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Qualitätssicherung 2. August 2023

Slush-Häute: So werden sie zerstörungsfrei gemessen

Für die zerstörungsfreie Qualitätskontrolle von Slush-Häuten hat das Fraunhofer ITWM ein handgeführtes Terahertz-Messsystem entwickelt.

Moderne Slush-Häute sind nicht nur aus optischen Gründen ungleichmäßig strukturiert und bestehen aus mehreren Schichten. Dafür hat das Fraunhofer ITWM nun ein Messsystem entwickelt.
Moderne Slush-Häute sind nicht nur aus optischen Gründen ungleichmäßig strukturiert und bestehen aus mehreren Schichten. Dafür hat das Fraunhofer ITWM nun ein Messsystem entwickelt.

Slush-Häute mit ihrer lederähnlichen Optik werden heute in vielen Fahrzeugen der Mittel- und Oberklasse eingesetzt, um Armaturen zu verkleiden. Sie zeichnen sich durch sehr flexibel gestaltbares Design und Haptik aus und überzeugen zusätzlich in Sicherheitsfragen. Gefertigt werden sie im Pulversinterverfahren. Dabei wird eine Negativ-Form aus Metall aufgeheizt, im nächsten Schritt mit Kunststoffpulver gefüllt und gedreht. Das Pulver beginnt zu schmelzen und haftet an; beim Abkühlen entsteht eine durchgängige Haut.

Um Gewicht und Material einzusparen und zugleich eine bessere Haftung auf dem Cockpit zu ermöglichen, hat Automobilzulieferer Antolin Straubing ein Zweischichtsystem für Slush-Häute entwickelt. Für das neue Produkt galt es, ein serienbegleitendes, zerstörungsfreies Prüfverfahren zu konzipieren, welches sicherstellt, dass der Airbag die Slush-Haut bei einem Verkehrsunfall sicher durchdringt und die Personen im Fahrzeug schützt.

Schichtdickenmessung mit Terahertz-Technologie

Mit dieser Problemstellung trat der Automobilzulieferer an das Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern heran. Seit mehreren Jahren arbeitet die Forschungsgruppe „Optische Terahertz-Messtechnik“ unter Leitung von Dr. Daniel Molter am Einsatz von Terahertz-Technologien für die Industrie und erzielte dabei vielversprechende Resultate, indem sie etwa eine zuverlässige und schonende Prüfmethode für lackierte Oberflächen im Automobilbereich entwickelte.

Terahertz-Wellen sind elektromagnetische Wellen, die mit einer Länge von etwa 300 µm zwischen dem Mikrowellen- und dem Infrarotbereich liegen. „Über die vergangenen Jahre hat sich die Schichtdickenmessung mit Terahertz-Technologie als sehr vielversprechend herausgestellt“, so Molter. „Dafür nutzen wir Femtosekundenlaser, deren Pulse wir mit einem photoleitenden Schalter in Terahertz-Pulse umwandeln. Damit entsteht ein kurzer elektromagnetischer Impuls. Dieser wird dann auf ein Mehrschichtsystem geschickt, und bei jedem Schichtübergang – etwa von der Luft zum überprüften Material und dann zu einem Metall – entsteht ein Zwischenreflex. Der zeitliche Unterschied zwischen den Reflexen lässt Rückschlüsse auf die Dicke der einzelnen Schichten zu, wenn man deren optische Eigenschaften kennt.“

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Bestehende Methodik wurde für Slush-Häute weiterentwickelt

Ein Beispiel für ein Terahertz-Messsystem des Fraunhofer ITWM: Der Handscanner besteht aus einer Rechnereinheit und dem hier abgebildeten Messkopf.
Ein Beispiel für ein Terahertz-Messsystem des Fraunhofer ITWM: Der Handscanner besteht aus einer Rechnereinheit und dem hier abgebildeten Messkopf.

Bei Mehrschichtlacksystemen funktioniert die bisherige Auswertungstechnik der Signale zuverlässig, weil ihre Struktur homogen ist und Grenzschichten gut definiert sind. Um die ungleichmäßig aufgebauten und mit Luftblasen durchsetzen Schichten von Slush-Häuten vermessen zu können, mussten die Forscher die bestehende Methodik weiterentwickeln. Anstatt die einzelnen Schichtantworten mathematisch zu modellieren, arbeiteten sie mit einer Reihe von Filteralgorithmen und der Dekonvolution (Entfaltung) von Signalen: Unter Kenntnis einer Eingangsgröße (einem Referenzsignal beziehungsweise der Systemcharakteristik) und des Messergebnisses konnten sie die zweite Eingangsgröße – nämlich das Schichtmodell der vorliegenden Slush-Haut – berechnen.

Mobiles, handgehaltenes Messsystem

Damit die Messung direkt vor Ort nach der Produktion der Slush-Häute durchgeführt werden kann, hat die Projektgruppe das neue Messsystem als mobilen Rollwagen mit handgeführtem, 3D-gedrucktem Messkopf konzipiert. Neben einer eigens entwickelten Software verfügt es unter anderem über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, einen Touchscreen mit ausziehbarerer Tastatur sowie einen drahtlosen Barcode/QR-Scanner zur Produkterfassung und ist einfach zu bedienen. Zur Qualitätskontrolle einer fertig produzierten Slush-Haut wird der Messkopf an vorab definierten Punkten aufgesetzt. Bei erfolgreicher Messung ertönt ein akustisches Signal, und die Schichtdicken lassen sich auf einen Blick im Display ablesen.

Zukünftig sind auch weitere Einsatzmöglichkeiten von der Messung anderer Kunststoffschichten im Autocockpit bis hin zur Prüfung von Rohr-Wandstärken vorstellbar. „Im Prinzip eignet sich das System überall dort, wo Wandstärken von etwa 10 µm bis hin zu wenigen Millimetern gemessen werden sollen und ein handgehaltenes System von Vorteil ist“, so Molter.

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