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Spritzgießen 3. Dezember 2018

Pflegefall Spritzgießmaschine

Beim Einsatz von lebensmittelverträglichen Hydraulikölen besteht die Gefahr von Varnish. Was tun, um Funktionsstörungen zu vermeiden?
Hier sind Varnish-Rückstände in einem Filter zu sehen.
Hier sind Varnish-Rückstände in einem Filter zu sehen.

Beim Einsatz von lebensmittelverträglichen Hydraulikölen besteht die Gefahr von Varnish. Was tun, um Funktionsstörungen zu vermeiden?

Schritt für Schritt werden lebensmittelverträgliche Hydrauliköle in Spritzgießmaschinen für primäre Lebensmittelverpackung eingesetzt. Bedingt durch die hohen thermischen und mechanischen Belastungen können sich polymere Ölrückstände (Varnish) bilden. Verbleiben diese im Hydraulikkreislauf, kommt es zwangsläufig zu Funktionsstörungen oder ungeplanten Maschinenstillständen.

Grundsätzlich gilt die Prämisse, Lebensmittel dürfen von der Herstellung über die Verarbeitung bis hin zum Transport keinen Kontakt mit Schmierstoffen haben. Schmierstoffhersteller bieten heute für viele Anwendungsbereiche sogenannte lebensmittelverträgliche Schmierstoffe an. Für diese Produkte dürfen nur bestimmte Grundöle verwendet werden, und auch hinsichtlich Additivierung sind enge Grenzen gesetzt.

„Lebensmittelschmierstoffe“ werden in verschiedene Klassen eingeteilt. Der Trend geht dabei in Richtung H1-Formulierungen. Durch den Einsatz von lediglich einer Klassifikation wird das Risiko einer Verwechslungsgefahr reduziert und auch Einkaufskosten eingespart. Wo welche Produkte einzusetzen sind, ist über eine HPPC Analyse (Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte) zu ermitteln. Für alle Reibstellen, bei denen die Gefahr eines zufälligen Kontakts mit dem Lebensmittel nicht ausgeschlossen werden kann, sind H1-Schmierstoffe zwingend notwendig.

Leistungsabstriche verboten

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Die Aufgabe eines Schmierstoffs ist es, Reibung und Verschleiß auf das erforderliche Maß zu reduzieren - eine Grundvoraussetzung, die auch für ein H1-Hydrauliköl gilt. Ein Unterschied zu konventionellen Hydraulikölen kann aber im Langzeitverhalten auftauchen. Die Formulierung eines lebensmitteltauglichen Hydrauliköls ist, da es viele Einschränkungen bezüglich Grundöl und Additive gibt, sehr komplex. Es dürfen nämlich nur Stoffe eingesetzt werden, die von der US-Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA beziehungsweise von der NSF – der US-Organisation für Produktprüfung, -inspektion und -zertifizierung – als unbedenklich gelistet sind. So können zum Beispiel bewährte metallorganische Verschleißschutzadditive auf Zinkbasis für H1-Hydrauliköle nicht verwendet werden.

Feiner Metallabrieb im Hydrauliköl kombiniert mit Sauerstoff und Temperatur ist der perfekte Mix für schnelle Ölalterung. Synthetische Grundflüssigkeiten sind wohl alterungsunempfindlicher, davor aber nicht gefeit. Sichtbares Zeichen einer Ölalterung sind bernsteinfarbige bis dunkelbraune hochpolymere Ölrückstände. Der Fachbegriff ist Varnish – und damit ist nicht zu spaßen.

Lebensmittel-Hydrauliköle brauchen professionelle Pflege

Selbst unter der Voraussetzung, dass H1-Hydrauliköle die gleiche Leistungsfähigkeit wie die klassischen Produkte haben, muss die Ölpflege neu überdacht werden. Zwei wesentliche Gründe sind hierfür ausschlaggebend. Zum einen sind es die Folgen der Produktalterung und des Varnish. Hier besteht die Gefahr vieler ungeplanter Maschinenstillstände. Zum anderen ist es der Produktpreis. Ein lebensmittelverträgliches Hydrauliköl kann um den Faktor 8 bis 10 teurer sein. Da lohnt es sich, die Gebrauchsdauer des lebensmittelverträglichen Hydrauliköls zu verlängern, um die Produktmehrkosten auszugleichen – etwa mit speziellen Filtern.

Spezielle Filter verlängern die Standzeiten

Dazu muss man wissen: Alle Hydrauliköle altern. Die Alterungsgeschwindigkeit wird von Faktoren wie Betriebstemperatur des Öls, Gehalt an Fremdstoffen (fest, flüssig, gasförmig) und der Einsatzzeit bestimmt. Lebensmittelverträgliche Hydrauliköle, können die polaren Substanzen nicht selbst auflösen. Bleiben die Alterungsprodukte im System, so besteht die Gefahr, dass Ventile oder Filter verblocken, sich diese an Wärmetauscher absetzen oder die Wärmeübertragung der Kühler behindern. Nur technische Maßnahmen wie die Verwendung spezieller Filter, wie sie etwa der Filterspezialist Hydac im Programm hat, bringen den erhofften Erfolg.

Die Varnish Elimination Unit – Filtration VEU-F im Praxiseinsatz.
Die Varnish Elimination Unit – Filtration VEU-F im Praxiseinsatz.

Die Varnish Elimination Unit – Filtration VEU-F von Hydac kombiniert zwei verschiedene Eigenschaften. Sie kühlt als erstes die Hydraulikflüssigkeit, um die Ölalterungsprodukte filteraufnahmefähig zu machen. Im Filtergehäuse befindet sich ein spezielles Filtermaterial, das eine hohe Affinität für die Alterungsrückstände hat. Die Varnish Elimination Unit VEU-F kann bei vorhandenen Produktionsmaschinen nachgerüstet werden. Das kann Hand in Hand mit der Umstellung auf H1-Öle erfolgen. Die VEU-F wird, wie andere Nebenstromfilter auch, am Tank angebaut. Durch den recht geringen Volumenstrom wird die Fluidströmung im Tank kaum messbar beeinflusst.

Fallbeispiel Spritzgießmaschine

Beträgt die Lebensdauer eines herkömmlichen Mineralöls in einer Spritzgießmaschine im günstigsten Fall 20.000 Betriebsstunden, wird dieser Wert mit lebensmittelverträglichen Hydraulikölen oft weit verfehlt. Langzeituntersuchungen mit der VEU-F haben unter realen Betriebsbedingungen gezeigt, dass auch mit einem lebensmittelverträglichen Hydrauliköl diese Zeiten der mineralölbasierten Hydrauliköle nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten werden.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil der VEU-F liegt darin, dass die Ölalterung weniger rasch voranschreitet. Unter der Annahme, dass der Preis für ein lebensmittelverträgliches Hydrauliköl bei 8 bis 10 EUR liegt, das Tankvolumen 1000 Liter beträgt, liegt alleine die Materialeinsparung durch jeden nicht notwendigen Ölwechsel so zwischen 8.000 und 10.000 EUR.

Umstellung auf H1-Hydrauliköle

Hydraulikanlagen können meist problemlos von mineralölbasischen Hydraulikölen auf PAO H1-Öle umgestellt werden. Das ist aber kein Freibrief. Denn trotz guter Mischbarkeit muss die Verträglichkeit der Additive überprüft werden. Ist diese nicht gewährleistet, können trotz Grundölverträglichkeit Kavitationsschäden an der Hydraulikpumpe auftreten. Zusätzlich besteht auch erhöhte Verschleißgefahr für die tribologisch beanspruchten Anlagenkomponenten.

Wurde bisher ein detergierendes HLPD oder ein zinkhaltiges HLP Hydrauliköl verwendet, so ist ein Umölprozess vorzunehmen. Unter Umständen muss der ganze Hydraulikkreislauf gespült werden. Erst wenn der Zink-Wert unter 15 ppm liegt, sollte die Anlage für die Produktion freigegeben werden.

Helmut Winkler, TMM Technik & Marketing München

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