Kleine Bolzen, große Wirkung
Gressel Spanntechnik will mit vier ans Werkstück geschweißten und am Ende abgefrästen Bolzen die Werkstück-Spannung auf den Kopf stellen. Kann dies gelingen?
Die Entwicklungsingenieure des Schweizer Spezialisten für Werkstück-Spanntechnik Gressel bringen mit einem Low-Cost-Nullpunkt-Spannsystem auf Basis von an Werkstücke anzuschweißende Stahl-Bolzen Bewegung in die Zerspaner-Szene. Gängige Praxis in der zerspanenden Metall- oder auch Kunststoffbearbeitung ist es, auf einem Maschinentisch ein Nullpunkt-Spannsystem zu installieren und jedes Werkstück in einer entsprechend kompatiblen, etwa mit Grip-Backen bestückten Spannvorrichtung aufzunehmen.
Je nach Beschaffenheit des Rohteils und der Bearbeitungsanforderungen wird selbstredend eine bestimmte Anzahl Spannvorrichtungen benötigt. Diese sind wiederum je nach Beschaffenheit und/oder Bearbeitungsprozess mit Wechselbacken auszurüsten. Dies bedeutet zum einen Kosten für den Kauf des Nullpunkt-Spannsystems, zum anderen stehen hohe Kosten für die Beschaffung einer bestimmten Anzahl von Spannmitteln an. Darüber hinaus ist ein nicht unerheblicher Rüstaufwand zu verzeichnen: Durch die Notwendigkeit des Abfräsens des für die Grip-/Präge-Spannung erforderlichen Materialaufmaßes (Endbearbeitung an der sechsten Werkstückseite) ergibt sich neben entsprechend höherem Materialeinsatz auch eine längere Bearbeitungszeit.
Nur noch ein Nullpunkt-Spannmodul
Die Spanntechnik-Alternative Bolt-IT entzerrt und vereinfacht diesen Prozess, in dem nur noch ein einziges Nullpunkt-Spannmodul erforderlich ist, das als universelles Spannsystem fortan bis zur Abmessung 160 x 160 mm unterschiedlichste Werkstücke reproduzierbar genau und prozess- also grundsätzlich sehr bearbeitungssicher aufnimmt, fixiert und spannt. Zwar verlagert sich die spanntechnische Vorbereitung der Werkstücke durch Positionieren/Setzen und Anschweißen von jeweils vier Stahlbolzen in die Vorfertigung oder Zuschnitt-Abteilung, jedoch vereinfacht sich der Bearbeitungsprozess bis hin zur kompletten Fertigbearbeitung an der sechsten Seite.
Die Vorbereitung gestaltet sich dabei wie folgt: Rohteil absägen oder als vom Stahlhandel zugeliefertes Rohteil in den Universal-Spannstock der Bolzenschweißmaschine einlegen, Startknopf drücken, die vier Bolzen werden vom X-Y-Koordinatensystem exakt positioniert und aufgeschweißt, Rohteil entnehmen, fertig. Für die Bearbeitung ist das Werkstück in das universell nutzbare Nullpunkt-Spannmodul einzulegen - es wird automatisch fixiert und gespannt. Durch die Flachbauweise des Nullpunkt-Spannmoduls und die nach unten (sechste Werkstückseite) „erhabene“ Aufnahme lediglich über die vier Schweißbolzen, ist eine komplette 5-Seiten- und teilweise auch 6-Seiten-Bearbeitung in einer Aufspannung möglich. Das Nullpunkt-Spannsystem fixiert und spannt das jeweilige Werkstück nach Unternehmensangaben dabei absolut präzise und sicher. Hinsichtlich Momenten-Belastung ist dabei auch schwerere Zerspanung erlaubt.
Keinerlei Rüstaufwand
Nach der Seitenbearbeitung werden in der zweiten Spannung als letztem Arbeitsschritt noch die vier Bolzen abgefräst und die Flächen- oder Kontur-Endbearbeitung vorgenommen. Intensive Untersuchungen vom Schweizer Institut inspire AG der ETH-Zürich belegen demnach, dass der Bearbeitungsprozess mit Bolt-IT reproduzierbar sicher und stabil ist. Zur Fertigbearbeitung muss nur ein Aufmaß von weniger als 0,5 mm abgetragen werden - bei einer Grip-Spannung sind mindestens 3,0 mm oder mehr Aufmaß abzutragen.
Im gesamten Bearbeitungsprozess soll sich so das Werkstück-Handling erheblich vereinfachen; zumal für die automatische Teilefertigung mittels Roboterunterstützung nur noch sehr einfache Standard-Tablare anstatt einer großen Anzahl an teilespezifischen Werkstückaufnahmen erforderlich sind. Durch die parallel erfolgte Entwicklung von Universal-Stahlbolzen kann eine große Anzahl von Stahl- und Alu-Materialien mit Schweißbolzen versehen werden, und der Anwender hat die Wahl, die Bolzenschweißanlage per Mietkauf zu erwerben.
Als Alternative können die Rohteile, bereits komplett versehen mit Universal-Bolzen, auch spannfertig von ausgewählten Stahlhandelspartnern bezogen werden. Geht es um die Bearbeitung größerer Werkstücke als die erwähnten 160 x 160 mm, werden anstatt einem eben zwei oder bis zu vier Nullpunkt-Spannmodule installiert, mehr ist nicht notwendig. Selbst in Bezug auf die Fertigungs-Automatisierung soll der Einsatz von Bolt-IT so Zeit und Geld sparen. Zum einen entfallen hierbei werkstückspezifische Spannmittel und des Weiteren etwa auch spezielle für Teilefamilien ausgelegte Robotergreifer.
Die Funktion der Bolzenspannung des Nullpunkt-Spannmoduls basiert außerdem auf der bewährten Gressel-Spanntechnik mit mechanischer Selbsthaltung. Lediglich ein Druckluft-Impuls ist dabei notwendig, um den Spann- oder den Entspann-Vorgang auszulösen. Damit eignet sich das neue Spanntechniksystem auch für die automatisierte Produktion, in dem die Nullpunkt-Spannmodule ganz einfach auf Paletten oder Spanntürmen installiert und ohne zusätzliche Energieversorgung betrieben werden können.
db
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