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Märkte 17. Juni 2020

Jobkiller Automatisierung?

Vom Trugschluss der Automatisierungs-Tücken: Aktuelle Studien beleuchten, wie sich die robotergesteuerte Prozessautomatisierung auf den Arbeitsmarkt auswirkt.

Vom Trugschluss der Automatisierungs-Tücken: Aktuelle Studien beleuchten, wie sich die robotergesteuerte Prozessautomatisierung auf den Arbeitsmarkt auswirkt.

Die Automatisierung polarisiert seit ihren Anfängen. Genauer gesagt, seit der Erfindung der Dampfmaschine und der dadurch ausgelösten Industrialisierung. Schon damals erleichterten Maschinen die Arbeit des Menschen und sorgten für mehr Effizienz bei der Produktion. Gleichzeitig schürten sie die Angst, Beruf und damit auch Einkommen zu verlieren.

Doch ist dem wirklich so? Unter anderem versucht die Studie Robotic Process Automation: Sonderanalyse zur Lünendonk-Studie „Der Markt für IT-Beratung und IT-Service in Deutschland“ von 2019 mit diesen Mythen aufzuräumen. Die Marktexperten werfen darin einen genaueren Blick auf die robotergesteuerte Prozessautomatisierung, kurz RPA. Dabei wird Software mit künstlicher Intelligenz und Machine-Learning-Fähigkeiten eingesetzt, um den Menschen zu entlasten. Genauer gesagt werden große Datenmengen dazu eingesetzt, um sich wiederholende Prozesse oder Aufgaben, welche bisher von Menschen ausgeübt wurden, zu bewältigen. Die Software imitiert sozusagen einen menschlichen Arbeiter und wird oftmals auch als Softwareroboter oder -bot bezeichnet.

Die Angst vor der Maschine

Was früher noch als Science-Fiction abgetan wurde ist heute schon real. „Durch die zunehmende Automatisierung von Prozessen sowie den Einsatz von Robotern und künstlicher Intelligenz kommt nun erneut die Sorge auf, dass Maschinen langfristig den Menschen ersetzen und aus dem Berufsleben verdrängen“, erklärt Alexander Steiner, Chief Solution Architect der Meta:Proc GmbH.

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Laut dieser Studie befindet sich RPA auf dem Vormarsch: 11 % der darin befragten Unternehmen setzen RPA bereits in großem Umfang ein. Weitere 27 % implementierten die Technologie zur Automatisierung von einzelnen Anwendungsbereichen. Zudem gaben 59 % an, in den Jahren 2019 und 2020 gezielt in diesen Bereich investieren zu wollen.

Die Zahlen gehen mit einem gewaltigen Wandel auf dem Arbeitsmarkt einher. Doch was heißt dies nun genau? Arbeitsplätze sind eher nicht gefährdet. Qualifiziertes Personal ist gefragt. Das prognostizieren zumindest die Analysten.

RPA schafft Mehrwert - auch ohne Stellen abzubauen

Kann RPA nun als Jobkiller angesehen werden? „Nur in den wenigsten Fällen“, verrät Steiner. „Und zwar immer genau dann, wenn Unternehmen Robotic Process Automation offensiv zum Stellenabbau nutzten. Diese Strategie erweist sich allerdings als nicht empfehlenswert, denn sie läuft auf einen Verlust der gesamten Belegschaft hinaus – auch von jenen, deren Arbeit von Bots profitiert.“

Der Fachkräftemangel herrscht nicht erst seit heute vor. Deutsche Firmen müssen deshalb bei Kündigungen bedacht agieren. Eher noch versuchen sie ihr Personal von repetitiven Aufgaben zu befreien, es und auf seine Kernkompetenzen zu fokussieren. In der IDG Studie: „Process Mining & RPA“ aus dem Jahre 2019 gaben 61,5 % der Unternehmen an, RPA bereits in ihre Arbeitsabläufe integriert zu haben. Bestehende Ist-Prozesse zu optimieren und standardisieren ist einer der Gründe. Unternehmen erhoffen sich dadurch insbesondere die Bereiche Umsatz, Kosteneffizienz und Kundenzufriedenheit weiter zu optimieren. RPA einzusetzen, um Stellen abzubauen, nennen demnach keine der befragten Unternehmen.

Angesichts neuester Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erscheint ein Stellenabbau auch überhaupt nicht möglich: Im ganzen Jahr 2019 leistete die Gesamtzahl der Beschäftigten in Deutschland mehr als 1,9 Mrd. Überstunden.

 „Dieses durch Arbeitsplatzstreichung entstehende Vakuum könnte auch Automation nicht auffangen“, warnt Steiner. Zudem sieht das Forschungsinstitut ISG den Sourcing Markt auf Rekordhöhe. Der Outsourcing-Markt stieg demnach in der EMEA-Region im ersten Quartal 2020 um fast 4 %. Ein weiteres Risikoszenario für Unternehmen. Durch viele Kündigungen würden diese mittelfristig das Know-how für sehr komplexe Abläufe in den ausgelagerten Bereichen nach und nach verlieren. Dadurch entstehen Brüche in Prozessketten, die ihnen die Arbeit in den Kernbereichen erschweren.

Automatisierung schafft Arbeitsplätze

Trotz RPA mangelt es in deutschen Unternehmen nicht an Beschäftigung. Bereits in der Vergangenheit zeigte sich, dass Arbeitnehmer nicht fürchten müssen, von Bots verdrängt zu werden. Als die große Welle der Automatisierung hauptsächlich über die Industrie kam, verschlankten sich ganze Fertigungslinien unter den kritischen Augen der Angestellten. Nach 30 Jahren Automatisierung steht jedoch fest: In Deutschland gibt es mehr Jobs als jemals zuvor. Das jedenfalls geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor (Genesis-Online Datenbank 2020).

„Durch RPA heben Unternehmer ihr Leistungsniveau nach oben und um dieses langfristig zu halten, benötigen sie wiederum mehr Personal“, sagt der Chief Solution Architect von Meta:Proc. Die Arbeitswelt verändert sich dennoch rasant. Einfache Aufgaben fallen weg. Mitarbeiter müssen dies akzeptieren. Hier gilt es, ihnen auch saubere Perspektiven aufzuzeigen.

„Vorausschauendes Change-Management stellt sich dabei als Schlüssel zum Erfolg heraus“, sagt Steiner. „Transparenz und eine klare Kommunikation gegenüber der Belegschaft helfen Ängste abzubauen und die gesamte Firma in ein Boot zu holen.“ RPA kann nur mit dem Faktor Mensch gelingen. Er bleibt unverzichtbar. Nur so können Kunden-, aber auch Mitarbeiterzufriedenheit deutlich gesteigert werden.

Der Mensch ist und bleibt unabdingbar

Auch in mittelständischen Unternehmen fallen große Mengen an digitalen Daten An. Viel zu viele für das menschliche Gehirn. Ein Bot allerdings zeigt sich fähig, auch diese Massen in einen Kontext zu bringen, zu verarbeiten und verständlich auszugeben. Er kann den Menschen aber nicht ersetzen. Irgendwann stößt auch er an seine Grenzen. Spätestens dann, wenn eine Aufgabe Kreativität und Flexibilität erfordert.

„Es wird immer Bereiche geben, in denen RPA trotz künstlicher Intelligenz an ihre Grenzen stößt“, weiß Steiner. „Trotzdem sorgt sie für eine Verbesserung in diesen Domänen, indem sie Kapazitäten für das Personal freischaufelt. Bots übernehmen die zeitaufwendigen Routineaufgaben und der Mensch kann sein volles Potenzial auf sein Spezialgebiet konzentrieren.“

Schlussendlich vernichtet RPA keine Arbeitsplätze. RPA schafft vielmehr neue Herausforderungen in anspruchsvollen Themengebieten. Das macht qualifiziertes Personal noch wichtiger als je zuvor.

db

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