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Unternehmen 14. Oktober 2020

Umsatzeinbruch bei Engel – aber Licht am Tunnelende

Bei Engel wird der Umsatz in zwei aufeinander folgenden Jahren um jeweils 20 % zurückgehen, wie CEO Dr. Stefan Engleder im Interview berichtet.
Engel rechnet in diesm Jahr mit rund 20 % weniger Umsatz. Engel-CEO Dr. Stefan Engleder: „Unsere Kunden investieren aktuell vor allem in Digitalisierungslösungen, die ihnen kurzfristig etwas bringen.“
Engel rechnet in diesm Jahr mit rund 20 % weniger Umsatz. Engel-CEO Dr. Stefan Engleder: „Unsere Kunden investieren aktuell vor allem in Digitalisierungslösungen, die ihnen kurzfristig etwas bringen.“

Bei Engel wird der Umsatz in zwei aufeinander folgenden Jahren um jeweils 20 % zurückgehen, wie CEO Dr. Stefan Engleder im Interview berichtet.

Herr Dr. Engleder, welcher Umsatz steht für das vergangene Geschäftsjahr von Engel in den Büchern?
Engleder:
Wir haben das Geschäftsjahr 2019/20 mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro Umsatz abgeschlossen. Das sind rund 20 % weniger im Vergleich zum Rekordjahr 2019. Der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr sieht ähnlich aus: Wir rechnen damit, dass wir erneut rund 20 % Umsatz einbüßen werden.

Als Grund für den Einbruch im vergangenen Jahr nannten Sie vor einem Jahr auf der K in Düsseldorf die schwächelnde Automobilindustrie. Ist nun noch die Corona-Pandemie on top dazugekommen?
Engleder:
Covid-19 hat die Entwicklung beschleunigt, aber ich will die Pandemie nicht überbewerten, denn wir haben keineswegs eine Konsumkrise. Der Konsum erholt sich, doch die Automotive-Krise ist voll und ganz da. Interessanterweise sind die Auswirkungen je nach Markt sehr unterschiedlich. So läuft das Automotive-Geschäft in den USA überraschenderweise sehr gut, während aus Europa – und hier vor allem Deutschland und die osteuropäischen Länder mit der traditionell starken Zulieferindustrie – kaum Impulse für Neuinvestitionen ausgehen. Für den signifikanten Umsatzrückgang ist diese Entwicklung ganz maßgeblich, da wir vor allem im Automotive-Bereich sehr Großmaschinen-lastig unterwegs sind. Im Segment der kleinen und mittelgroßen Spritzgießmaschinen sind wir gut ausgelastet.

Wie stark sind Sie von der Automobilindustrie abhängig?
Engleder:
Noch im letzten Jahr machte Automotive die Hälfte unseres Auftragsvolumens aus. Das ist weniger geworden. Heuer ist der Geschäftsbereich Technical Moulding fast gleich auf.

Gute Umsatzentwicklungen in den USA

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Worauf führen Sie zurück, dass der amerikanische Markt gut läuft?
Engleder:
Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Ich denke, dass die Investitionslaune der Amerikaner durch Covid-19 kaum beeinträchtigt ist. Außerdem gibt es sicherlich Nachholeffekte im produzierenden Bereich. Wir wissen, dass gerade im Automotive-Bereich die installierte Basis in den USA alt ist. Und der Absatz von Pickups und SUVs läuft nach wie vor sehr gut.

Was ist mit dem chinesischen Markt? In den vergangenen Jahren war es immer so, dass China der Retter für die europäische Industrie war, wenn es in anderen Teilen der Welt nicht gut lief.
Engleder:
China läuft wieder gut und wir sehen dort langsam auch wieder Fortschritte im Automobilmarkt. Im gesamtasiatischen Vergleich erholt sich China am schnellsten. China hat die Corona-Pandemie sehr professionell gemanagt.

Wie läuft Ihre zweite, in China angesiedelte Marke Wintec?
Engleder:
Wintec läuft in China und in den Ermerging Markets wie Türkei, Russland und Mexiko gut. Nur in den USA stehen wir mit Wintec vor Herausforderungen, weil die Strafzölle auf chinesische Produkte unsere Umsatzerwartungen gedämpft haben.

Haben Sie Pläne, den Vertrieb der Wintec-Maschinen auch nach Europa auszudehnen?
Engleder:
Ob es auch in Europa einen Markt für Wintec gibt, werden uns unsere Kunden erklären. Die aktuellen Rahmenbedingungen setzen mitunter alle gewohnten Spielregeln außer Kraft. Mit Russland, Belarus und Türkei ist Wintec zumindest geografisch schon nahe gerückt.

Allgemein hört man in der Branche, dass es im Verpackungs- sowie im Medizintechnikbereich sehr gut läuft. Können Sie das bestätigen?
Engleder:
Ja, das kann ich voll und ganz bestätigen – und das freut mich. Nicht nur, weil unsere Umsätze mit Kunststoffverarbeitern aus dem Bereich Medical und Healthcare sehr gut sind und wir unsere Ziele hier übererfüllt haben. Man hat zudem in der Corona-Hochphase gesehen, was Kunststoff im Gesundheits-, aber auch im Verpackungsbereich – wenn es um Hygiene geht – zu leisten vermag. Das Plastik-Bashing ist ein Stück weit in den Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung getreten. Das ist eine gute Basis, um jetzt differenziertere Gespräche zu führen, die Emotionen aus der Diskussion zu nehmen und Entscheidungen auf Basis von Fakten zu treffen. Was geblieben ist – und das ist sehr gut – das ist die Nachhaltigkeitsdebatte, die wir führen. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind nach wie vor wichtige Schwerpunkte in unserer Entwicklungsarbeit. Wir sehen, dass unsere Lösungen für eine nachhaltige Kunststoffverarbeitung und nachhaltige Kunststoffprodukte am Markt gut ankommen.

Starke Nachfrage bei Engel nach Lösungen für die Kreislaufwirtschaft

Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Engleder:
Wir haben im Sommer einige Großaufträge im Großmaschinensegment aus dem Infrastruktur-Umfeld erhalten. Da geht es zum Beispiel um die Herstellung von Zisternen, bei der Rezyklat verarbeitet wird. Das sind Projekte, die wirklich Spaß machen.

Ihr Investitionsprogramm 2020 war das größte der Unternehmensgeschichte. Ist es abgeschlossen? Oder mussten Sie es frühzeitig abbrechen aufgrund der Krise?
Engleder:
Wir haben das Programm abgeschlossen beziehungsweise wir sind kurz vor dem Ziel. Im Großmaschinenwerk in St. Valentin wurde im Januar das neue Bürogebäude bezogen. Und aktuell wird an diesem Standort noch ein Technikum gebaut. Das wird im Frühjahr nächsten Jahres fertig werden.

Ich würde gerne auf den Lockdown zu sprechen kommen: Hatten Sie Probleme mit der Supply Chain?
Engleder:
Interessanterweise hatten wir überhaupt keine Probleme, selbst unsere norditalienischen Lieferanten in der Lombardei waren immer lieferfähig. Der einzige Engpass, den wir zeitweise hatten, kam durch die Kurzarbeit des österreichischen Zolls. Mit weltweit neun Produktionsstandorten mit jeweils eigener Supply Chain haben wir einen großen Vorteil. Auch im Service profitieren unsere Kunden von unserer globalen Präsenz. Wir können trotz Reiserestriktionen weltweit anwendungstechnischen Support anbieten.

Sie mussten das Werk in Schwertberg ja für drei Wochen schließen. Was war da los?
Engleder:
Die Werksschließung erfolgte nicht, weil wir Corona-Fälle im Unternehmen hatten, sondern – wie bei viele Unternehmen in Oberösterreich – aus präventiven Gründen. Sehr positiv war, dass unsere IT es innerhalb von zwei Tagen geschafft hat, etwa 2.500 Mitarbeiter ins Homeoffice zu bekommen. Unsere IT-Infrastruktur hat sich als extrem performant erwiesen, selbst für die Konstrukteure an den 3D-CAD-Arbeitsplätzen. Auch das Arbeiten im Homeoffice hat bei uns super funktioniert. Daraus haben wir gelernt: Unsere Mitarbeiter in der Verwaltung können nun generell drei Tage im Monat im Homeoffice arbeiten.

Was ist Ihnen damals durch den Kopf gegangen?
Engleder:
Das war eine sehr interessante Lebenserfahrung für mich – in eine menschenleere Firma zu kommen und dort allein zu arbeiten. Wir sind trotz der Umstände optimistisch und positiv geblieben. Uns war wichtig, sowohl unseren Kunden als auch unseren Mitarbeitern gegenüber immer sehr transparent zu kommunizieren, was los ist. Ich bin sehr froh, dass unsere Mitarbeiter in allen Phasen sehr besonnen reagiert haben. Was mir fehlt, ist der direkte Kontakt zu den Kollegen in den USA oder in China. Wir sind schließlich ein Familienunternehmen.

Belegschaft in Österreich in diesem Geschäftsjahr um 10 Prozent reduziert

Haben oder hatten Sie Kurzarbeit?
Engleder:
Wir hatten bis Ende September an allen drei österreichischen Standorten Kurzarbeit, zuletzt allerdings nur noch in geringem Ausmaß. Ich finde das Instrument sehr sinnvoll, doch mittelfristig müssen wir das Unternehmen auf eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern einstellen. Im Herbst 2019 haben wir die Mitarbeiterzahl bereits leicht reduziert, indem wir uns vor allem von Leiharbeitern getrennt haben. Damals haben wir angekündigt, in diesem Jahr maximal 10 % unserer Belegschaft in Österreich reduzieren zu müssen. Stand heute kommen wir mit diesen Maßnahmen aus.

Von welcher Entwicklung auf dem Weltmarkt gehen Sie aus?
Engleder:
Im Moment sieht es nach Licht am Ende des langen Tunnels aus. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Höhenflüge der Kunststoffindustrie für gewisse Zeit vorbei sind. Langfristig wird die Branche aber ihre Bedeutung behalten und wieder wachsen. Und wir wollen ein wichtiger Part davon sein. Wachstumstreiber werden vor allem drei Themen sein: die Transformation des Automobils, die Kreislaufwirtschaft und die Digitalisierung.

Pandemie treibt die Digitalisierung voran

Gibt es eine Nachfrage nach Lösungen für die Digitalisierung? Investieren die Kunden – oder halten sie das Geld zusammen?
Engleder:
Unsere Kunden investieren aktuell vor allem in Digitalisierungslösungen, die ihnen kurzfristig etwas bringen. Wir sehen, dass durch die Covid-19-Pandemie die Digitalisierung in den Unternehmen Riesenfortschritte macht. Virtuelle Maschinenabnahmen führen wir heute ganz selbstverständlich durch, das war vor Corona gar kein Thema. Mit Hilfe von Remote-Services und Online-Support konnten wir unsere Kunden auch während des Shutdowns durchgehend unterstützen. Wir sehen einen großen Trend Richtung digitale Services, die wir mit voller Kraft weiter entwickeln. Wichtig ist die Integration der Lösungen entlang des gesamten Wertstroms, um das Potenzial der Spritzmaschinen voll auszuschöpfen. Wir begleiten unsere Kunden zunehmend über den gesamt Produktlebenszyklus, von der Designphase über die Produktionsphase bis hin zum Recycling am End-of-life. Darauf richten wir unser inject 4.0 Programm konsequent aus.

Apropos Digitalisierung: Sie veranstalten statt der Fakuma, die ja nicht stattfinden kann, eine eigene virtuelle Messe. Ist das für Engel ein Modell für die Zukunft?
Engleder:
Mit der Live E-Xperience gehen wir völlig neue Wege. Es gibt Live-Exponate, Fachvorträge, Expert Talks und One-on-One-Meetings mit den vertrauten, lokalen Ansprechpartnern. Uns war es wichtig, dass auch bei einem virtuellen Event die persönlichen Kontakte nicht zu kurz kommen. Wir hatten schon wenige Tage nach dem Start der Registrierung Anmeldungen im guten vierstelligen Bereich. Wir sehen virtuelle Formate langfristig nicht als Ersatz für Live-Veranstaltungen, aber als eine Ergänzung, die zukünftig ihren festen Platz haben wird.

Sabine Koll

Die Digitalveranstaltung Live E-Xperience läuft noch bis einschließlich 9. Oktober 2021. Dort zeigt Engel unter anderem die neue Generation der vollelektrischen E-Mac Spritzgießmaschinenbaureihe und ein neues Mikrospritzgießaggregat für die Verarbeitung von Flüssigsilikon (LSR).

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