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Unternehmen 19. Juni 2023

Recycling-Märkte brauchen mehr Stabilität

Angesichts schwacher Nachfrage schrumpfen die Margen bei den Recyclern dramatisch. Doch der Markt ist extrem volatil, das Pendel wird zurückschwingen.

Flaschen aus recyceltem PET (R-PET). Die Volatilität für die Marktpreise von R-PET ist seit 2022 so hoch wie noch nie. Damit die Branche überleben kann, braucht es mehr Stabilität und Vertrauen in den Recycling-Märkten.
Flaschen aus recyceltem PET (R-PET). Die Volatilität für die Marktpreise von R-PET ist seit 2022 so hoch wie noch nie. Damit die Branche überleben kann, braucht es mehr Stabilität und Vertrauen in den Recycling-Märkten.

Die Marktnachfrage nach mechanisch recycelten Polymeren in Europa ist so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Die Preise für Rezyklate stürzen ab, bei nach wie vor hohen Kosten in der Prozesskette. Die Folge: Die Gewinnspannen der Recycler sind schmal, für mache Akteure zu schmal fürs Überleben.

Nach Schätzungen von Mark Victory, Marktforscher bei ICIS, London, ist die Nachfrage nach Rezyklaten im zweiten Halbjahr 2022 im Vergleich zur zweiten Hälfte des Vorjahres bei Verpackungen um bis zu 30 % und bei anderen Anwendungen um bis zu 50 % zurückgegangen. Sie liegt auch im vierten Quartal 2022 weit unter den Erwartungen.

Die aktuelle Krise folgt auf mehrere Jahre mit zum Teil rekordhohen Preisen für Rezyklate. Noch in diesem Jahr könnte es jedoch zu einer Konsolidierung bei den Anbietern kommen. Die Gründe hierfür sind:

  • Trübe makroökonomische Bedingungen und hohe Inflation
  • Anhaltend hohe Betriebskosten bei den Recyclern, vor allem bei der Energie
  • Preisverfall bei Neuware und damit
  • Preisverfall bei Rezyklaten

Vor allem die Preise bei den Nicht-Verpackungsqualitäten sind derzeit stark unter Druck. Die Märkte für diese Qualitäten machen jedoch den Großteil der produzierten Rezyklat-Mengen aus – selbst für die Akteure, die auch den Verpackungssektor bedienen.

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Droht eine Konsolidierung auf den Recycling-Märkten?

Ein Beispiel dafür, wie knapp die Margen derzeit sind, ist die Preisspanne zwischen postindustriellem PP-Ballen und hieraus gewonnenem (schwarzem) R-PP Granulat, die sich derzeit auf einem 26-Monats-Tief befindet. Aufgrund der geringen Preisspannen warnen die Akteure seit dem vierten Quartal 2022 vor einer Konsolidierungswelle bei den mechanischen Recyclern im zweiten Halbjahr dieses Jahres – zumal es sich hier überwiegend um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) handelt. Fusionen, Übernahmen und Konkurse werden die Folge sein. Auch droht die Schließung einiger Werke.

Dabei hat die Branche in den letzten Jahren, als die Preise für Rezyklate auf Rekordhöhen kletterten, noch kräftig investiert, zum Beispiel in mehrstufige Infrarotsortierverfahren für Polyolefine, oder Anlagen zur Umwandlung von Flakes in Vorformlinge bei R-PET. Doch die meisten dieser Investitionen sind noch nicht angeschrieben, neue werden nicht getätigt. Das Vertrauen in die Märkte ist spätestens im Jahr 2023 verloren gegangen. Am Ende zählt immer der Preis, nicht die Nachhaltigkeit eines Produktes. Wenn die Preise bei Neuware fallen, haben Rezyklate keine Chance mehr. Dies hat die Rezyklat-Anbieter verunsichert, ihre Investitionen sind auf Eis gelegt, sie kämpfen zum Teil ums Überleben.

Nachfrage nach Rezyklaten wird zurückkehren

Dabei gibt es nach wie vor strukturelle Engpässe in den Prozessketten für Rezyklate. Die Nachfrage nach Rezyklaten wird zurückkehren, wenn die politischen Vorgaben zum Rezyklat-Einsatz für 2025 näher rücken. Im November 2022 schlug die EU-Kommission eine neue Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle vor. Sie sieht Quoten für den Recyclinganteil von 10-35 % des Gewichts bis 2030 und 50-65 % bis 2040 vor, je nach Verpackungsart. Die Vorschläge sind noch nicht in Kraft getreten, geben aber die Richtung vor. Die EU-Kommission hat bereits erklärt, dass sie auch die Einführung von Quoten im Bau- und Automobilsektor in Betracht zieht.

Wenn sich der Markt jetzt konsolidiert oder Investitionen aufgeschoben werden, wird es immer schwieriger, diese Ziele zu erreichen. Dies wird den Wettbewerb um hochwertiges Rezyklat wieder verschärfen und könnte zu einer Wiederholung der dramatischen Engpässe im ersten Halbjahr 2022 führen. Doch kein Akteur möchte eine Wiederholung der volatilen Marktbedingungen des Jahres 2022, die Branche sehnt sich nach mehr Stabilität. Nur dann gibt es die notwendige Investitionssicherheit, um Kreislauflösungen für Kunststoffe voranzubringen. mg

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