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Technik 26. November 2018

Wie Präzision zur Tradition wird

Die Werkzeugbau Ruhla GmbH hat seit Neuestem eine Drahterodiermaschine Agie Charmilles CUT 3000 S mit automatischem Drahtwechsler im Einsatz.
Eines der 12 Einsätze des 96-Fach Werkzeuges für Blutlanzetten. Die Agie Charmilles CUT 3000 S gepaart mit dem Palettenwechsler WorkPal von System 3R ist perfekt geeignet für das sukzessive Abarbeiten solcher Bauteile mit hoher Wiederholgenauigkeit.
Eines der 12 Einsätze des 96-Fach Werkzeuges für Blutlanzetten. Die Agie Charmilles CUT 3000 S gepaart mit dem Palettenwechsler WorkPal von System 3R ist perfekt geeignet für das sukzessive Abarbeiten solcher Bauteile mit hoher Wiederholgenauigkeit.

Die Werkzeugbau Ruhla GmbH hat seit Neuestem eine Drahterodiermaschine Agie Charmilles CUT 3000 S mit automatischem Drahtwechsler im Einsatz.

„Unser besonderes Highlight ist das 96-fach-Blutlanzetten-Werkzeug mit modularen Einsätzen, das wir mit der automatisierten Drahterodiermaschine Agie Charmilles CUT 3000 S herstellen“, erklärt Udo Köllner, Geschäftsführer bei Ruhla. Blutlanzetten werden in der Medizin dazu verwendet, schnell eine kapillare Blutprobe zu gewinnen. „Dabei wird die Wiederholgenauigkeit der CUT 3000 voll ausgenutzt.“ Warum­ das so ist, wird schnell klar: Modulare Multikavitätenwerkzeuge haben mehrere Einsätze. Jeder Einsatz bildet dabei zusammen mit seinem Gegenstück die Kavität für ein oder mehrere fertige Bauteile. Diese Einsätze können einzeln ausgetauscht werden, um beispielsweise die Wartung zu erleichtern. Werkzeuge von Ruhla überzeugen nicht nur durch kurze Zykluszeiten von 10 bis 12 s, sondern sie sind auch seit über 10 Mio. Zyklen im Einsatz. Darüber hinaus sind Artikel in der Medizintechnik oft zeitlos und bleiben über viele Jahre baugleich. Und genau darin liegt die Herausforderung: Die Werkzeugeinsätze müssen nicht nur in einem kleinen Toleranzfeld liegen – bei acht Blutlanzetten pro Einsatz also über zwölf Einsätze betrachtet –, sondern dieses Toleranzfeld muss auch noch über lange Zeit gehalten werden. Denn wenn Jahre nach der Auslieferung eines Werkzeugs ein Einsatz gegen einen neuen getauscht wird, muss auch er zu den bestehenden passen. Gerade für die Genauigkeit der Drahterosion und die Qualitätssicherung ergeben sich daraus neue Herausforderungen. Mit einer Wiederholgenauigkeit von ±2 μm entspricht die Drahterodiermaschine Agie Charmilles CUT 3000 S dieser Anforderung problemlos.

Wolfgang Allenberg mit Udo Köllner und Axel Wilhelm der Firma Ruhla. Im Hintergrund sind die Agie Charmilles CUT 3000 S, der System 3R WorkPal und eine Messanlage von Erowa zu sehen (v.l.n.r.).
Wolfgang Allenberg mit Udo Köllner und Axel Wilhelm der Firma Ruhla. Im Hintergrund sind die Agie Charmilles CUT 3000 S, der System 3R WorkPal und eine Messanlage von Erowa zu sehen (v.l.n.r.).

Früher Einstieg in die Industrie 4.0

Ein Vorreiter zu sein, das hat bei Ruhla Tradition. Schon zu DDR-Zeiten waren die ersten CNC-Maschinen im Einsatz. 2008 wurde dann durch GF Machining Solutions eine Zelle mit Grafittrockenfräsen, Senkerodieren und 3D-Vermessen eingeführt, vollständig mit einer Linearautomation. Da lag es nahe, auch für die Drahterosion eine automatisierte Lösung einzuführen. Mit dem Palettenwechsler Work Pal von System 3R eignet sie sich ideal für die Produktion von modularen Multikavitätenwerkzeugen: Bestellen Kunden beispielsweise zusätzlich zu einem Werkzeug mit allein zwölf Einsätzen gleich noch weitere Ersatzeinsätze, so ist die Automation für das sukzessive Abarbeiten dieser Vielzahl von identischen Teilen bestens geeignet. Die Anlage kann auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten produktiv laufen und verfügt außerdem über rConnect, eine neue Digitalisierungsplattform von GF Machining Solutions. Sie lässt sich zur Diagnose über Fernwartung nutzen und versendet mittels der Funktion Messenger im Falle einer Störung eine Mitteilung an einen Mitarbeiter von Ruhla. „Durch die Automation kann ich das komplette Wochenende nutzen. Ein Mitarbeiter bekommt im Störfall eine SMS aufs Handy und kann dann entscheiden, was zu tun ist“, erläutert Köllner.

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Doch nicht nur das effiziente Abarbeiten von Aufträgen ist für ihn dabei wichtig. „Der Vorteil der Automatisierung ist, dass man Prozesse unterbrechen kann. Wir können so ein Ersatzteil vorrangig in die laufende Produktion einschleusen“, ergänzt er. Diese Ersatzteile sind für Spritzgießhersteller besonders wichtig. Denn auch ein kurzer Stillstand ihrer Anlagen ist für sie finanziell meist nicht vertretbar. Um diesen Anforderungen noch besser zu entsprechen, sind bei Ruhla zusätzlich zwei Laserschweißanlagen vorhanden. Auf Reparaturanforderungen im Laserauftragschweißverfahren kann so besonders schnell reagiert werden.

Vollautomatischer Wechsel

Die Agie Charmilles CUT 3000 S ist mit einem automatischen Drahtwechsler ausgestattet, der weitere Vorteile bringt: Es können zwei verschiedene Drahtdicken eingespannt werden. So kann man den dicksten Präzisionsdraht für den Hauptschnitt zur Realisierung einer maximalen Schneidegeschwindigkeit verwenden und danach zum dünneren Draht für die Herstellung kleinster Innenradien wechseln. Dabei wird die Bearbeitungszeit gegenüber dem Einsatz eines 0,25 mm dicken Standarddrahts deutlich gesenkt.

Zusätzlich musste sich der Bediener bisher immer fragen, ob auf der Rolle noch ausreichend Draht ist, um den Auftrag auszuführen. Insbesondere wenn die Maschine bei Schichtwechsel weiterlief, wurde oft eine neue Spule Draht eingesetzt, obwohl die alte noch gar nicht aufgebraucht war. Dabei ist viel Material verschwendet worden.

Die hier fertig montierte Blutlanzette ist durch die umgossene Nadel und die geringen Toleranzen hoch komplex. Sie wird in einem 96-Fach Werkzeug hergestellt.
Die hier fertig montierte Blutlanzette ist durch die umgossene Nadel und die geringen Toleranzen hoch komplex. Sie wird in einem 96-Fach Werkzeug hergestellt.

„Eine rationelle Drahtnutzung bis zum letzten Meter ist nun möglich“, bestätigt GF Verkaufsingenieur Wolfgang Allenberg. Neben dieser effizienten Nutzung der Ressourcen bestehen noch weitere Vorteile: Es ist kein manu­elles Einfädeln, kein erneutes Ausrichten des Drahts und kein neues Einrichten der Maschine nötig. Dies verringert die Zeit, die mit Nebenoperationen verbracht wird, erheblich.

Gemeinsam erfolgreich

Bei einem großen Projekt zählt vor allem eins: Die Partner müssen einander vertrauen. Bei Installation und Betrieb einer neuen Anlage muss zu 100 % auf den Hersteller Verlass sein. Bei Ruhla und GF wurde dieses Vertrauen über viele Jahre aufgebaut. „Da ist die Nähe natürlich gegeben“, erklärt dazu Udo Köllner. „Auch bei dieser Erweiterung haben wir nie im Regen gestanden.“ Durch die enge Kooperation konnten alle Herausforderungen im Zusammenhang mit der neuen Anlage gemeistert werden. Und das Vertrauen scheint sich auszuzahlen: Der Medizintechnikbereich von Ruhla ist in den letzten Jahren exponentiell gewachsen – mit stolzen 30 % jährlich.

sl

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