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Unternehmen 13. April 2023

ISO-Standard für die Massenbilanzierung

Die ISO will einen globalen Standard für die Massenbilanzierung bei Einspeisung alternativer Rohstoffe in der Polymerproduktion entwickeln.

Das Prinzip der Massenbilanzierung ordnet in konventionelle Prozesse eingespeiste nachhaltige Rohstoffe bestimmten Produkten zu. Schweden entwickelt jetzt einen ISO-Standard für diese Verfahren.
Das Prinzip der Massenbilanzierung ordnet in konventionelle Prozesse eingespeiste nachhaltige Rohstoffe bestimmten Produkten zu. Schweden entwickelt jetzt einen ISO-Standard für diese Verfahren.

Die Internationale Organisation für Normung (ISO) hat begonnen, einen weltweit anerkannten Standard zur Massenbilanzierung nicht-fossiler Rohstoffquellen für die Kunststoffindustrie zu erarbeiten und zu etablieren. Der neue Standard soll die Umstellung auf recycelte und erneuerbare Materialien vorantreiben Es ist zu hoffen, dass die ISO-Norm so gestaltet wird, dass sie auch innovative Produktionsprozesse für recycelte und erneuerbare Materialien fördert.

Zu Beginn der Arbeit an der Normung für Massenbilanzen haben Vertreter der schwedischen Industrie (Perstorp, Trioplast, Sekab und Johanneberg Science Park) Grundprinzipien dargelegt, die ihrer Meinung nach für die Glaubwürdigkeit des neuen Standards berücksichtigt werden müssen, um dem vielfach erhobenen Vorwurf des Greenwashing bei der Massenbilanzierung zu begegnen.

Beim Massenbilanzansatz geht darum, fossile, recycelte und erneuerbare Rohstoffe in bestehenden Systemen und Prozessen zu mischen und dabei ihre jeweiligen Mengen zu bilanzieren. Nicht-fossile Rohstoffe lassen sich dann rein rechnerisch bis zu 100 % ihrer eingespeisten Menge ganz bestimmten Produkten zuordnen, ohne dass die tatsächlichen Kohlenstoffmoleküle im zugeordneten Produkt zwangsläufig recycelter oder erneuerbarer Herkunft sind.

Bislang kein einheitliches System der Massenbilanzierung

Diese Art der Massenbilanzierung ist eine Methodik, die bereits im Energiesektor für elektrischen Strom aus regenerativen Quellen verwendet wird. Sie wird nach einem allgemein anerkannten Standard durchgeführt. Im Kunststoffbereich dagegen gibt es derzeit noch verschiedene Möglichkeiten, die Massenbilanz anzuwenden. Einige der heute angewendeten freiwilligen Massenbilanzsysteme akzeptieren die Übertragung nicht-fossiler Rohstoffmengen an einem Standort auf beliebige andere Standorte weltweit. Oder sie übertragen nicht-fossile Mengen auf Produkte, den in vollkommen anderen Verarbeitungsprozessen entstehen.

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Mats Bergh, CEO des Johanneberg Science Park, erklärt: „Untersuchungen zeigen, dass es große Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie Massenbilanzmethoden in der Branche eingesetzt werden, was es schwierig macht, über Massenbilanz als eine Methode zu sprechen. Wenn sich ein globaler Standard bildet, ist es wichtig, dass er transparent und glaubwürdig ist. Ansonsten bleibt der Vorwurf des Greenwashing und echte Veränderungen, die den Einsatz neuer Rohstoffe und Produktionsprozesse vorantreiben, bleiben aus, da die Massenbilanzierung keine gesellschaftliche Akzeptanz finden wird.”

Schwedische Industrie fordert ISO-Norm

Der genannten Vertreter der schwedischen Industrie fordert die ISO daher nachdrücklich auf, die Übertragung von Mengen nicht-fossiler Rohstoffe zwischen beliebigen Regionen oder Produkten nicht zu akzeptieren. Dies würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche beeinträchtigen und zu vermehrten Anschuldigungen wegen Greenwashing führen, sondern auch die tatsächliche Entwicklung beim Einsatz alternativer Rohstoffe und Produktionsprozesse behindern. Die Schweden fordern das Konzept der rückverfolgbaren Massenbilanz, um ihre Glaubwürdigkeit zu untermauern. Hierbei darf die Massenbilanzmethode nur angewendet werden, wenn die verrechneten Mengen sowohl chemisch als auch physikalisch rückverfolgbar sind.

Chemische Rückverfolgbarkeit bedeutet: Nur tatsächlich für die Herstellung eines Produkts eingesetzte Rohstoffe können für die Bilanzierung genutzt werden. Der recycelte oder erneuerbare Rohstoff kann also nur fossile Rohstoffe am selben Produkt ersetzen.

Physikalische Rückverfolgbarkeit bedeutet: Die recycelten oder erneuerbaren Rohstoffe müssen an den Produktionsstandort geliefert und dort verwendet werden, wo auch das bilanzierte Produkt hergestellt wird. Ein Produzent kann keine recycelten oder erneuerbaren Rohstoffe von einem Standort auf rein rechnerisch einen anderen übertragen.

Die Anwendung der chemischen und physikalischen Rückverfolgbarkeit bedeutet, dass recyceltes oder erneuerbares Material im Produkt gefunden werden kann und dass ein tatsächlicher, allmählicher Übergang dieses Produkts von fossil Rohstoffen zu recycelten oder erneuerbaren erfolgt.

Chemische und physikalische Rückverfolgbarkeit

Andreas Malmberg, CEO von Trioplast, erklärt: „Die Massenbilanz ohne chemische und physikalische Rückverfolgbarkeit ist vergleichbar mit der Herstellung eines Pfannkuchens, der mittels folgender Massenbilanz zum Bio-Pfannkuchen wird: Seine weiterhin konventionelle Milch wird mit „Bio-Gutschriften“ aus Bio-Eiern, die in irgendeiner Bäckerei verwendet werden, verrechnet. Wir befürchten, dass dies die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche untergraben könnte. Die chemische und physikalische Rückverfolgbarkeit gibt Glaubwürdigkeit, aber was noch wichtiger ist, sie unterstützt den zunehmenden Einsatz recycelter und erneuerbaren Rohstoffe sowie die hierfür erforderlichen Produktionsprozesse.“

Jan Secher, CEO von Perstorp, betont im Namen der vier Unternehmen: „Wir freuen uns über die Entwicklung eines globalen ISO-Standards für die Massenbilanzierung, der unsere Branche wirklich vorantreibt. Eine nachvollziehbare Massenbilanz kann dies, und wir hoffen, dass sich noch viele weitere Unternehmen in unserer Branche diesem Normierungsprozess anschließen, damit wir gemeinsam einen neuen ISO-Standard für eine nachhaltige Kunststoffindustrie setzen können.“ mg

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