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News 26. März 2024

Tecpart warnt vor Verschärfung des Fachkräftemangels

Der Fachkräftemangel unter den Kunststoffverarbeitern erreicht bei der aktuellen Tecpart-Umfrage einen neuen Höchststand

Tecpart-Geschäftsführer Michael Weigelt: „Der technologische Fortschritt und die gewünschte Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft werden gebremst, da die erforderlichen Kräfte nicht in der erforderlichen Anzahl zur Verfügung stehen werden.“
Tecpart-Geschäftsführer Michael Weigelt: „Der technologische Fortschritt und die gewünschte Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft werden gebremst, da die erforderlichen Kräfte nicht in der erforderlichen Anzahl zur Verfügung stehen werden.“

Mit der traditionellen Tecpart-Abfrage unter den Kunststoffverarbeitern zu Jahresbeginn wurde auf die Frage, ob es im Unternehmen einen Fachkräftemangel gibt, mit 88,2 % Zustimmung ein neuer Höchststand ermittelt. Der größte Mangel besteht danach an Kunststofftechnikern und Verfahrensmechanikern, gefolgt von den Auszubildenden in diesem Bereich und schließlich den Kunststoffingenieuren. Der Nachschub an Auszubildenden und an Ingenieuren in der Fach- oder Vertiefungsrichtung Kunststoff wird sich nach Überzeugung von Tecpart – Verband Technische Kunststoff-Produkte e.V. sogar noch weiter verringern.

Der Ausbildungsberuf zum Verfahrensmechaniker Kunststoff und Kautschuk (zukünftig Kunststofftechnologe) verlor in den letzten acht Jahren rund 43 % der in der Ausbildung stehenden jungen Menschen und hat derzeit noch immer mehr Abgänger als neu abgeschlossene Ausbildungsverträge.

Bei den Hochschulen sieht es nicht wirklich besser aus. Auf Basis der im Februar 2024 durch- geführten Umfrage unter den deutschen Technischen Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen meldete nur eine Technische Hochschule für das Wintersemester 2021/2022 steigende Studierendenzahlen, während alle anderen Rückgänge von bis zu 50 % hinnehmen mussten.

Rückgänge der Studentenzahlen um bis zu 67 %

Für das Wintersemester 2022/23 meldeten dann drei Bildungseinrichtungen Zuwächse, wohingegen die Mehrzahl erneut Rückgänge verzeichnete. Und für das aktuelle Wintersemester 2023/24 meldeten bis auf eine Ausnahme alle Hochschulen weniger Studierende. Im Durchschnitt bezogen auf das Vorjahr waren es rund 35 % weniger Studenten, der Spitzenwert liegt bei einem Rückgang von 67 %.

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Nach der aktuellen Tecpart-Umfrage leiden über 82 % der befragten Kunststoffverarbeiter unter einem Mangel an Fachkräften. Vor allem Kunststofftechniker/Verfahrensmechaniker und technische Auszubildende werden händeringend gesucht.
Nach der aktuellen Tecpart-Umfrage leiden über 82 % der befragten Kunststoffverarbeiter unter einem Mangel an Fachkräften. Vor allem Kunststofftechniker/Verfahrensmechaniker und technische Auszubildende werden händeringend gesucht.

Tecpart-Geschäftsführer Michael Weigelt stuft die Erkenntnisse der Studie als sehr brisant und besorgniserregend ein, weil es für die Wirtschaft künftig noch weniger gut ausgebildeten Nachwuchs geben wird, der zudem den wachsenden Bedarf, der durch das altersbedingte Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge entsteht, nicht wird decken können: „Die Hochschulen müssen so noch mehr um Ausstattung und Personal kämpfen. Der technologische Fortschritt und die gewünschte Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft werden gebremst, da die erforderlichen Kräfte nicht in der erforderlichen Anzahl zur Verfügung stehen werden“, mahnt Weigelt.

Einige der über 40 angefragten Hochschulen beschrieben ihre Situation nur in Textform ohne Nennung der tatsächlichen Zahlen, da deren Nennung bei Veröffentlichung unter Umständen ein schlechtes Licht auf den Standort werfen könnte, trotz der Zusage, die Zahlen nur anonymisiert und dann aggregiert zu veröffentlichen.

Hochschule in Esslingen startet Studiengang Angewandte Kunststofftechnik

Die Sorge scheint berechtigt, da in den letzten Jahren an verschiedenen Standorten die Studiengänge aus dem Programm zusammengelegt oder neugestaltet wurden. Umso erfreulicher war, dass gegen den Trend die Meldung kam, dass die Hochschule in Esslingen den Studiengang Angewandte Kunststofftechnik neu ins Programm aufgenommen hat.

Wie Tecpart erklärt, wurde durch die Rückmeldungen ein wichtiges Handlungsfeld deutlich erkennbar: Es muss gelingen, die internationalen Studierenden im Land zu halten. An vielen Standorten machen diese heute rund die Hälfte der Studierenden aus. Überwiegend kommen die internationalen Studenten aus dem asiatischen Raum, in den rund 50 % nach abgeschlossener Ausbildung wieder zurückgehen. „Das ist ungenutztes Potenzial, welches wir durch rechtzeitige Eingliederung in Unternehmen und in die Gesellschaft binden müssen“, so die Forderung von Michael Weigelt.

Auf die Frage, ob bereits Maßnahmen eingeleitet wurden, um der veränderten Anzahl der Studierenden gerecht zu werden, und wenn ja, dann welche, lautete die bezeichnendste Antwort, dass vom bisher genutzten Hörsaal in einen kleineren gewechselt wurde.

Oft wurden die hochschuleigenen Werbemaßnahmen ausgebaut, soziale Mediakanäle intensiver genutzt und verstärkt in die Schulen gegangen, um für den Studiengang zu interessieren. In Ilmenau wurde zudem ein Preis für die besten Abschlussarbeiten ins Leben gerufen.

Junge Menschen für das Thema Technik begeistern

Gibt es neben den eigenen Maßnahmen auch Wünsche, die an die Politik und die Industrie gerichtet sind, um den Abwärtstrend zu stoppen? Hier steht der Hinweis von Professor Axel Kaufmann von der DHBW in Karlsruhe sinnbildlich für viele der Antworten, wenn er fordert, dass „(…) es wichtig ist, zukünftige Generationen für das Thema Technik zu begeistern. Dies sollte bereits in der frühen Bildungsphase beginnen. Weiterhin ist es wichtig, dass die Hochschulen gestärkt werden, um ihren Bildungsauftrag nachzukommen. Hierzu werden ausreichende Ressourcen benötigt, um die Technologie praxisnah zu vermitteln. Wir alle haben gemeinsam die Aufgabe, den kommenden Generationen Lust darauf zu machen, die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu lösen. Lösungen brauchen Umsetzer und die Umsetzer für morgen müssen wir heute begeistern.“

Im Rahmen der Umfrage von Tecpart kam auch mehrfach die Forderung auf, dass das Thema Kunststoff nicht immer nur auf die Verpackung reduziert wird und sich die Entscheider aus den Ministerien bewusst machen, dass Lösungen in Kunststoff und der Aufbau der Kreislaufwirtschaft immer ein Gewinn für die Umwelt sind und daher insbesondere von der aktuellen Regierung vielmehr gefördert werden müssten.

Dazu passt die Stellungnahme von Professor Florian Puch aus Ilmenau. Er gibt zu bedenken, dass „durch die mediale Vermarktung von Themen wie ‚Plastiksteuer‘ und ‚Plastikverbote‘ das Image der für Deutschland sehr bedeutenden Branche immer wieder in ein schlechtes Licht gerückt wird, was unweigerlich zu geringerem Interesse der jungen Menschen an Berufen in der Branche führt. Dabei tragen Kunststoffe in vielen Anwendungen zu einem hohen und nachhaltigen Lebensstandard maßgeblich bei. gk

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