Direkt zum Inhalt
News 28. März 2017

"Grenzenloser" Leichtbau

Die mehr als 200 Teilnehmer des Landshuter Leichtbau-Colloquiums aus Deutschland, Österreich und der Europa-Region Donau-Moldau kamen voll auf ihre Kosten: In 44 Vorträgen mit Themen von der Materialcharakterisierung bis hin zum automatisierten Fertigungsverfahren sowie einer begleitenden Fachausstellung mit der Rekordzahl von 30 Ausstellern erhielten sie einen fachlich tiefen aber auch breiten Einblick in die Neuerungen des Leichtbaus. Hier eine Zusammenfassung aus Kunststoffsicht.
Volle Ränge bereits beim Auftakt des 8. Landshuter Leichtbau-Colloquiums
Volle Ränge bereits beim Auftakt des 8. Landshuter Leichtbau-Colloquiums

Die mehr als 200 Teilnehmer des Landshuter Leichtbau-Colloquiums aus Deutschland, Österreich und der Europa-Region Donau-Moldau kamen voll auf ihre Kosten: In 44 Vorträgen mit Themen von der Materialcharakterisierung bis hin zum automatisierten Fertigungsverfahren sowie einer begleitenden Fachausstellung mit der Rekordzahl von 30 Ausstellern erhielten sie einen fachlich tiefen aber auch breiten Einblick in die Neuerungen des Leichtbaus. Hier eine Zusammenfassung aus Kunststoffsicht.

Im ersten Plenumsvortrag zeigte Prof. Dr.-Ing. Peter Middendorf vom Institut für Flugzeugbau IFB der Universität Stuttgart anwendungsübergreifende Trends für CFK-Technologien auf; dies anhand der drei Entwicklungstrends Low Cost Carbonfasern, automatisierte Produktion und Industrie 4.0. Dabei könnten auch so unterschiedliche Branchen wie der Flugzeugbau – geprägt durch kleine Stückzahlen, High Performance Materialien sowie Handarbeit – und die Automobilbranche, mit ihren kurzen Taktzeiten und hohem Automatisierungsgrad, voneinander lernen.

Bei Carbonfaserverbunden liege der Kostenanteil des Materials bei rund 50 %, besonders bei den Heavy Tow-Fasern habe sich, ausgelöst durch die Automobilindustrie, viel bewegt. Diese seien kostengünstiger und moderne Heavy Tows könnten durch den Spreizprozess auch in der Luftfahrt eingesetzt werden. Auch bei den Prozessen, die für die zweite Hälfte der Kosten von Carbonfaserverbunden verantwortlich sind, könnten die Ausgaben gesenkt werden.

Prof. Dr. Gerald Pinter, Montanuniversität Leoben, (l.) mit dem Initiator des Landshuter Leichtbau-Colloquiums Prof. Dr. Otto Huber, Leiter des Clusters und des Kompetenzzentrums Leichtbau der Hochschule Landshut
Prof. Dr. Gerald Pinter, Montanuniversität Leoben, (l.) mit dem Initiator des Landshuter Leichtbau-Colloquiums Prof. Dr. Otto Huber, Leiter des Clusters und des Kompetenzzentrums Leichtbau der Hochschule Landshut

Dass dies möglich ist, hätte das Kooperationsprojekt "Low-cost Flexible Integrated Composite Process" gezeigt, dessen Ziel die Entwicklung eines neuen, automatisierten Faserverbund-Fertigungsprozesses mit geringen Investitionskosten und niedrigem Energieverbrauch war. Dabei wurden ein neues Snap-cure Prepreg, automatisierte Ablegeverfahren sowie eine Produktionszelle für großflächige Faserverbund-Bauteile entwickelt und die Front Wall eines LKW-Aufliegers als Demonstrator produziert. Insgesamt spiele dabei die Simulation eine bedeutende Rolle, deren Daten im Sinne von Industrie 4.0 auch an die Fertigungstechnik weitergegeben werden müssten.

Ad

Wie wichtig bei Weiterentwicklungen von Materialien das Grundverständnis der Werkstoffe ist, beleuchtete Prof. Dr. Gerald Pinter, Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Prüfung der Kunststoffe, Montanuniversität Leoben, in seinem Vortrag "Innovative Werkstoffprüfung als Schlüssel zur Ausnutzung des Leichtbaupotenzials von Composites". Der Siegeszug der Composites bedeute auch eine Herausforderung, wie er darin betonte. Die Bauteilentwicklung müsse werkstoffoptimiert erfolgen, um Kosten senken zu können. Basis hierzu sei das Verstehen der Eigenschaften von Werkstoffen.

So würden zum Beispiel bei anisotropen Werkstoffen wie kurzfasrige CFKs 21 Konstanten eine Rolle spielen, um das Material beschreiben zu können. Bei orthotropen Materialien müssen beispielsweise neun Ingenieurskonstanten experimentell ermittelt werden. Mittels Mikromechanik und FEM würden aber relevante Eigenschaftsparameter berechenbar. An Beispielen wie einer Materialkarte für die Crashbelastung für Glasfasergewebe oder die Betriebsfestigkeit bzw. Ermüdung von Laminaten oder der Composite-Composite Verbindungstechnik zeigt er, wie auf Basis von Voruntersuchungen und des Verstehens von Materialeigenschaften Bauteile werkstofforientiert entwickelt werden können.

In drei parallelen Sessions konnten sich die Teilnehmer, "die Macher des Leichtbaus, an die sich das Colloquium richtet", wie Prof. Dr. Otto Huber erläuterte, über die vielfältigen neuen Forschungserkenntnisse und Praxislösungen informieren und diese diskutieren. Neue Erkenntnisse über Werkstoffe und deren Eigenschaften wurden von Aerogelen (Paris Lodron Universität Salzburg) über naturfaserverstärkte Kunststoffe (C.A.R.ME.N e.V., Straubing) und Sandwichbauteile aus Aluminiumschaumkern (Fraunhofer IWU, Chemnitz) bis hin zu Faserkunststoffverbunde auf Basis rezyklierter Kohlenstofffasern (Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V., Chemnitz) und Leichtbaumetallen präsentiert.

Fragen der Verbindungstechnik, wie die gießtechnisch Realisierung neuartiger Aluminium-Faserverbunde (Fraunhofer IFAM, Bremen) oder optimierte Verbindungstechnik bei Additiver Fertigung (Universität Siegen) wurden thematisiert. Auch der Einfluss von Fertigungsverfahren auf Festigkeit und Steifigkeit von CFK am Beispiel von Torsionsrohren (Universität der Bundeswehr München) oder das Festigkeits- und Ermüdungsverhalten gebohrter CFK-Laminate (Hochschule Aalen) wurde dem Fachpublikum vorgestellt.

30 Aussteller präsentierten in Landshut ihre Leichtbau-Lösungen, hier Engel aus St. Valentin in Österreich.
30 Aussteller präsentierten in Landshut ihre Leichtbau-Lösungen, hier Engel aus St. Valentin in Österreich.

Fortentwicklungen von Produktionsprozessen genossen viel Aufmerksamkeit beim Fachpublikum, beispielsweise das Nasspressverfahren von Faserverbundwerkstoffen mit Polyurethanmatrix (Hochschule München), die Verfahrensoptimierung des RTM-Prozesses (BMW Group, Landshut), die Lasertechnik bei Materialhybriden aus Kunststoff und Metall (Fraunhofer LBF, Darmstadt) oder die optimierte Verarbeitung von Organoblechen durch hochdynamische Regelung der Infrarot-Heizstation (Kraus Maffei Automation GmbH, Oberding-Schwaig).

Praxisbeispiele wie ein funktionsintegrierter Leichtbaulenker (Fraunhofer LBF, Darmstadt), die Leichtbaukonstruktion einer Bremsscheibe durch ressourceneffizientes Multi-Material-Design (cedas GmbH, Ingolstadt) bis hin zur Entwicklung einer CFK Struktur im Fahrwerk wurden vorgestellt. Letztere ist ebenso für die Serienfertigung gedacht, wie Bauteile aus High-Performance Polypropylene, die zusätzlichen Leichtbau bei gleichzeitiger Kostenersparnis versprechen und die bereits produziert werden (beide MAN Truck & Bus AG, München). Auch der von KTM Technologies vorgestellte Innovative Produktionsprozess CAVUS für Composites, der die Herstellung komplexer Hohlbauteile ermöglicht, sowie die Additive CFK-Stack Herstellung für die Großserie (Compositence GmbH, Leonberg) boten hier interessante Ansätze.

Neben den technisch fundierten Fachvorträgen gab es beim Gang durch die Leichtbau-Labore der Hochschule Landshut und der Fachausstellung reichlich Gelegenheit zum Knüpfen von neuen Kontakten, zum Informationsaustausch und zur Diskussion, was von den Fachteilnehmern intensiv wahrgenommen wurde.

gk

Passend zu diesem Artikel

Mehr als 40 Referate in drei parallelen Sessions bieten an zwei Tagen Einblicke in aktuelle Entwicklungen des Leichtbaus.
News
Leichtbau grenzenlos
Das 8. Landshuter Leichtbau-Colloquium hat sich einen länder-, branchen- und auch technologieübergreifenden Austausch bei Entwicklungen im Leichtbau zum Ziel gesetzt. Es steht unter dem Titel "Leichtbau grenzenlos" und findet am 8. und 9. März 2017 an der Hochschule Landshut statt.