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Unternehmen 5. September 2022

Klimaneutral – das heißt es für die Chemiebranche

Die Chemiebranche will bis spätestens 2050 klimaneutral sein; auf der Achema diskutierten Branchenvertreter über die Wege dahin.

Diskutierten auf der Achema über die Wege der Chemiebranche zur CO2-Neutralität: (von links) Martin Brudermüller (BASF), Martijn Smit (Northern Lights), Ernst Rauch (Munich Re) und Torsten Wintergerste (Sulzer).
Diskutierten auf der Achema über die Wege der Chemiebranche zur CO2-Neutralität: (von links) Martin Brudermüller (BASF), Martijn Smit (Northern Lights), Ernst Rauch (Munich Re) und Torsten Wintergerste (Sulzer).

„Die Chemiebranche steckt mitten in der größten Transformation ihrer Geschichte: Wir haben einen riesigen Energieverbrauch und verursachen einen großen Teil der CO2-Emissionen; doch wir stellen uns diesen Herausforderungen und wollen klimaneutral werden“, sagte Martin Brudermüller, Chairman des Branchenverbands Cefic and CEO von BASF, bei der offiziellen Eröffnung der Achema in Frankfurt. Energieverbrauch und CO2-Emissionen müsse man deutlich senken. Denn die Branche hat sich entsprechend des Green Deals der EU selbst das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein.

Innovationen und Kollaborationen Schlüssel zur Klimaneutralität

„Viele Unternehmen wollen sogar noch schneller Klimaneutralität erreichen und haben dafür schon viele Anstrengungen unternommen“, betonte Klaus Schäfer, Dechema-Vorsitzender und CTO von Covestro in seiner Begrüßungsansprache. „Die Schlüsselfaktoren dazu sind Innovationen und technische Kollaborationen – und zwar über Ländergrenzen hinweg.“

„Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation mit Störungen in den weltweiten Lieferketten und Energiepreisen auf einem Allzeithoch scheint die Low-Carbon-Zukunft ins Stocken zu geraten. Doch wir dürfen mit unseren Anstrengungen nicht locker lassen, müssen uns vorwärts bewegen und dabei unsere Kräfte bündeln“, richtete auch Brudermüller einen Appell an die Branche, in der sich viele Kunststoffhersteller befinden. Der BASF-Chef machte die Dringlichkeit zur Dekarbonisierung deutlich: „Die chemische Industrie spielt eine tragende Rolle im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der gesamten Industrie. Deshalb nennt man sie auch die Industrie der Industrien. Ohne uns gibt es viele Innovationen nicht – man denke nur an Batterien für Elektrofahrzeuge oder Halbleiter.“

Was Covestro im Hinblick auf Klimaneutralität unternimmt, lesen Sie zum Beispiel hier und hier in einem Gaskommentar von CEO Dr. Markus Steilemann für die K-Zeitung.

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Elektrifizierung mit grünem Strom

Klaus Schäfer, Dechema-Vorsitzender und CTO von Covestro: „Die Schlüsselfaktoren zur Klimaneutralität sind Innovationen und technische Kollaborationen – und zwar über Ländergrenzen hinweg.“
Klaus Schäfer, Dechema-Vorsitzender und CTO von Covestro: „Die Schlüsselfaktoren zur Klimaneutralität sind Innovationen und technische Kollaborationen – und zwar über Ländergrenzen hinweg.“

Brudermüller bestätigte Schäfers Einschätzung, dass viele Player in der Branche bereits tätig geworden seien. „Bei Prozessoptimierungen sind wir allerdings bereits am Limit angekommen. Nun geht es darum, beim Einkauf von Öl und Gas wegzukommen, indem wir konsequent die unsere Produktionen mit grünem Strom elektrifizieren. Diese Aufgabe können wir aber nicht alleine vollziehen. Hier ist die Politik gefordert: Der grüne Strom muss zu akzeptablen Preisen verfügbar sein. Und wir brauchen rechtliche und planerische Sicherheit ohne bürokratische Hürden“, stellte der BASF-CEO klar.

Chemiebranche fordert von der Politik klare Rahmenbedingung

Er forderte dabei die Politik auf, die notwendigen Rahmenbedingung zu schaffen – in Form von grüner Energie und Infrastruktur. Dies müsse in hoher Geschwindigkeit erfolgen. Burgsmüller: „Wenn die Politik nicht für die richtigen Rahmenbedingung sorgt, müssen wir uns als Gesellschaft die Frage stellen, ob wir weiter im weltweiten Vergleich weiter wettbewerbsfähig sein wollen.“ Er verglich die Situation mit der Nachkriegszeit: Damals habe der Staat durch die Schaffung von Infrastruktur die Basis für das Wirtschaftswunder Deutschland gelegt. „Eine solche Aufbruchstimmung wünsche ich mir jetzt auch“, so Brudermüller.

Er rief die Politik auch auf, gegenüber den Endverbrauchern Tacheles zu reden: „Wir alle müssen ehrlich sein: Diese Transformation kostet Geld, und für den Konsumenten werden viele Produkte teurer. Und genau dies muss offen kommuniziert werden. Letztlich liegt es aber am Konsumenten zu entscheiden, ob ihm zum Beispiel eine nachhaltige Shampoo-Flasche mehr Wert ist.“

Wasserstoff darf nicht die einzige Lösung sein

BASF-Chef Martin Brudermüller (zweiter von links) warnte davor, auf nur eine Technologie zur Dekarbonisierung zu setzen.
BASF-Chef Martin Brudermüller (zweiter von links) warnte davor, auf nur eine Technologie zur Dekarbonisierung zu setzen.

Auch er setzt auf neue Technologien und Partnerschaften für die Dekarbonisierung der chemischen Industrie. Ein Beispiel dafür seien erste elektrisch betriebene Steamcracker-Öfen, den BASF derzeit mit Linde und Sabic plant. Eine Multi-Megawatt-Demonstrationsanlage will BASF am Ludwigshafen nächstes Jahr in Betrieb nehmen. „Solche Partnerschaften braucht es“, so Brudermüller. „Allerdings dürfen wir nicht auf eine Technologie setzen. Wasserstoff ist nicht die einzige Lösung unserer Energieprobleme. Es gibt kein Allheilmittel. Wir benötigen ein ganzes Portfolio und Technologie-Offenheit. Denn die Politik kann auch nicht wissen, welche Technologie die beste ist, bevor wir sie nicht erprobt haben. Je nach Land werden derzeit andere Technologien bevorzugt – und wir sollten vorsichtig sein, die europäischen Ideen als die besten anzusehen“, warnte der BASF-Chef vor vorschnellen Festlegungen.

Auch Torsten Wintergerste, Divisionsleiter von Sulzer Chemtech, plädierte für einen „ganzen Korb voller Technologien für die Dekarbonisierung“: „Ein weiterer Baustein dafür sind zum Beispiel biobasierte Rohstoffe – und auch für deren Herstellung werden die entsprechenden Technologien benötigt.“

CO2-Speicherung für den Übergang

Auch über CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) als Mittel zur Dekarbonisierung der Branche diskutieren die Experten auf dem Podium auf der Achema: „Wir brauchen jedes Jahr alleine Megatonnen CCS-Speicherkapazität in Deutschland“, gab sich Ernst Rauch, Chefklimatologe beim Münchner Rückversicherer Munich Re (hier eine Übersicht von Munich Re zu CO₂-Entnahme-Methoden) , überzeugt. Martijn Smit, Business Development Director des norwegischen CCS-Anbieters Northern Lights, signalisierte, dass die Technologie heute bereits zur Verfügung steht. Angesichts der Risiken sehen Vorreiter wie die Niederlande CCS allerdings auch nur als Übergangslösung, so Smit. Dem stimmte Brudermüller zu: „In den nächsten Jahren brauchen wir massive CCS, aber in erster Linie müssen wir CO2-reduzieren und gleichzeitig die Wälder etwa in Brasilien wieder aufforsten, weil sie der beste CO2-Speicher sind.

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