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News 3. September 2018

Zuse als Marke für Forschung, die ankommt

Was steckt hinter der Zuse-Forschungsgemeinschaft und wie ist die Kunststoffbranche involviert? Ein Interview mit Präsidiumsmitglied Prof. Martin Bastian.
Prof. Dr.-Ing. Martin Bastian, Institutsdirektor im SKZ und Präsisiumsmitglied der Zuse-Gemeinschaft: "Die Forscher sprechen die Sprache des Mittelstands: praxisnah, zugänglich und fair."
Prof. Dr.-Ing. Martin Bastian, Institutsdirektor im SKZ und Präsisiumsmitglied der Zuse-Gemeinschaft: "Die Forscher sprechen die Sprache des Mittelstands: praxisnah, zugänglich und fair."

Was steckt hinter der Zuse-Forschungsgemeinschaft und wie ist die Kunststoffbranche involviert? Ein Interview mit Präsidiumsmitglied Prof. Martin Bastian.

Neben Fraunhofer und Max Planck wird seit einiger Zeit im Zusammenhang mit Forschungsprojekten immer häufiger Zuse genannt. Wir sprachen mit Prof. Martin Bastian, Instituts­leiter des SKZ und Präsidiums­mitglied der Zuse-Gemeinschaft, über die Aufgaben der Zuse-Forschungsgemeinsschaft und aktuelle Kunststoffprojekte am SKZ.

Herr Professor Bastian, immer häufiger taucht der Name "Zuse-Gemeinschaft" bei uns auf. Um was handelt es sich dabei?

Prof. Maritin Bastian:

Die Zuse-Gemeinschaft vertritt die Interessen unabhängiger privat­wirtschaftlich organisierter Forschungseinrichtungen. Dem technologie- und branchenoffenen Verband gehören derzeit bundesweit über 70 Institute an. Als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sind die Mitgliedseinrichtungen der Zuse-Gemeinschaft rechtlich und wirtschaftlich unabhängig und gehören weder den öffentlich und institutionell geförderten Großforschungs­verbünden noch einzelnen Unternehmen an.

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Die Initiative zur Gründung der Industrieforschungsgemeinschaft im Januar 2015 ging von den Instituten selbst aus. Sie gaben sich damit erstmals eine gemeinsame Stimme und Vertretung. Die Institute zeichnen sich durch praxis­orientierte Forschung für mittelständische Unternehmen aus. Im Bereich Kunststoffe sind neben dem SKZ zum Beispiel das IKV – Institut für Kunststoffverarbeitung, das KUZ – Kunststoff-Zentrum Leipzig und das TITK – Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung Mitglied der Zuse-Gemeinschaft.

Also noch ein Verband – gibt es davon nicht schon genug?

Bastian:

Im Gegensatz zu den Hochschulen und geförderten Institutsgroßverbünden von Bund und Ländern fehlt den vom Bund nicht grundfinanzierten Instituten bislang die politische Unterstützung – in Zeiten, in denen der deutsche Mittelstand zunehmend an Innovationskraft verliert.

Daher benötigen die Institute der Zuse-Gemeinschaft die bundesweite Etablierung einer gezielten und dauerhaften Förderung. Weiterhin muss den Instituten der mittelständisch geprägten Forschung gleichberechtigter Zugang zu allen Förderprogrammen des Bundes bei vergleichbaren Förderbedingungen gewährt werden. Deshalb ist es eine Kernaufgabe der Zuse-Gemeinschaft, die gemeinsamen Anliegen dieser Institute gegenüber Bund, Ländern, der Wirtschaft und anderen Wissenschaftsorganisationen bei Fördermittelgebern und in der Öffent­lichkeit zu vertreten. Ein solches Sprachrohr wird erstmals durch die Zuse-Gemeinschaft ermöglicht.

Wie ist die Zuse-Gemeinschaft mit der Industrie verknüpft?

Bastian:

Als praxisnaher Ideen­geber des deutschen Mittelstands übersetzen die Forscher der Zuse-Institute die Erkenntnisse der Wissenschaft in anwendbare Technologien und bereiten so den Boden für Innovationen, die den deutschen Mittelstand weltweit so erfolgreich machen.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Bastian:

Erfolgsbeispiele der Zuse-Gemeinschaft sind etwa die Entwicklung des Ebola-Schnelltests oder auch die einer akustischen Kamera. Die von der GFaI e.V. entwickelte akustische Kamera ist ein industrietaugliches Mess­system zum Lokalisieren akustischer Emissionen. Lärm- und Geräuschquellen werden sichtbar gemacht – sowohl im Innenraum als auch im freien Gelände.

Auch das SKZ hat viele Erfolgsbeispiele im Repertoire. So werden am SKZ individuelle Medizinprodukte mittels Additiver Fertigung hergestellt, neue Leichtbaumöglichkeiten durch Faserverbundkunststoffe geschaffen oder nachwachsende Rohstoffe wie Holz in Kombination mit Kunststoff in umweltfreundlichen Bauprodukten verwendet, bei gleichzeitiger Verbesserung der Bauteileigenschaften. Es werden auch neue Verfahren entwickelt, um Kunststoffprodukte gefahr- und kontaktlos zu durchleuchten.

Das heißt, Sie entwickeln am SKZ unter anderem auch praxisnahe medizintechnische Lösungen?

Bastian:

Heutige Orthesen, Prothesen und andere Medizinprodukte sind in ihrer Herstellung kosten- und vor allem zeitintensiv, da sie in Handarbeit hergestellt werden und eine aufwendige Nachbearbeitung erfordern. Eine weitere Problematik ist das vergleichsweise hohe Gewicht. Zur Lösung solcher Herausforderungen werden am SKZ Verfahren auf Basis der Additiven Fertigung entwickelt.

Mit diesen ist es möglich, individuelle Medizinprodukte pass­genau herzustellen. Nach einem 3D-Scan des Körperteils können die Produkte im Verfahren der Additiven Fertigung einfach gedruckt werden. Dadurch wird – im Vergleich zu konventionellen Verfahren – eine verbesserte Passform bei gleichzeitig geringerem Gewicht erreicht. Weiterhin werden die Herstellungszeiten und -kosten deutlich reduziert.

Sie haben das Thema "umwelt­freundliche Produkte" erwähnt. Können Sie dies noch weiter ausführen?

Bastian:

Für Infrastrukturprodukte­ wie etwa Kabelschächte werden üblicherweise glasfaserverstärkte Kunststoffe eingesetzt. Das SKZ machte sich zusammen mit seinem Industriepartner auf die Suche nach Alternativen für fossile Rohstoffe, um ökologisch wertvolle Produkte zu entwickeln. Ziel war die Entwicklung einer neuen Kunststoffrezeptur mit einem bedeutenden Anteil an nachwachsenden Rohstoffen, einemHolz-Kunststoff-Gemisch. Diese kann zur Herstellung von komplexen und geschäumten Großbauteilen im Spritzgießverfahren verwendet werden.

Das Ergebnis der Forschung war eine neue Holz-Kunststoff-Rezeptur mit einem großen Anteil nachwachsender Rohstoffe von 45 Prozent. Diese zeichnet sich nicht nur durch eine Reduktion der Umweltbelastungspotenziale aus, sondern zeigt gleichzeitig verbesserte mecha­nische Eigenschaften, eine niedrige Wasseraufnahme, Beständigkeit gegenüber holzzerstörenden Pilzen und eine Reduktion der Verarbeitungstemperatur auf.

Für die Untersuchungen wurde das SKZ zusammen mit dem Unter­nehmen Langmatz GmbH, Garmisch-Partenkirchen, mit dem dritten Platz des WPC-Innovationspreises 2013 und dem dritten Platz beim Green Tec Award 2015 ausgezeichnet.

Die Zuse-Gemeinschaft verfolgt den Leitsatz "Forschung, die ankommt". Können Sie dies an einem Projekt aufzeigen?

Bastian:

Mit dem Ziel, die Röntgen- und Ultraschalltechnik zur zerstörungsfreien Prüfung zugunsten der kontaktlosen Inline-Qualitätsüberwachung abzulösen, hat das SKZ zusammen mit verschiedenen Unternehmen die Terahertz- Messtechnik maßgeblich weiterentwickelt. Dabei wurde innerhalb von zehn Jahren der komplette Weg vom Labor an die Fertigungslinie beschritten: Akademische Grundlagenforschung, vorwettbewerbliche industrielle Gemeinschaftsforschung – IGF, geförderte industrielle Entwicklungskooperation – ZIM – und final bilaterale Auftragsentwicklung für die Industrie.

Dadurch war es möglich, die Systemkosten und Bauvolumen solcher Systeme sehr, sehr deutlich zu verringern und gleichzeitig die Robustheit und Messgeschwindigkeit zu erhöhen. Somit kann die Technik jetzt zum Serieneinsatz in rauer Industrieumgebung verwendet werden.

Zum Verfahren wurden übrigens sechs Schutzrechte ausnahmslos von Unternehmen übernommen sowie diverse Auszeichnungen vergeben wie beispielsweise der Patent Award 2008 und der Otto von Guericke-Preis der AiF 2009. Seitens der AiF wurden die Arbei­ten für den deutschen Zukunftspreis 2016 nominiert.

Das Präsidium der Zuse-Gemeinschaft (v. l. n. r.): Prof. Wolfgang Nebel, Dr. Steffen Tobisch, Dr. Bernd Grünler, Dr. Ralf-Uwe Bauer, Anke Schadewald, Prof. Martin Bastian, Prof. Christian Hopmann
Das Präsidium der Zuse-Gemeinschaft (v. l. n. r.): Prof. Wolfgang Nebel, Dr. Steffen Tobisch, Dr. Bernd Grünler, Dr. Ralf-Uwe Bauer, Anke Schadewald, Prof. Martin Bastian, Prof. Christian Hopmann

Wie kommt da jetzt die Zuse-Gemeinschaft ins Spiel?

Bastian:

Bei all diesen Projekten gilt das Motto der Zuse-Gemeinschaft: Wir betreiben Forschung, die ankommt. Das heißt, die Forscher dieser Institute sprechen die Sprache des Mittelstands: praxisnah, zugänglich und fair. Sie liefern Unternehmenspartnern Ideen, branchenübergreifende Forschungsdienstleistungen und Wissen und übersetzen so die Erkenntnisse aus der Wissenschaft in anwendbare Technologien und bereiten den Boden für vermarktbare Innovationen. Dadurch wird aus Wissen wirtschaftlicher Erfolg. Dieses Wissen steht den Partnern der Zuse-Institute diskriminierungsfrei zur Verfügung.

Wie und wann kann man sich über die Zuse-Gemeinschaft informieren?

Bastian:

Informieren können sich Interessenten über die Homepage www.zuse-gemeinschaft.de. Eine besondere Möglichkeit, sich zu informieren, bietet dieses Jahr aber auch der Zuse-Tag.

Hier öffnen am 20. September 2018 mehr als 50 Zuse-Institute ihre Pforten für Bevölkerung, Politik und Industrie. Auch das SKZ zusammen mit dem Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung – ZAE, also die beiden Würzburger Institute der Zuse-Gemeinschaft, beteiligen sich an der bundesweiten Leistungsschau. Sie öffnen ihre Tore für Bevölkerung und Politik.

Neben der Möglichkeit, moderne Forschung im Rahmen von Führungen direkt zu erleben, gibt es die Gelegenheit, sich bei Vorträgen über aktuelle Branchenthemen zu informieren. Diese beschäftigen sich beispielsweise mit der Nachhaltigkeit von Kunststoffen und mit der Frage, inwieweit es sinnvoll ist, Kunststoff zu vermeiden oder Kunststoff einzusetzen.

Ein anderer Vortrag befasst sich mit der Bedeutung von Kunststoffen im 21. Jahrhundert am Beispiel von 3D-Druck und den vielfältigen Möglichkeiten dieses neuen Ferti­gungsverfahrens. Auch zum Thema Energie gibt es aktuelle Themen, zu denen sich die Besucher informieren können – beispielsweise zur Energiewende oder zu Chancen und Herausforderungen energieeffizienter Gebäude.

gk

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