Direkt zum Inhalt
Additive 9. Januar 2019

Kühlkörper aus Kunststoff – geht das?

Füllstoffe machen Kunststoffe wärmeleitfähig. Doch nicht jeder Füllstoff eignet sich für Kunststoff-Kühlkörper in elektronischen Komponenten.
3M Bornitrid Pulver (REM Aufnahme) mit hochkristallinen Einzelplättchen für Thermal-Management-Anwendungen aus Kunststoff. Das Pulver ist eine wirtschaftliche Alternative zu Füllstoffen auf Metall- und Oxidbasis. Zudem bleibt der Kunststoff elektrisch isolierend.
3M Bornitrid Pulver (REM Aufnahme) mit hochkristallinen Einzelplättchen für Thermal-Management-Anwendungen aus Kunststoff. Das Pulver ist eine wirtschaftliche Alternative zu Füllstoffen auf Metall- und Oxidbasis. Zudem bleibt der Kunststoff elektrisch isolierend.

Füllstoffe machen Kunststoffe wärmeleitfähig. Doch nicht jeder Füllstoff eignet sich für Kunststoff-Kühlkörper in elektronischen Komponenten.

Große Stückzahlen, geringe Kosten und eine große Designfreiheit: Kunststoffe sind aus gutem Grund das Lieblingsmaterial moderner Konstrukteure. Doch im Bereich der Elektronik stoßen sie schnell an Grenzen: Denn Kunststoff ist nicht wärmeleitfähig. Doch elektronische Bauteile erfordern Materialien, die auf kleinstem Raum schnell und wirksam Wärme abführen können.

Bornitrid als wärmeleitender Füllstoff

Um hier dennoch Kunststoffe einsetzten zu können, versucht man, mit diversen Füllstoffen den Kunststoffen eine Wärmeleitung zu verpassen. Doch leider geht mit Zugabe des Füllstoff häufig auch die (gewünschte) elektrische Isolation des Kunststoff verloren.

Anders ist dies bei beim hexagonalen Bornitrid (h-BN), das 3M unter der Bezeichnung 3M Bornitrid Cooling Filler auf den Markt bringt. Hergestellt wird der Füllstoff von 3M Technical Ceramics in Kempten. Mit diesem Füllstoff hergestellte Kunststoffe eröffnen neue Möglichkeiten für montagefreundliche Lösungen zur Entwärmung leistungselektronischer Baugruppen.

Ad

Wärmeleitfähigkeit vergleichbar mit Kupfer

Denn Bornitrid besitzt eine Wärmeleitfähigkeit, die mit Kupfer vergleichbar ist. In der Mischung mit einem Thermoplast werden so Leitfähigkeiten auch über 10 W/mK erreicht. Darüber hinaus bietet der Füllstoff eine einzigartige Kombination von Anwendungseigenschaften. In der Kunststoffverarbeitung – Compoundierung, Extrusion, Spritzguss – ist er problemlos einsetzbar. Er verfügt über eine niedrige Dielektrizitätskonstante, ein sehr gutes elektrisches Isolationsvermögen, hohe Abriebbeständigkeit, keine Toxizität und gute Temperaturbeständigkeit.

Nach dem Stand der Technik werden zur Entwärmung in der Elektronik bisher vor allem metallische Kühlkörper aus Aluminium oder Kupfer eingesetzt. Da diese gleichzeitig auch elektrisch leitend sind, müssen die zu kühlenden Bauelemente und der Kühlkörper zum Beispiel mithilfe von Isolationsfolien elektrisch voneinander isoliert werden. Um die einzelnen Elemente miteinander zu verbinden, werden diese verschraubt, geklammert oder verklebt. Alles in allem geht die Herstellung von Leistungselektronik mit einer Vielzahl einzelner Komponenten und einem hohen Montageaufwand einher. Hinzu kommt, dass die unterschiedliche Wärmeausdehnung bei großflächig verklebten Verbindungen von Leiterplatte und metallischem Kühlkörper zu mechanischen Spannungen führen kann.

Montageaufwand und Werkzeugkosten reduziert

Viel einfacher wäre es, Kühlelemente sowie Funktionselemente aus einem wärmeleitfähigen, aber elektrisch isolierenden Kunststoff zu fertigen. Durch die Verwendung von Kunststoff anstelle von Metall reduzieren sich die Werkzeugkosten, da keine spanende Bearbeitung erforderlich ist. Auch eine elektrisch isolierende Zwischenschicht wird überflüssig. Und schließlich können zudem die Montageschritte aufgrund einer verringerten Anzahl von Bauteilen reduziert und automatisiert werden.

Die 90-Grad-Winkel geknickte Leiterplatte in einer LED-Taschenlampe integriert Leuchtdiode und elektronische Steuerungseinheit. Der Kühlkörper setzt sich zu 60 % aus PET und zu 40 % aus 3M Bornitrid Cooling Filler zusammen.
Die 90-Grad-Winkel geknickte Leiterplatte in einer LED-Taschenlampe integriert Leuchtdiode und elektronische Steuerungseinheit. Der Kühlkörper setzt sich zu 60 % aus PET und zu 40 % aus 3M Bornitrid Cooling Filler zusammen.

Wie dies in der Konstruktion praktisch umgesetzt werden kann, demonstriert 3M Technical Ceramics am Beispiel einer neuartigen LED-Taschenlampe. Im Gegensatz zu herkömmlichen LED-Lampen besteht sie aus lediglich zwei Bauteilen: einer Leiterplatte sowie einem Kunststoffkörper, der direkt per Spritzguss um die Leiterplatte geschmolzen wird.

Technisches Herzstück der Lampe ist eine im 90-Grad-Winkel geknickte Leiterplatte der Firma Häusermann. Dank ihres dreidimensionalen Designs sind hier eine leistungsstarke Leuchtdiode und die elektronische Steuerungseinheit in einer einzigen Platine integriert. Das Material für den wärmeleitenden Kunststoffkörper basiert auf einem Luvocom-Compound der Firma Lehmann+Voss. Mit seinem speziellen Know-how im Bereich der Compoundierung formuliert das Unternehmen maßgeschneiderte Werkstoffe für ganz spezielle Kundenanforderungen.

Der Kühlkörper für die LED-Taschenlampe setzt sich zu 60 % aus dem Kunststoff PET und zu 40 % aus 3M Bornitrid Cooling Filler zusammen. Bornitrid macht aus dem nicht wärmeleitfähigen Kunststoff einen zuverlässigen Wärmeleiter.

Flexibel in Form gebracht

In Sachen Formgebung wandte sich 3M Technical Ceramics an die Firma RF Plast, einen Spezialisten in der Entwicklung und Fertigung anspruchsvoller Kunststoffformteile. Da die Formgebung des Compound-Materials ausgesprochen flexibel ist, konnte ein einteiliges Design realisiert werden, welches die Kühlfunktion und die ergonomische Form der Taschenlampe miteinander vereint. Im Spritzguss lässt sich auch eine aufwändige Kühlrippenstruktur umsetzen, welche die Oberfläche des Geräts auf ein für die Kühlung notwendiges Maß vergrößert. Für die Fertigstellung der LED-Taschenlampe wird die Leiterplatte direkt mit dem Compound umspritzt. Weitere Montageschritte sind nicht erforderlich.

Die von der Leuchtdiode erzeugte Wärme wird einfach über den fest mit ihr verbundenen Kunststoffkörper abgeleitet. Die LED-Lampe mit der Lichtleistung einer 40 Watt Glühbirne erhitzt sich maximal auf unkritische 73 °C am LED Halbleiter und 40°C am Gehäuse. Ohne Bornitrid würde die Temperatur bei gleicher Lichtleistung auf weit über 150 °C ansteigen. Die LED würde überhitzt und somit zerstört werden.

Leicht zu verarbeiten

Kunststoffe mit Bornitrid-Beimischung lassen sich hervorragend spritzgießen: Sie füllen bei niedrigem Druck auch feine Cavitäten und sind nicht abrasiv. Spritzgusswerkzeuge werden dadurch nicht verschlissen. Kurzum: Bornitrid ermöglicht es, mit konventionellen Technologien in der Elektronik-Konstruktion neue Wege zu gehen.

Die Einsatz thermisch leitfähiger Kunststoffe in der Elektronik ist vielfältig: Wie am Beispiel der LED-Taschenlampe demonstriert, können die Polymere genutzt werden, um elektronische Funktionselemente zu umspritzen und damit gleichzeitig mechanisch zu fixieren.

Die Vorteile wärmeleitfähiger Kunststoffe können in vielen Bereich genutzt werden: In der Automobil-Elektronik für Sensoren, Heizsysteme, LED-Beleuchtung oder Elektromotor-Komponenten. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Unterhaltungselektronik, vom LED-Fernseher über Smart Phones bis zu Tablets.

mg

Passend zu diesem Artikel