Kunststoff macht Fahrräder nachhaltiger
Perspektivisch kann Kunststoff für alle Bauteile am Fahrrad eingesetzt werden und so den CO2-Ausstoß bei der Herstellung deutlich reduzieren – jüngstes Beispiel von der Eurobike: ein extrem leichter, stabiler und zu 100 % recycelbarer Fahrradlenker
Die Ressourcenschonung gewinnt auch in der Konstruktion und Produktion von Fahrrädern immer mehr an Bedeutung. Der Transport, die energieintensive Produktion und die spätere Entsorgung von Fahrrädern und Komponenten machen den größten Anteil des CO2-Fußabdrucks aus. Genau hier kommt jetzt zunehmend Kunststoff ins Spiel.
Jan Philipp Hollmann, Leiter der Sparte Bicycle Components bei Igus. „Wir sehen die Kunststoff-Technologie als neue Option für die Branche – perspektivisch für alle Bauteile in einem Rad. CO2-Reduzierung, Recycelbarkeit, Langlebigkeit und lokale Supply Chains werden immer mehr von unseren Kunden gefordert.“
Igus beliefert die Fahrradhersteller bereits seit über 30 Jahren mit Gleitlagern und anderen bewegten Komponenten und bietet heute eine breite Palette an Kunststoffprodukten an, zum Beispiel Kugellager, Kurbeln, Steuerkopflager oder einen Freilauf aus speziell entwickelten Hochleistungskunststoffen.
Doch das ist erst der Anfang, denn Forschung und Produktentwicklung laufen auf Hochtouren. Für Tests im hauseigenen Labor verfügt Igus bald über 25 Prüfstände nur für Fahrradkomponenten sowie umfangreiche Kapazitäten für die Herstellung von Werkzeugen und die Fertigung von eigens entwickelten und compoundierten Kunststoffen. Und so sollen schon bald Rahmen, Laufräder und Lenker folgen. Auch Sattelstütze und Sattelgestell sind bereits in Arbeit.
Kunststofflenker – stabil, energiesparend und recycelbar
Das erste Kundenprojekt aus dem erweiterten Labor hat Igus jetzt mit dem Fahrradhersteller Advanced realisiert, der als Pionier erfolgreich ein E-Bike der nächsten Generation auf den Markt gebracht hat. Der Clou liegt hier im Rahmen mit dem Namen Reco. Denn er besteht aus Kunststoff und ist zu 100 % recycelbar.
Um diesen Ansatz konsequent weiterzuverfolgen, kommt im Reco-Bike nun auch ein von Igus neu entwickelter Lenker zum Einsatz. Er wird in einem speziellen Fertigungsverfahren aus Hochleistungspolymeren hergestellt und besitzt dadurch eine genauso hohe Stabilität wie sein Pendant aus Aluminium. Allerdings benötigt die Produktion, die lokal bei Igus in Köln stattfindet, deutlich weniger Energie. Zudem ist der Lenker zu 100 % recycelbar.
Dank der Fertigung im Spritzgussverfahren ist er aus einem Guss, ohne störende Schweißnähte. „Diesen Herstellungsprozess für solche gebogenen Teile mit hoher Stabilität und Hohlräumen haben wir ganz neu entwickelt. Wir sind dadurch frei in der Wahl der Kunststoffe, können unterschiedliche Farben realisieren und sogar innen Durchführungen für Kabel und Züge schaffen”, erklärt Jan Philipp Hollmann.
Fahrrad komplett aus Recycling-Kunststoff
Die Entwicklung des Vollkunststoffahrrads, dem Igus-Bike, das auf der Hannover Messe 2022 vorgestellt wurde, schreitet in Kooperation mit dem Co-Entwickler MTRL aus den Niederlanden ebenfalls erfolgreich voran. Ein Vollkunststofffahrrad mit Rahmen und Rädern aus Post-Consumer-Waste wie Shampooflaschen und Fischernetze aus den Meeren.
Sämtliche Verschleißteile des Fahrrades bestehen aus den langlebigen Tribo-Polymeren von Igus. Das Ziel ist ein rost-, schmier- und wartungsfreies Rad, das komplett recycelt werden kann. Igus bezeichnet das Projekt als „Live-Testlabor für die Fahrradindustrie”.
Anfang September 2023 sollen die ersten Räder in Köln auf den Markt kommen. Das Ziel von Igus ist es, das Know-how rund um Kunststoffe in der Fahrradindustrie zu fördern und das Konzept mit vielen anderen Herstellern gemeinsam weiterzuentwickeln, um so die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe weltweit voranzutreiben. gk
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