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News 21. September 2023

Deutsche Kautschukindustrie unter massivem Druck

Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie WDK legt Halbjahresbilanz vor und beklagt weitere Rückgänge

Die deutsche Kautschukindustrie muss im ersten Halbjahr 2023 Rückgänge bei Produktion, zur Kapazitätsauslastung und Beschäftigtenstand hinnehmen.
Die deutsche Kautschukindustrie muss im ersten Halbjahr 2023 Rückgänge bei Produktion, zur Kapazitätsauslastung und Beschäftigtenstand hinnehmen.

Die Nachfrage in der deutschen Kautschukindustrie fehlt oder schwindet zur Jahresmitte 2023. Das drückt sich deutlich in den Zahlen zur Produktion, zur Kapazitätsauslastung und zum Beschäftigtenstand in der Branche aus, die der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie WDK in Frankfurt am Main veröffentlicht hat. Gegenüber einem schwachen Vorjahr sind sie in den ersten sechs Monaten dieses Jahres weiter zurückgegangen.

Weiterer Rückgang der Nachfrage

„In vielen wichtigen Geschäftssegmenten der deutschen Kautschukindustrie ging die Nachfrage nach unten“, erläutert Chefvolkswirt Michael Berthel. „Das gilt für den Bausektor, das verarbeitende Gewerbe und hier vor allem für den Maschinenbau und für verbrauchernahe Produkte. Betroffen sind dabei sowohl technische Produkte („General Rubber Goods“ – GRG) als auch Reifen.“ Beispielsweise lägen im für die Reifenhersteller enorm wichtigen Reifen-Ersatzgeschäft die abgesetzten Stückzahlen bei Consumer-Reifen um fast 15 % und bei Lkw-Reifen sogar um mehr als 30 % unter dem Niveau des Vorjahres.

Durch die Abarbeitung verschobener Aufträge konnten die Automobilzulieferer der Kautschukindustrie zwar im ersten Halbjahr eine deutliche Umsatzsteigerung verbuchen,  aufgrund der mangelnden Auftragslage ist eine Fortsetzung der positiven Entwicklung aber nicht zu erwarten.
Durch die Abarbeitung verschobener Aufträge konnten die Automobilzulieferer der Kautschukindustrie zwar im ersten Halbjahr eine deutliche Umsatzsteigerung verbuchen,  aufgrund der mangelnden Auftragslage ist eine Fortsetzung der positiven Entwicklung aber nicht zu erwarten.

Die Automobilzulieferer der Branche konnten im ersten Halbjahr zwar die Lieferungen an die Fahrzeughersteller deutlich steigern. „Das lag aber ausschließlich an der Abarbeitung bislang verschobener Aufträge und fußt daher auf einem überaus niedrigen Ausgangsniveau“, betont Berthel und ergänzt: „Die Perspektive sieht nicht gut aus. Aufgrund der mangelnden Auftragslage ist keine positive Fortsetzung der Geschäftstätigkeit zu erwarten.“ Vielmehr drohten im Jahresverlauf Rückgänge bei der Fahrzeugproduktion und damit auch bei den Zulieferteilen aus Gummi. Dazu kämen aktuell ungeplante Produktionsstopps bei großen Herstellern wegen fehlender Motorkomponenten aus Slowenien.

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Das Fazit des WDK-Konjunkturexperten zu den Halbjahreszahlen lautet: „Der Wettbewerbsvorteil der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich ist Geschichte. Der Ausgleich von Kostennachteilen durch Qualitätsvorteile geht nicht mehr auf. Die Kluft der Preiskonkurrenz ist zu groß geworden.“

Kautschukindustrie braucht wettbewerbsfähige Energiepreise

Die Folge seien Unterauslastung, Produktionsrückgang und Beschäftigtenabbau. Ohne zügiges wirtschaftspolitisches Gegenlenken werde sich diese Entwicklung in einen unumkehrbaren Abwanderungstrend wandeln. Wichtig für die Branche seien wettbewerbsfähige Energiepreise. Wichtig für eine mittelständische Industriebranche wie die deutsche Kautschukindustrie seien etwa die Einführung eines Brückenstrompreises auch für den Mittelstand sowie die Senkung von Energiesteuern und Netzentgelten.

Rohstoffpreise verharren auf sehr hohem Niveau

Sorgen bereiten Berthel auch die Entwicklungen auf dem Rohstoffmarkt und bei der Automobilzulieferung. Die seit 2021 massiven Preisanstiege am Rohstoffmarkt haben sich zwar beruhigt. Trotz leichten Rückgängen seit Anfang 2023 verharre das Preisniveau aber auf einem sehr hohen Stand. Besonders Automobilzulieferer seien bisher nicht in der Lage, die Kostenanstiege der letzten Jahre bei ihren Kunden geltend zu machen. Geschweige denn die extrem hohen Energiekosten. Die Folge: Nicht kostendeckende Lieferungen und Leistungen.

Autozulieferer kämpfen um ihre Existenz

Die Automobilzulieferer bedienen eine um mehr als 30 % höhere Fahrzeugproduktion und weiten im ersten Halbjahr ihren Umsatz nur in exakt derselben Höhe aus. Es braucht keine großen Rechenkünste, um daraus die Ertragslage abzuleiten: anhaltender negativer Cash-Flow, so der WDK. Viele Unternehmen der Branche kämpfen längst um ihre Existenz, während die Automobilhersteller ihre Rendite sichern und erhöhen.“

Deshalb warnt der WDK-Chefvolkswirt: „Wenn hier kein Umdenken stattfindet, bricht die tragende Säule der deutschen (Kautschuk-)Industrie in Form vieler mittelständischer Unternehmen weg. Die Tragweite des Ausblutens der mittelständischen deutschen Zulieferer scheint vielen nicht klar zu sein: Es gehen gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze für immer verloren – mit schweren Folgen für den Wohlstand und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland!“

Chancen biete zwar eine qualitätsgetriebene industrielle Transformation. Aber nur mit den entsprechenden Rahmenbedingungen könnten die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie die gegenwärtigen Herausforderungen meistern, ist der WDK überzeugt.

Wie sehr die Kostenexplosion der letzten Jahre die Kautschukbranche im Jahr 2022 belastet hat, erfahren Sie in diesem Beitrag der K-ZEITUNG. gk

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