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Märkte 21. März 2024

Massive Kritik an EU-Spielzeug-Sicherheitsverordnung

Das Europäische Parlament hat den Entwurf zur neuen Spielzeug-Sicherheitsverordnung der EU überarbeitet; die Spielwarenbranche läuft dagegen Sturm.

Die EU-Spielzeug-Sicherheitsverordnung stellt europäische Spielwarenhersteller – wie zum Beispiel Schleich (im Bild eines der neuen Produkte des Unternehmens) – vor neue Herausforderungen.
Die EU-Spielzeug-Sicherheitsverordnung stellt europäische Spielwarenhersteller – wie zum Beispiel Schleich (im Bild eines der neuen Produkte des Unternehmens) – vor neue Herausforderungen.

Der überarbeitete Entwurf erhöht laut Europäischem Parlament die Sicherheitsanforderungen und erweitert das Verbot bestimmter Chemikalien in Spielzeug, um die Gesundheit und Entwicklung von Kindern zu schützen. So erweitert er das bestehende Verbot krebserregender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Substanzen auf Chemikalien, die für Kinder besonders schädlich sind. Dazu gehören zum Beispiel Stoffe mit endokriner Wirkung (die das natürliche Hormonsystem und die Steuerung von Entwicklungsprozessen stören) oder Chemikalien, die das Atmungssystem beeinträchtigen. Die Vorschriften zielen auch auf Chemikalien ab, die für bestimmte Organe giftig oder persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind. Spielzeug sollte demnach auch keine per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) enthalten.

Sicherheitsverordnung sieht digitalen Produktpass vor

Weiterhin müssen Spielwaren in der EU künftig mit einem digitalen Produktpass versehen sein, der die EU-Konformitätserklärung ersetzt und die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften detailliert darlegt. Dies verbessert die Rückverfolgbarkeit von Spielzeug und vereinfacht die Marktüberwachung und Zollkontrollen. Verbraucher sollen einfachen Zugang zu Sicherheitsinformationen und Warnhinweisen bekommen, zum Beispiel über einen QR-Code. Die Abgeordneten appellieren an die Kommission, kleine und mittlere Spielzeughersteller bei der Umsetzung der Sicherheitsbewertungen und den Anforderungen des Produktpasses zu unterstützen.

Chemikalien-Verbot stößt auf Verständnis

Der europäische Branchenverband Toy Industries of Europe (TIE) begrüßt eine Reihe von Aspekten des neuen Entwurfs zur Spielzeug-Sicherheitsverordnung – etwa, die Verwendung des digitalen Produktpasses und „ein vollständiges Verbot von Chemikalien, die endokrine Disruptoren für die menschliche Gesundheit darstellen. Spielzeug, das der aktuellen Richtlinie entspricht, stellt in dieser Hinsicht bereits kein Risiko dar, aber ein vollständiges Verbot könnte dazu beitragen, die Dinge für alle klarer zu machen“, so der Verband in einer Stellungnahme. Auch findet es gut, dass der neue Entwurf eine Klarstellung beinhaltet, „dass Marktüberwachungsbehörden sich immer an den Wirtschaftsakteur wenden sollten, der für die Konformität eines Spielzeugs verantwortlich ist.“ Dadurch sei sichergestellt, dass bei Sicherheitsbedenken schnell reagiert werden könne. Ebenfalls positiv sieht TIE die Unterstützung für KMU bei der Einhaltung der neuen Anforderungen.

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Sehr besorgt äußert sich der Dachverband der europäischen Spielwarenhersteller allerdings über unbeabsichtigte Folgen der Abstimmung zur Spielzeug-Sicherheitsverordnung: „Das Votum des Europäische Parlaments für ein Verbot sicherer Spielzeuge ist eine schlechte Nachricht für Kinder und seriöse Spielzeughersteller gleichermaßen“, schimpft der Verband. „Einige der zwingenden Anforderungen lassen sich einfach nicht umsetzen. Und indem das Parlament das Unmögliche fordert, gibt es betrügerischen Händlern, die weiterhin unsicheres Spielzeug herstellen, ohne sich um neue Vorschriften zu kümmern, große Freiheit. Sie drängen die Verbraucher in die Hände dieser Schurkenhändler. Es ist schwer vorstellbar, dass das Europäische Parlament das will.“

Spielzeug von Online-Marktplätzen weiter unterm Radar

So kritisiert der TIE, dass es nach dem neuesten Entwurf der Spielzeug-Sicherheitsverordnung (hier geht es zum Download) unmöglich sei, „natürlich vorkommende Inhaltsstoffe in Spielzeugen zu verwenden. Das bedeutet, dass sichere Spielzeuge wie Buntstifte, Farben, Kreiden und so weiter verboten werden.“ Auch sei die Übergangsfrist von 30 Monaten viel zu kurz, als dass Spielzeughersteller die wesentlichen Änderungen vornehmen könnten, die zur Einhaltung der neuen Regelung erforderlich sind – von denen viele außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Und nicht zuletzt habe das Europäische Parlament die Gelegenheit verpasst, die Lücke zu schließen, die es Verkäufern von außerhalb der EU ermöglicht, unsicheres Spielzeug auf Online-Marktplätzen zu verkaufen. „Für Spielzeughersteller, die der Sicherheit Priorität einräumen, ist es enttäuschend, dass Online-Marktplätze immer noch keine rechtliche Verantwortung für den Verkauf unsicherer Spielzeuge von Drittlandverkäufern auf ihren Plattformen tragen“, so TIE.

Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DVSI). „Es kann nicht sein, dass europäische Hersteller mit immer mehr Regularien zu kämpfen haben, während die Plattformökonomie trotz Digital Services Act immer noch eine Spielwiese für unlauteren Wettbewerb durch unseriöse außereuropäische Anbieter bleibt.“
Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DVSI). „Es kann nicht sein, dass europäische Hersteller mit immer mehr Regularien zu kämpfen haben, während die Plattformökonomie trotz Digital Services Act immer noch eine Spielwiese für unlauteren Wettbewerb durch unseriöse außereuropäische Anbieter bleibt.“

Ende 2023 hatte TIE 19 Spielzeug-Testeinkäufe auf der chinesischen Online-Plattform Temu getätigt. Dabei entsprach keines der Spielzeuge in vollem Umfang den EU-Vorschriften, 18 von ihnen stellten ein Sicherheitsrisiko für Kinder dar. „In den letzten Jahren stammten die als gefährlich eingestuften Spielwaren oft aus unseriösen Quellen und/oder von dubiosen Herstellern, die europäische Sicherheitsstandards missachten und die Plattformökonomie für sich nutzen“, sagt Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DVSI). „Es kann aber nicht sein, dass europäische Hersteller mit immer mehr Regularien zu kämpfen haben, während die Plattformökonomie trotz Digital Services Act immer noch eine Spielwiese für unlauteren Wettbewerb durch unseriöse außereuropäische Anbieter bleibt.“

Der Bund kritisiert, dass online gekauftes Kinderspielzeug Chemikalien wie Weichmacher, krebserregende Nitrosamine oder Bisphenol A in hohen Konzentrationen enthalten kann – und somit gegen die geltenden Vorschriften in der EU verstößt.
Spielzeug: Verbotene Chemikalien in Online-Ware
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) schlägt Alarm, dass online gekauftes Spielzeug Chemikalien enthält, die in der EU verboten sind.

EU Safety Gate: 2023 gab es 443 Verstöße bei Spielzeug

Nach Angaben der Europäischen Kommission zum EU Safety Gate, dem EU-Schnellwarnsystem für gefährliche Verbraucherprodukte, war Spielzeug im Jahr 2022 mit 23 % aller Meldungen die am häufigsten gemeldete Produktkategorie. Chemische Inhaltsstoffe waren demnach Risiko Nummer 1 vor Verletzungen. Nach dem jüngsten Safety Gate Report für das Jahr 2023 stehen Spielwaren mit 13 % nurmehr auf Rang 2 hinter Kosmetika. In absoluten Zahlen ist die Zahl der Spielzeug-Warnmeldungen um 8 % gesunken, da die Gesamtzahl der Meldungen von 2100 auf 3400 in die Höhe geschnellt ist.

TIE fordert die anderen EU-Institutionen auf, die negativen Auswirkungen des neuen Entwurfs abzumildern. Der Zeitplan sieht vor, dass der Entwurf nach der Europawahl am 9. Juni 2024 vom neuen Parlament weiterbehandelt wird.

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