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Märkte 18. Januar 2024

EU: Chinas Industrie rüttelt an Deutschlands Thron

Die Führungsrolle der deutschen Industrie in Europa ist in Gefahr – vor allem durch chinesische Importe. Dies gilt selbst für anspruchsvolle Güter.

China tritt gerade in den Fertigungssektoren, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat, auch auf dem EU-Markt zunehmend in den Wettbewerb mit Deutschland.
China tritt gerade in den Fertigungssektoren, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat, auch auf dem EU-Markt zunehmend in den Wettbewerb mit Deutschland.

Wie eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, tritt China gerade in den Fertigungssektoren, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat, zunehmend in den Wettbewerb mit Deutschland. So ist der Anteil Chinas an den EU-Importen sehr deutlich und kontinuierlich gestiegen. Dies betraf zunächst vor allem die Jahre 2000 bis 2010. Die darauf folgenden zehn Jahre stieg der Anteil weniger stark. Doch hat Dynamik seit 2020 wieder zugenommen. Gleichzeitig ist der Anteil Deutschlands an den EU-Importen seit 2005 zurückgegangen. Dieser Rückgang hat sich zuletzt in vielen Bereichen beschleunigt.

„In vielen der analysierten Aspekte hat China seinen Anteil an den EU-Importen allein in den beiden Jahren zwischen 2020 und 2022 etwa so stark ausgebaut wie in den gesamten zehn Jahren zuvor, in manchen Fällen sogar noch stärker“, sagt Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am IW. „Dies gilt insbesondere für anspruchsvolle Fertigungsgüter, auf die sich Deutschland bisher spezialisiert hat.“

Vorsprung bei anspruchsvollen Fertigungsgütern sinkt

Der Anteil der EU-Importe aus Deutschland an anspruchsvollen Fertigungsgütern lag im Jahr 2005 bei 19 %. Dieser Anteil sank auf 15 % im Jahr 2022. Parallel dazu stieg in dem Bereich der Anteil Chinas an den EU-Importen von 3 % im Jahr 2000 auf 13 % im Jahr 2022.

Ein weiteres interessantes Merkmal unterstreicht Chinas zunehmenden Fokus auf höherwertige Sektoren: Der Anteil anspruchsvoller Fertigungsgüter an den EU-Importen aus China stieg kontinuierlich und deutlich von 51 % im Jahr 2000 auf knapp 73 % im Jahr 2022. Gleichzeitig ist der Anteil anspruchsvoller Fertigungsgüter an den EU-Importen aus Deutschland zuletzt etwas zurückgegangen 61 %.

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Strategie „Made in China 2025“ geht auf

Darüber hinaus haben sich die Gewinne Chinas und die Verluste Deutschlands auf dem EU-Markt zwischen 2020 und 2022 in vielerlei Hinsicht beschleunigt – was im Einklang mit den Plänen Chinas steht, seine Produktionsstruktur zu verbessern, zum Beispiel im Zuge der Strategie „Made in China 2025“. Diese Entwicklung wirft laut Matthes Fragen nach den Wettbewerbsverzerrungen auf, die vom chinesischen Staatskapitalismus ausgehen, sowie nach geeigneten handelspolitischen Antworten.

Die Entwicklung der EU-Importanteile gibt in mehreren Industriezweigen Anlass zur Sorge: Im Maschinenbau zum Beispiel hatte Deutschland im Jahr 2015 noch einen Vorsprung von 15 Prozentpunkten auf dem EU-Markt vor China. Im Jahr 2022 blieben von diesem Vorsprung nur noch 9 Prozentpunkte. „Selbst der hochspezialisierte Maschinenbau, der tendenziell von der Energiewende profitiert, ist dabei, seine Vormachtstellung an chinesische Konkurrenten zu verlieren. In all diesen Bereichen schrumpft der Vorsprung Deutschlands gegenüber China im EU-Markt zunehmend“, so Matthes.

Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft: „Selbst der hochspezialisierte Maschinenbau, der tendenziell von der Energiewende profitiert, ist dabei, seine Vormachtstellung an chinesische Konkurrenten zu verlieren. In all diesen Bereichen schrumpft der Vorsprung Deutschlands gegenüber China im EU-Markt zunehmend.“
Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft: „Selbst der hochspezialisierte Maschinenbau, der tendenziell von der Energiewende profitiert, ist dabei, seine Vormachtstellung an chinesische Konkurrenten zu verlieren. In all diesen Bereichen schrumpft der Vorsprung Deutschlands gegenüber China im EU-Markt zunehmend.“

China auch im Automotive-Bereich auf dem Sprung

Bei Kraftfahrzeugen und -teilen verdoppelte China seinen Anteil an den EU-Importen zwischen 2020 und 2022 von 1,7 auf 3,5 %. Der deutsche Marktanteil ging dagegen weiter leicht zurück: Von einem Vorsprung von 23 Prozentpunkten im Jahr 2015 blieben im Jahr 2022 nur noch 18,5 Prozentpunkte übrig. Deutsche Autos waren daher bei den EU-Partnern weiterhin deutlich gefragter als chinesische Autos. „Aufgrund der Umstellung auf Elektromobilität, bei der China im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren gut aufgestellt ist, zeichnet sich jedoch auch hier eine weitere spürbare Verschiebung ab“, so der IW-Experte. „Dies zeigt sich deutlich im deutschen Handel mit China im ersten Quartal 2023, da die deutschen Exporte von Kraftfahrzeugen nach China stark um etwa ein Viertel zurückgingen und sich die deutschen Importe aus China wertmäßig nahezu verdreifachten.“ Matthes weiter: „In der Automobilindustrie, die eine wichtige Säule des deutschen Exporterfolgs darstellt, dürfte die Energiewende die problematische Entwicklung weiter verschärfen. China ist dabei, den europäischen Markt für Elektrofahrzeuge zu erobern, wenn auch von einer kleinen Basis aus.“

Fast Gleichstand bei Metallprodukten

Auf dem EU-Markt für Metallprodukte hat China die deutsche Wirtschaft hingegen schon nahezu eingeholt, so die IW-Studie: Ein Vorsprung von 10 Prozentpunkten im Jahr 2015 schmolz zuletzt auf nur noch 2,5 Prozentpunkte zusammen: Chinas Anteil beträgt 15,4 %, Deutschland liebt bei 17,8 %.

Matthes: „Chinesische Aktiengewinne und deutsche Aktienverluste gehen oft Hand in Hand. Obwohl wir keine Kausalität untersucht haben, deutet dieses Ergebnis stark darauf hin, dass China auf dem EU-Markt und in Sektoren, in denen es traditionell stark ist, zunehmend mit der deutschen Wirtschaft konkurriert. Diese Kombination birgt Gefahren für die deutschen Exportmärkte weltweit – einschließlich der Gefahr von Wohlfahrtsverlusten für ganz Deutschland.“ sk

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