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Additive 9. Mai 2023

Wirksamkeit von Stabilisatoren schneller ermitteln

Mittels Online-Rheologie erhalten Compoundeure unmittelbar Informationen zur Auswirkung eines Prozess-Stabilisators.

Versuchsaufbau mit Doppelschneckenextruder und Online-Rheometer. Mittels Online-Rheologie kann die Wirksamkeit von Stabilisatoren bereits im Verarbeitungsprozess ermittelt werden.
Versuchsaufbau mit Doppelschneckenextruder und Online-Rheometer. Mittels Online-Rheologie kann die Wirksamkeit von Stabilisatoren bereits im Verarbeitungsprozess ermittelt werden.

Kunststoffe als organische Substanzen degradieren in Gegenwart von Sauerstoff. Diese Autooxidationsprozesse finden bereits während der Schmelze-Verarbeitung statt. Durch das Einbringen von Antioxidantien lassen sich die Oxidationsvorgänge zielgerichtet verlangsamen. Erst dies ermöglicht die Herstellung von stabilen Kunststoffartikeln mittels Spritzgießen.

Bei einer Formulierung muss der optimale Anteil an Antioxidantien bisher in langwierigen Versuchsreihen ermittelt werden. Forschende am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF sehen in online-rheologischen Untersuchungen eine vielversprechende Methode, den Entwicklungsprozess zu beschleunigen.

Antioxidantien als Stabilisatoren

Organische Verbindungen wie Kunststoffe unterliegen der Autooxidation. Dabei handelt es sich um eine radikalische Kettenreaktion mit dem Luftsauerstoff, die durch Wärme oder Licht initiiert wird und zur langsamen Oxidation der Verbindungen führt. Eines der reaktivsten Spezies in den Kettenreaktionen ist das OH-Radikal. Dieses und ähnlich reaktive Radikale werden durch primäre Antioxidantien abgefangen. Der Angriff des OH-Radikals auf organische Substanzen führt zusammen mit dem O2-Molekül zur Bildung von Hydroperoxiden. Aus letzteren werden in Nachfolgereaktion OH-Radikale neu gebildet.

Sekundäre Antioxidantien deaktivieren Hydroperoxide so, dass keine Neubildung von OH stattfindet. Zur bestmöglichen Stabilisierung sind somit zwei Typen von Antioxidantien erforderlich. Sie wirken synergistisch. Das primäre Antioxidans enthält häufig phenolische Strukturen, während es sich bei dem sekundären z. B. um ein organisches Phosphit handelt. In dem für aktuelle Untersuchungen am Fraunhofer LBF ausgewählten marktverfügbaren Verarbeitungsstabilisator sind die beiden Antioxidantien zu gleichen Anteilen enthalten.

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Stabilisierung während der Verarbeitung

Handelsübliche Kunststoffcompounds sind ab Werk mit entsprechenden Stabilisatoren gebrauchsfertig ausgerüstet. Bei der Entwicklung neuer Kunststoffcompounds muss die optimale Menge an Stabilisatoren erst ermittelt werden. Gleiches gilt für Altkunststoffe in Wertstoffströmen, die zur Herstellung von Rezyklaten eingesetzt werden. Hier sind die bereits verwendeten Stabilisatoren in unterschiedlichem Maß „verbraucht“. Für die Compoundierung des Mahlguts zu Rezyklaten und deren Weiterverarbeitung im Spritzgießen kommt es darauf an, die Stabilisatoren genau passenden Anteilen wieder hinzuzugeben.

Bisher werden Compounds mit Antioxidantien in Reihen mit unterschiedlichen Konzentrationen von Antioxidantien hergestellt. Diese werden dann mittels verschiedener Tests, etwa der Messung der Volumenfließrate (MVR), offline charakterisiert. Belastbare Ergebnisse erhält man somit erst nach dem Compoundierschritt.

Mit Online-Rheologie schneller zur optimalen Formulierung

Forschende am Fraunhofer LBF verfolgen jetzt den Ansatz, bereits während der Compoundierung online die Schmelze zu charakterisieren, um sofort Aussagen über die Wirksamkeit der Stabilisatorzugabe zu gewinnen. Hierzu werden mit einem Online-Rheometer, welches hinter den Schneckenspitzen an einen Doppelschneckenextruder angeflanscht ist, die Fließkurven sowohl der Scher- als auch der Dehnviskosität gemessen.

Erste Untersuchungen führten die Forscher an einem wenig stabilisierten Neuware-Polypropylen durch. Dabei variierten sie für ausgewählte Drehzahlen die Menge an zudosiertem Stabilisator. Der verringerte prozessbedingte Abbau spiegelte sich sofort in einem Anstieg der Viskosität in den Fließkurven wider. Ab einem bestimmten Additivanteil kommt es jedoch zu keiner weiteren Viskositätszunahme. Damit ist für die vorliegenden Prozessbedingungen die Grenzkonzentration des Stabilisators erreicht, oberhalb derer sich keine weitere Verbesserung erzielen lässt.

Fließkurven der Scherviskosität bei unterschiedlichem Stabilisatoranteil („Stab“). Oberhalb einer Grenzkonzentration lässt sich durch erneute Zugabe des Stabilisators keine  weitere Verbesserung erzielen.
Fließkurven der Scherviskosität bei unterschiedlichem Stabilisatoranteil („Stab“). Oberhalb einer Grenzkonzentration lässt sich durch erneute Zugabe des Stabilisators keine  weitere Verbesserung erzielen.

Mittels Online-Rheologie erhalten Compoundeure also unmittelbar Informationen zur Auswirkung eines Prozess-Stabilisators. Hinzu kommt, dass sich die Fließkurven zwischen den einzelnen Kunststoffen unterscheiden, sie beinhalten somit einen wesentlich höheren Informationsgehalt als der einzelne numerische Wert einer MVR-Messung. Zusätzlich können die Fließkurven der Dehnviskosität mit in die Auswertung einbezogen werden. Mittels eines entsprechenden KI-gestützten Systems hat die Online-Rheologie das Potenzial für eine chargenangepasste Nachstabilisierung in Echtzeit bei der Rezyklat-Compoundierung. mg

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