frauen, die diese Aufgaben kostenlos übernehmen. Deshalb wird es keine Gleichberechtigung geben, wenn wir nicht die Arbeitszeiten verändern.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Intelligenz unter den Geschlechtern gleichmäßig verteilt ist, können wir es uns nicht leisten, die eine Hälfte der Bevölkerung – die Frauen einen großen Teil der Kinderbetreuung und Hausarbeit machen zu lassen, statt in einem Unternehmen zu arbeiten.

Nach verschiedenen Studien ist das Potenzial von Frauen als Mitarbeiterinnen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sogar größer als bei der Fachkräfteeinwanderung. Trotzdem konzentrieren sich alle auf die Fachkräfteeinwanderung. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Arbeit von Frauen im Haushalt und in der Kindererziehung in Deutschland eine Art heilige Kuh ist.

Was war denn die häufigste Frage, die Ihnen seit der Einführung der 4-Tage-Woche gestellt wurde?

Schütz: Am häufigsten bin ich gefragt worden, wie wir das geschafft haben. Dabei kam sehr häufig das Argument, dass man doch nicht einfach einen Tag die Produktion zu machen kann. Aber wir rechnen nicht in Tagen oder Wochen oder Betriebszeit. Wir rechnen in Lebensarbeitszeit. Wenn man sieht, wie viele Leute heute durch die Belastung im Job psychische Probleme haben und oft lange ausfallen, muss einem das doch zu denken geben.

Dazu kommt, dass meine Generation vermutlich bis zum Alter von 70 Jahren arbeiten muss. Da muss es doch das große Ziel sein, die Leute länger gesund und motiviert arbeitsfähig zu halten. Das funktioniert bestimmt nicht, wenn man die Arbeitszeit und die Belastung immer weiter erhöht. Das funktioniert nur, wenn man den Leuten mehr Zeit für die Familie und die Gesunderhaltung gibt.

Die 40-Stunden-Woche ist ja als Alleinverdienermodell entstanden, doch das funktioniert heute nicht mehr. Wenn wir zur Bekämpfung des Fachkräftemangels erreichen wollen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt in den Unternehmen arbeiten, müssen wir den dafür nötigen Freiraum schaffen – und das tun wir bei Deguma mit der 4-Tage-Woche. Damit im Verhältnis die Frauen mehr und die Männer weniger arbeiten können.

Kommt die 4-Tage-Woche für alle Unternehmen infrage?

Schütz: Das hängt auf jeden Fall nicht von der Branche ab – schließlich sind wir keine Agentur oder IT-Firma, sondern ein Maschinenbauer. Entscheidend sind die Unternehmenskultur und die Reife von Unternehmen und Mitarbeitern. Deshalb gehört zur 4-Tage-Woche auf jeden Fall auch eine Potenzialentwicklung. Ein traditionelles, hierarchisch geführtes Unternehmen wird sich vermutlich schwertun. Da wird sich die Verringerung der Arbeitszeit nicht ausgleichen lassen. Deshalb ist es auch so wichtig, zuerst die Menschen zu entwickeln und bei der Veränderung mitzunehmen. Dann wird auch die 4-Tage-Woche funktionieren. Davon bin ich fest überzeugt.

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