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News 12. Februar 2020

Warum Fanuc derzeit gerade in Europa massiv investiert

Exklusivinterview mit Shinichi Tanzawa, CEO von Fanuc Europe, zur Bedeutung des europäischen Marktes für Fanuc und den Zielen der gewaltigen Investitionen
Shinichi Tanzawa, President & CEO der Fanuc Europe Corporation: „Für eine hohe Zufriedenheit unserer Kunden betreiben wir einen gewaltigen Aufwand, damit unsere Maschinen über viele Jahre zuverlässig funktionieren.“
Shinichi Tanzawa, President & CEO der Fanuc Europe Corporation: „Für eine hohe Zufriedenheit unserer Kunden betreiben wir einen gewaltigen Aufwand, damit unsere Maschinen über viele Jahre zuverlässig funktionieren.“

Exklusivinterview mit Shinichi Tanzawa, CEO von Fanuc Europe, zur Bedeutung des europäischen Marktes für Fanuc und den Zielen der gewaltigen Investitionen

Fanuc will seine Marktposition in Europa ausbauen und investiert dazu in sechs Jahren 200 Mio. EUR in die europäischen Tochtergesellschaften. In einem Exklusivinterview mit Shinichi Tanzawa, President & CEO der Fanuc Europe­ Corporation, haben wir die Strategie und die Ziele mit Blick auf die Kunststoffverarbeitung hinterfragt.

Herr Tanzawa, Fanuc hat in den letzten drei Jahren rund 100 Millionen Euro in den Ausbau der europäischen Tochtergesellschaften investiert und Ende letzten Jahres erklärt, dass weitere 100 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren folgen werden. Ein Zeichen für die künftige Bedeutung des europäischen Marktes für Fanuc?
Shinichi Tanzawa: Der europäische Markt ist schon jetzt sehr wichtig für Fanuc. Wir erwirtschaften hier ungefähr 20 Prozent unseres weltweiten Umsatzes. Europa liegt damit gleichauf mit Amerika und China und ist deshalb ein wichtiger­ Teil unseres Geschäfts. Allerdings ist unser Marktanteil in Europa noch vergleichsweise gering. Bei unseren CNC-Steuerungen haben wir in Europa ungefähr einen Marktanteil von 20 Prozent – in anderen Regionen liegen wir meist über 60 Prozent Marktanteil.

Und bei Spitzgießmaschinen?
Tanzawa: Bei Spritzgießmaschinen dürfte sich unser Marktanteil in Europa zwischen fünf und acht Prozent bewegen. In Japan liegen wir zwischen 20 und 30 Prozent. Grund ist nicht nur, dass Japan unser Heimatmarkt ist, sondern auch, dass in Europa der Anteil vollelektrischer Spritzgießmaschinen, bei denen wir sehr stark sind, deutlich niedriger liegt als in Japan. In Europa sind vollelektrische Spritzgießmaschinen immer noch in der Minderheit.

Aber der Anteil vollelek­trischer Spritzgießmaschinen nimmt doch zu?
Tanzawa: Stimmt, der Anteil vollelektrischer Spritzgießmaschinen nimmt eindeutig zu und das ist gut für uns. Wenn wir nur die vollelektrischen Spritzgießmaschinen betrachten, haben wir in Europa einen Marktanteil von ungefähr 20 Prozent. In Bezug auf den gesamten Markt sind wir damit aber dennoch vergleichsweise klein. Allerdings geht der Trend eindeutig in Richtung vollelektrischer Spritzgießmaschinen – aufgrund ihrer energiesparenden Natur, ihrer anhaltenden Genauigkeit und der einfachen Wartung  Dadurch sehen wir die Chance, mit dem Markt zu wachsen.

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Große Investitionen in die Niederlassungen

Auf dieses Wachstum bereiten wir uns mit großen Investitionen vor. Wir stellen in vielen Regionen Europas Fachleute für Spritzgießmaschinen ein und wir investieren massiv in unsere Niederlassungen. Dahinter steckt unsere Überzeugung, dass wir mit unseren guten Produkten, die sehr energieeffizient, akkurat und zuverlässig sind, in Verbindung mit einem sehr guten Service und Support gerade in Europa gute Wachstumschancen haben. Deshalb stellen wir auch mehr Support- und Servicekräfte ein als Verkäufer.

Das müssen Sie uns jetzt aber genauer erklären …
Tanzawa: Wir sehen den technischen Support als wesentlichen Schlüssel für unser weiteres Wachstum. Wenn es uns gelingt, die Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen, werden unsere Umsätze steigen. Davon sind wir fest überzeugt.

Natürlich sind die Mitarbeiter im Verkauf für die Kommunikation mit den Kunden sehr wichtig, keine Frage. Aber wir wollen unsere Kunden nicht dadurch überzeugen, dass wir Verkäufer zu ihnen schicken. Und ganz wichtig: Wir wollen dem Kunden nichts verkaufen, was wir später mit unseren Maschinen nicht darstellen können.

Gewaltiger Aufwand für hohe Kundenzufriedenheit

Für eine hohe Zufriedenheit unserer Kunden betreiben wir zudem einen gewaltigen Aufwand, damit unsere Maschinen über viele Jahre­ zuverlässig funktionieren. Wir haben heute über vier Millionen CNC-Steuerungen im Markt und wir haben errechnet, dass es statistisch über 30 Jahre dauert, bis eine unserer CNC-Steuerungen ausfällt. Aber wenn dieser Fall eintritt, will unser Kunde eine Lösung – und zwar schnell.

Deshalb arbeiten wir ständig daran, unseren Service zu verbessern. In den vergangenen zwölf Monaten sind typischerweise vom Anruf eines Kunden bis zum Eintreffen des Servicemitarbeiters 21 Stunden vergangen. Dies werden wir noch weiter verbessern.

Für eine schnelle Reparatur reicht es aber nicht, wenn der Service schnell im Haus ist. Genauso wichtig ist doch die Verfügbarkeit der Ersatzteile …
Tanzawa: Da sprechen Sie einen Punkt an, der uns extrem wichtig ist und bei dem wir bei Fanuc aus gutem Grund sehr viel investieren. Wir bieten für alle unsere Produkte­ einen lebenslangen Service an. Damit wir, so lange wie die Kunden unsere Produkte nutzen, Ersatzteile liefern können – länger als 30 Jahre nach dem Kauf –, analysieren wir bei jeder Neuentwicklung, wie viele Ersatzteile wir benötigen werden. Diese Ersatzteile werden von uns gekauft und eingelagert, damit wir auch dann noch zuverlässig liefern können, wenn es einzelne Komponenten auf dem Markt gar nicht mehr zu kaufen gibt.

Zudem tauschen wir bei einem Defekt nicht einfach die Teile aus. So weit möglich reparieren wir defekte Teile und geben sie den Kunden zurück oder lagern sie bei uns wieder ein, damit wir auch in Zukunft lieferfähig bleiben.

Dies alles kostet viel Geld, denn wir haben schon jetzt ein riesiges Lager mit 30 oder 40 Jahre alten Ersatzteilen und wir lagern jetzt die Ersatzteile ein, die wir für die aktuellen Maschinen für die nächsten 30 Jahre brauchen. Aber wir tun das ganz bewusst, um die Wünsche unserer Kunden jetzt und in Zukunft erfüllen zu können.

Wie hoch ist denn die Ersatzteilverfügbarkeit bei Fanuc?
Tanzawa: In den letzten zwölf Monaten lag die Ersatzteilverfügbarkeit über alle unsere Produkte hinweg bei 99,8 Prozent. Ein Jahr zuvor lagen wir noch bei 99,0 Prozent, und es war eine gewaltige Anstrengung nötig, um von 99 auf 99,8 Prozent zu kommen. Und wir arbeiten jetzt intensiv an weiteren Verbesserungen, denn das Ziel ist klar definiert: 100 Prozent. Denn wir wollen uns am Markt abheben durch besseren Service und bessere Technologie.

Technologie ist ein gutes Stichwort: Wie unterscheidet sich denn die Technologie von Fanuc von anderen Unternehmen in Europa?
Tanzawa: Generell unterscheiden sich die Technologietrends in Euro­pa von denen in den USA, Japan und China. In der Vergangenheit haben wir uns stark auf die Anforderungen aus den USA, Japan und China fokussiert und standardisierte, hochproduktive Systeme für große Stückzahlen entwickelt. Ein weiterer Fokus war das Lean Manufacturing.

Fanuc entwickelt in Europa für Europa

Die Europäer dagegen wollen multifunktionale, flexible Maschinen, die perfekt an ihre Anforderungen angepasst sind – dies erfordert aber eine andere Technologie, die wir früher nicht so liefern konnten, wie es sich manche Kunden vorgestellt haben.

Doch dies werden wir ändern und hier sind wir auch auf einem guten Weg. Denn wir haben schon vor drei Jahren ein europäisches Entwicklungszentrum aufgebaut, das wir im Rahmen der Investitionen in Europa stetig erweitern werden.

Während in der Vergangenheit alle Produkte von Fanuc ausschließlich in Japan entwickelt und hergestellt wurden, können wir in Europa jetzt schnell auf Kundenwünsche reagieren.

Zudem wollen wir gerade in Euro­pa unsere Stärken bei der „Robotisierung“ stärker ausspielen, als wir das bislang gemacht haben.

In welcher Beziehung?
Tanzawa: Ein wesentlicher Unterschied von Fanuc im Vergleich zu allen anderen Herstellern: Wir stellen nicht nur Spritzgieß­maschinen her. Wir sind auch der weltweit größte Anbieter von CNC-Steuerungen, Antrieben und Industrierobotern und zudem Spezialist für verschiedene intelli­gente Werkzeugmaschinen, die wir alle im eigenen Haus entwickeln und herstellen. Dadurch können wir alle diese Systeme perfekt aufeinander abstimmen und damit integrierte, flexibel automatisierte Lösungen anbieten, die sich sehr gut auf die Bedürfnisse der Kunden abstimmen lassen.

Fokus auf die Bedürfnisse der europäischen Kunden

Dies werden wir aber mit Standardlösungen und speziellen Pake­ten für bestimmte Branchen tun, zum Beispiel für medizinische Produkte. Meiner Meinung nach ist der Aufwand, den europäische Hersteller mit individualisierten, kundenspezifischen Lösungen derzeit betreiben, weit von unserem Geschäftsstil entfernt. Wir werden uns – auch mithilfe der großen Investitionen – mehr auf die wichtigsten Bedürfnisse der europäischen Kunden fokussieren und deren Wünsche erfüllen, aber auf Basis von erprobten, zuverlässigen und langlebigen Standardsystemen.

gk

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