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Qualitätssicherung 20. April 2023

Scanner: Komplexe 3D-Modelle im Handumdrehen

Ein neuer 3D-Handscanner namens Goscout-3D nutzt die Fotogrammetrie: er macht hochauflösende 2D-Farbbilder vom Messobjekt aus verschiedenen Blickwinkeln.

Der mobile und handliche Scanner Goscout-3D will die 3D-Vermessung flexibler und einfacher gestalten.
Der mobile und handliche Scanner Goscout-3D will die 3D-Vermessung flexibler und einfacher gestalten.

Entwickelt wurde der mobile 3D-Scanner vom Fraunhofer IOF in Jena; im Einsatz ist er bei MTU Maintenance in Hannover, einem Instandhaltungsleister für Luftfahrtantriebe. Für die Dokumentation des Eingangs- und Ausgangszustands von Triebwerken wünschten sich die Experten von MTU eine unkomplizierte und anwenderfreundliche Lösung zur vollständigen dreidimensionalen Digitalisierung. Bisher verwendete das Unternehmen klassische Kompaktkameras, mit denen lediglich Fotos von typischen (Defekt-)Stellen angefertigt werden konnten und die Triebwerke nur unvollständig erfasst wurden.

Scanner ermöglicht vollautomatisierten Ablauf bei der Messung

Mit diesen Anforderungen wandte sich MTU an das Fraunhofer IOF, das einen neuartigen 3D-Scanner entwickelt haben. Dieser ermöglicht künftig eine flexible, einfache und zeitsparende dreidimensionale Messung der Triebwerke. Bequem von Hand lässt sich Goscout-3D um das zu messende Triebwerk führen und erstellt automatisch ein 3D-Modell, welches hochaufgelöste Form-, Farb- und Texturinformationen enthält. „Goscout-3D ermöglicht einen vollautomatisierten Ablauf bei der Messung: von der Bildaufnahme bis hin zur Generierung des kompletten Farb- beziehungsweise texturierten 3D-Modells“, erklärt Dr. Stefan Heist vom Fraunhofer IOF.

Hochauflösende Farbkamera und inertiale Messeinheit

Goscout-3D ähnelt einer überdimensionalen Taschenlampe – denn neben einer hochauflösenden Farbkamera sowie einer inertialen Messeinheit – bestehend aus mehreren Sensortypen – und einem Display mit Touchscreen ist ein Ringlicht sein visuell auffälligste Merkmal. Dieses dient der Ausleuchtung der Messszene, um die für den handgehaltenen Betrieb erforderlichen kurzen Belichtungszeiten zu ermöglichen. Dadurch können weit über 1000 Bilder aufgenommen und verarbeitet werden.

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Bei einer standardmäßigen Messentfernung von 1 m und einem Bildfeld von etwa 1 m2 erreicht der 3D-Scanner somit eine Aufnahmegeschwindigkeit von bis zu 6 m² Objektoberfläche pro Minute. Die integrierte 20-Megapixel-Farbkamera ermöglicht eine besonders hohe räumliche Auflösung von weniger als 0,25 mm. Das Gewicht des Sensorkopfes liegt bei etwa 1,3 kg. Die Versorgung mit Strom erfolgt über Akkus, die einen ununterbrochenen Betrieb über mehrere Stunden ermöglichen. Auf diese Weise wird der Handscanner besonders mobil und flexibel einsetzbar.


Goscout-3D erweitert das Prinzip der Fotogrammetrie

Neben einer hochauflösenden Farbkamera sowie einer inertialen Messeinheit und einem Display mit Touchscreen ist ein Ringlicht das visuell auffälligste Merkmal des neuen Messgeräts.
Neben einer hochauflösenden Farbkamera sowie einer inertialen Messeinheit und einem Display mit Touchscreen ist ein Ringlicht das visuell auffälligste Merkmal des neuen Messgeräts.

Für die Erzeugung der 3D-Modelle nutzt Goscout-3D die Fotogrammetrie. „Bei diesem Messverfahren werden hochauflösende zweidimensionale Farbbilder von der zu messenden Szene aus vielen verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen“, so Heist. Das bedeutet: Von Hand wird der Sensor einmal um das Objekt geführt. „Anschließend werden in der Fotostrecke markante Objektpunkte identifiziert. Tauchen diese in mehreren Bildern auf, können wir über das Prinzip der Triangulation die zugehörigen 3D-Punkte und schließlich die 3D-Daten der gesamten Szene berechnen.“

Eine besondere Herausforderung für die Forscher war die zügige Verarbeitung der 2D-Bilder. „Für die 3D-Erfassung wird eine Vielzahl hochaufgelöster Einzelaufnahmen in guter Bildqualität benötigt. Die entsprechende Verarbeitung dieser Einzelbilder ist typischerweise sehr zeitintensiv“, erläutert Heist. Seinem Team ist es jedoch gelungen, das Prinzip der Fotogrammetrie um die Positions- und Orientierungsdaten einer inertialen Messeinheit (IMU) zu ergänzen. Diese erlauben somit die grobe Bestimmung der Sensorbewegung und dadurch die Auswahl von Bildern mit überlappenden Bildinhalten. „Steckt man dieses Vorwissen in die fotogrammetrische Auswertung, kann die Rechenzeit speziell bei komplexen Messobjekten um mehr als die Hälfte reduziert werden“, sagt Marc Preißler, Mitentwickler von Goscout-3D. Bereits innerhalb weniger Minuten kann auf diese Weise bereits ein 3D-Modell erstellt werden.

Flexibel nutzbar in der Produktionsumgebung

Eine MTU-Mitarbeiterin digitalisiert mit dem Goscout-3D ein Triebwerk.
Eine MTU-Mitarbeiterin digitalisiert mit dem Goscout-3D ein Triebwerk.

„Goscout-3D ermöglicht uns eine ganzheitliche und detailgetreue Ansicht unserer Triebwerke in 3D und 2D inklusive Navigationsmöglichkeiten“, freut sich Dr. Frank Seidel, Leiter für Repair Development bei der MTU Maintenance. „Die flexible Nutzbarkeit des Scansystems in der Produktionsumgebung, die einheitliche Dokumentationsstruktur bei der Aufnahme der Befunddaten sowie deren Verwendung in unseren Qualitäts- und Analysetools wird zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führen.“

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