Direkt zum Inhalt
Recycling 19. Oktober 2020

Künstliche Intelligenz analysiert Kunststoffmüll

Das Recycling-Projekt Recirce soll helfen, mit Künstlicher Intelligenz wertvolle Inhaltsstoffe aus dem Kunststoffmüll zu holen und so Ressourcen zu sparen.
Mit künstlicher Intelligenz, hochwertiger Sensortechnik und einem digitalen Produktpass sollen auch Kunststoffe aus komplexen Produkten im Kunststoffmüll erkannt und wieder verwertet werden können.
Mit künstlicher Intelligenz, hochwertiger Sensortechnik und einem digitalen Produktpass sollen auch Kunststoffe aus komplexen Produkten im Kunststoffmüll erkannt und wieder verwertet werden können.

Das Recycling-Projekt Recirce soll helfen, mit Künstlicher Intelligenz wertvolle Inhaltsstoffe aus dem Kunststoffmüll zu holen und so Ressourcen zu sparen.

Kunststoffmüll ist ein Problem, vor allem wenn der Kunststoff Teil eines komplexen Produktes ist, doch mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz soll dieses Problem jetzt gelöst werden. Mit dem Lösungsansatz Materialanalyse, -trennung und Recycling will das Projekt „Digital Lifecycle Record for the Circular Economy“ – kurz Recirce – mithilfe von Künstlicher Intelligenz ein umfassendes Recyclingverfahren entwickeln. Teil des Projektes ist ein digitaler Produktpass. Er soll Transparenz über die gesamte Wertstoffkette schaffen, um die Verwertung von Kunststoffen aus hochentwickelten Produkten zu erleichtern.

Komplexe Produkte im Kunststoffmüll identifizieren

Für die Wiederverwertung von Kunststoff in Form von Verpackungen, Folien oder Tüten ist zwar bereits eine Sortiertechnik mittels Nahinfrarot-Spektrometrie etabliert. Die Technik erkennt auch die häufigsten Polymere und kann sie automatisiert sortieren. „Aber das klappt nicht bei Kunststoffen aus komplexen Produkten mit sehr hoher Materialvielfalt, die vielleicht auch noch Schadstoffe enthalten“, erklärt Projektleiterin Dr. Christiane Plociennik, Mitarbeiterin am DFKI-Forschungsbereich „Innovative Fabriksysteme“.

Deshalb greifen Hersteller oft auf neues Kunststoffgranulat zurück, während die Recyclingprodukte aus Qualitäts- oder Kostengründen liegenbleiben. Dabei können die Molekülketten von Kunststoffen theoretisch bis zu 20-mal eingesetzt werden. Aber dafür muss der Recyclingprozess entscheidend verbessert werden.

Ad

Kombination von Sensortechnik, KI und digigalem Produktpass

„Wir wollen sensorgestützte Sortierverfahren mit den Möglichkeiten des maschinellen Lernens sowie unserem digitalen Produktpass kombinieren“, erklärt Plociennik. „Da setzt Recirce an.“ Das Projekt ist Teil des DFKI-Kompetenzzentrums KI für Umwelt und Nachhaltigkeit (DFKI4planet) und wird vom BMU im Rahmen des Förderprogramms „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen" gefördert.

Im Recirce-Projekt arbeiten das DFKI, die TU Darmstadt, die Firma Green Delta, die Fraunhofer-Einrichtung IWKS und das Unternehmen Papier-Mettler aus Rheinland-Pfalz zusammen. Die Fraunhofer-Einrichtung IWKS verfügt über eine Sortieranlage, die mittels Infrarottechniken und 3D-Objektkonstruktion die Zusammensetzung von Müll analysieren kann. „Im Projekt kommt nun noch KI dazu: Wir möchten die Anlage anhand von Sensordaten mit Methoden des maschinellen Lernens trainieren“, so Plociennik.

Künstliche Intelligenz soll einzelne Molekülketten erkennen

Zukünftig soll KI die einzelnen Molekülketten erkennen und den geschmolzenen Kunststoff so weiterbearbeiten, dass er in die jeweiligen Fraktionen zerfällt. Ziel sind vier oder fünf reine Sorten, deren Qualität mit Primärkunststoffen vergleichbar ist.

Das Unternehmen Papier-Mettler wird das neue Verfahren in der Praxis testen. Zunächst soll der Anteil von Rezyklaten bei Plastiktüten und einfachen Folien von derzeit 80 auf nahezu 100 % steigen. Der Einsatz von recyceltem Granulat ist später aber auch für hochwertige Industriefolien geplant.

Bisher erfahren Betriebe wie Papier-Mettler nur unzureichend, welche Inhaltsstoffe ein bestimmtes Produkt überhaupt enthält. Deshalb sortieren sie es im Zweifel aus. Die Folge: 2013 wurden 57 % der Kunststoffe verbrannt (energetische Verwertung). „Hier kann der geplante digitale Produktpass helfen“, sagt Plociennik. „Alle Beteiligten wären über alle Stationen des Stoffkreislaufs hinweg informiert, über Materialien, Verarbeitung und Entsorgung.“

Die aus dem Forschungsprojekt Recirce gewonnenen Erkenntnisse kommen über die Smart Factory Kaiserslautern der Industrie zugute. Dort werden sie im Partnerkreis technisch weiterentwickelt und Teil der Zukunftsvision Production Level 4. „Ressourceneffizienz ist ein wichtiger Punkt für die Unternehmen, aber auch für unsere Vorstellung von der Produktion der Zukunft“, erklärt Prof. Martin Ruskowski, Leiter des DFKI Forschungsbereiches Innovative Fabriksysteme und Vorstandsvorsitzender der Smart Factory-KL. „Ein digitaler Produktpass ermöglicht perspektivisch hoffentlich die Wiederverwertung aller Materialien.“ Doch dazu bedarf es der Mitwirkung vieler Unternehmen weltweit. „Bis dahin ist es natürlich noch ein weiter Weg“, sagt Plociennik. „Aber jede lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt!“

gk

Passend zu diesem Artikel