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Additive Fertigung 3. Juli 2023

Bioabbaubares Supportmaterial für den 3D-Druck

Am IKT wurde ein bioabbaubares Supportmaterial für den 3D-Druck entwickelt, das ohne Entstehen von Mikroplastik über das Abwasser entsorgt werden kann.

Das am IKT entwickelte Supportmaterial für Stützstrukturen lässt sich im Wasserbad vom Bauteil ablösen und über das Abwasser entsorgen, ohne dass Mikroplastik entsteht.
Das am IKT entwickelte Supportmaterial für Stützstrukturen lässt sich im Wasserbad vom Bauteil ablösen und über das Abwasser entsorgen, ohne dass Mikroplastik entsteht.

Im Vorhaben „Aqualoes“ haben Forschende des Instituts für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart (IKT) ein bioabbaubares Stützmaterial für den 3D-Druck entwickelt und suchen aktuell nach Industriepartnern, um das patentierte Werkstoffkonzept zur Marktreife weiter zu entwickeln.

Abbau ohne Entstehung von Mikroplastik

Das Material besteht hauptsächlich aus Polyhydroxybutyrat-co-valerat (PHBV) und Kochsalz und lässt sich im Wasserbad vom Bauteil ablösen und über das Abwasser entsorgen, ohne dass Mikroplastik entsteht. Das vollständig aus biologischen Quellen stammende PHBV ist in natürlichen Gewässern, auch im Meer, biologisch abbaubar.

3D-Drucker werden auch im privaten Bereich immer beliebter. Egal ob Spielzeug, Dekoration, Werkzeug oder Haushaltshelfer – der Phantasie sind bei den Druckobjekten keine Grenzen gesetzt. Will man komplexere, dreidimensionale Gegenstände drucken, benötigt man häufig sogenannte Support- oder Stützstrukturen.

Sie bestehen aus Kunststoffen, die sich nach der Fertigstellung vom eigentlichen Bauteil entfernen lassen. Je nach Art des Stützkunststoffs kann sogar reines Wasser als Lösemittel dienen. Schlussendlich gelangen die Rückstände der Stützkunststoffe dann in Form von Mikroplastik über das Abwasser in den natürlichen Wasserkreislauf, da Kläranlagen sie nicht vollständig herausfiltern können.

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Sogar in Meerwasser vollständig biologisch abbaubar 

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, einen neuen Werkstoff für Stützstrukturen auf der Basis des Biokunststoffs Polyhydroxybutyrat-co-valerat (PHBV) zu entwickeln. PHBV ist sogar in Meerwasser biologisch abbaubar und kann vollständig zu Wasser und CO2 verstoffwechselt werden.

Da PHBV selbst zwar in Wasser abbaubar, jedoch nicht wasserlöslich ist, wollten die Forschenden die Ablösbarkeit des Stützwerkstoffs über die Compoundierung von Kochsalz erreichen. Die Stützpolymere sollten so im Wasser in kleine Fragmente zerfallen, die man aus der Flüssigkeit herausfiltern kann oder die bei Verbleib im Abwasser in überschaubaren Zeiträumen durch Mikroorganismen abgebaut werden. „Aufgrund der geringen Partikelgröße gehen wir von wenigen Monaten für den Abbau aus“, erklärt Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten.

Im Rahmen der Entwicklung testete das Forscherteam des IKT über 30 verschiedene Rezepturen aus PHBV, Salz und anderen bioabbaubaren Polymeren. Hier im Bild die für die Tests gedruckten Zugstäbe.
Im Rahmen der Entwicklung testete das Forscherteam des IKT über 30 verschiedene Rezepturen aus PHBV, Salz und anderen bioabbaubaren Polymeren. Hier im Bild die für die Tests gedruckten Zugstäbe.

Im Vorhaben Aqualoes konnte das Forscherteam die grundsätzliche Machbarkeit dieser Idee nachweisen. Dazu entwickelte und testete es über 30 verschiedene Rezepturen aus PHBV, Salz und anderen bioabbaubaren Polymeren. Im Ergebnis wies eine Rezeptur aus 40 % PHBV, 10 % PEG (Polyethylenglykol) und 50 % hochfeinem Kochsalz die besten Eigenschaften auf.

Filigrane Stützstrukturen möglich

Aus diesem Compound ließen sich auch filigrane Stützstrukturen ohne Abreißen des Filamentstranges drucken. Insbesondere in Kombination mit dem weit verbreiteten 3D-Druck-Polymer PLA (Polylactid ) erreichte das Compound eine hohe Haftung und ermöglichte den Druck fehlerloser Bauteile. Die hohe Haftung ging allerdings etwas zu Lasten einer vollständig rückstandsfreien Ablösbarkeit. Der Ablöseprozess benötigte in einem Leitungswasserbad bei Raumtemperatur 24 h, zudem war geringfügiger Einsatz von Werkzeug nötig.

Im Vergleich dazu brauchen herkömmliche Stützpolymere wie BVOH (Butenediol Vinyl Alkohol Copolymer) nur etwa 4 bis 6 h zur Auflösung. Um die Ablösezeit ihres entwickelten Compounds weiter zu verkürzen, testeten die Forschenden erfolgreich die Option, das Bauteil in einem haushaltsüblichen Geschirrspüler zu spülen. Da das neue Polymer auf den Hobbybereich zielt, ist diese Methode in der Praxis gut umsetzbar, wäre aber auch mit einem vollständigen Verbleib der Stützpolymere im Abwasser verbunden.

Projektpartner aus der Industrie gesucht

Noch ist das bioabbaubare Stützpolymer nicht marktreif. Es bedarf insbesondere noch Verbesserungen bei der Ablösbarkeit und -dauer sowie der Kombinationsfähigkeit mit weiteren 3D-Druckmaterialien. Das IKT sucht aktuell interessierte Industriepartner, um den Ansatz gemeinsam weiter zu entwickeln. Die Universität Stuttgart hat bereits ein Patent auf 3D-Druck-Supportmaterial aus PHBV, Salz und weiteren Polymeren, Weichmachern und Hilfsmitteln angemeldet.

Das Vorhaben Aqualoes wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Der Abschlussbericht steht in der FNR-Projektdatenbank zur Verfügung. gk

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