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Technik 26. Juni 2017

Bionischer Pavillon aus Kunststoff-Faser-Verbund

Eine Apfelblatt-Motte inspiriert neuartige Faserverbund-Fertigungsprozesse, mit denen jetzt ein Pavillon aus carbon-glasfaser-verstärkten Verbundwerkstoffen konstruiert wurde.
Pavillon im Innenhof der Universität Stuttgart: Etwa 184 km Carbon- und Glasfaser wurden in der bionischen Konstruktion verarbeitet.
Pavillon im Innenhof der Universität Stuttgart: Etwa 184 km Carbon- und Glasfaser wurden in der bionischen Konstruktion verarbeitet.

Eine Apfelblatt-Motte inspiriert neuartige Faserverbund-Fertigungsprozesse, mit denen jetzt ein Pavillon aus carbon-glasfaser-verstärkten Verbundwerkstoffen konstruiert wurde.

Die Sigrafil 50k-Carbonfaser der SGL Group ist eine Large-Tow-Faser der neuen Generation, die sich für für automatisierte Fertigungsprozesse besonders eignet. Sie wird daher bereits serienmäßig unter anderem im BMW i3, i8 und im neuen 7er BMW eingesetzt.

Das Institut für Computerbasiertes Design (ICD) und das Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart untersuchen derzeit einen neuartigen Fertigungsprozess für architektonische Strukturen auf Basis der 50k-Carbonfaser. Eine erste Installation aus diesem Projekt ist aktuell im Innenhof der Universität Stuttgart zu sehen. Zur Realisierung des Pavillons wurden insgesamt 104 km Carbonfaser vom SGL-Standort Moses Lake im US-Bundesstaat Washington nach Stuttgart geliefert.

Bionische Konstruktion

Im Fokus des Projekts steht die Untersuchung natürlicher biologischer Konstruktionsprozesse langfaseriger Verbundstrukturen. Als Vorbild dient hierbei die Larve der Apfelblatt-Motte ("Lyonetia Clerkella"), die sich an Kirsch- oder Apfelbaumblättern unter Anwendung langer Fäden einen Kokon spinnt. Die spezielle Technik der Larve versuchen nun die Forscher des ICD und des ITKE gemeinsam mit Studenten des Masterstudiengangs ITECH auf die Konstruktion architektonischer Strukturen aus carbon-glasfaser-verstärkten Verbundwerkstoffen zu übertragen und einen neuen Fertigungsprozess für Faserverbundkonstruktionen zu entwickeln.

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Fertigungsaufbau des ICD/ITKE Forschungspavillons. Kooperierende Robotersysteme fertigen ein freitragendes Element mit ca. 12 m Spannweite und einer Breite von 3 m.
Fertigungsaufbau des ICD/ITKE Forschungspavillons. Kooperierende Robotersysteme fertigen ein freitragendes Element mit ca. 12 m Spannweite und einer Breite von 3 m.

Die hohe Belastbarkeit und Festigkeit der Carbonfaser bei gleichzeitig geringem Gewicht ermöglichen Verarbeitungsprozesse mit mehreren Roboter-Systemen, die untereinander kommunizieren und mit höchster Präzision die Fasern bearbeiten und dabei hohe Spannkräfte verarbeiten können. Dieser Ansatz ermöglicht einen skalierbaren Fabrikationsprozess für weit spannende Faserverbundkonstruktionen, wie sie künftig in architektonischen Konstruktionen Anwendung finden könnten.

Glasfaser für die Form, Carbonfaser für die Last

"In diesem Fall verwenden wir die Glasfaser als reines Formwerk, über das die Carbonfaser gelegt wird. Der Lastabtrag sowohl in zug- als auch druckbeanspruchten Teilen erfolgt hauptsächlich über die Carbonfaser. Der Pavillon legt durch seine weit auskragende Form ein besonderes Augenmerk auf die Möglichkeiten, die dieses Material bietet", so Benjamin Felbrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter des ICD.

Andreas Wüllner, Leiter des Geschäftsbereichs Composites Fibers and Materials (CFM) der SGL Group: "Für uns als Unternehmen ist die ständige Weiterentwicklung der Prozesse zur Verarbeitung von Carbonfasern ein wichtiges Thema, daher stehen wir in regem Austausch mit den Projektbeteiligten der Universität Stuttgart. Darüber hinaus unterzieht die Konstruktion des Pavillons unsere Endlosfaser einer Belastungsprobe in der Praxis und stellt ihre Vorteile und einzigartigen Eigenschaften unter Beweis."

mg

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