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Werkstoffe 22. Februar 2024

Thermoplast für extreme Temperaturen

Bis zu 1.200 °C: Freudenberg entwickelt extrem temperaturbeständigen Thermoplast für Elektroautos.

Eine 2 mm dicke Materialprobe aus Quantix-Ultra, einer neuen thermoplastischen Materialklasse von Freudenberg, übersteht eine Flamme mit einer Temperatur von 1.200 °C über 25 Minuten lang. Der Thermoplast eignet sich als Flammschutzbarriere für Lithium-Ionen-Batterien.
Eine 2 mm dicke Materialprobe aus Quantix-Ultra, einer neuen thermoplastischen Materialklasse von Freudenberg, übersteht eine Flamme mit einer Temperatur von 1.200 °C über 25 Minuten lang. Der Thermoplast eignet sich als Flammschutzbarriere für Lithium-Ionen-Batterien.

Mit einer neuen Materialklasse im Bereich der Thermoplaste trägt Freudenberg Sealing Technologies dazu bei, die Temperaturbeständigkeit und damit den Brandschutz in elektrischen Fahrzeugantrieben zu verbessern. Der thermoplastische Kunststoff heißt „Quantix Ultra“ und schmilzt auch bei sehr hohen Temperaturen von bis zu 1.200 °C nicht. Dennoch ist das Material im Spritzguss vielseitig und wirtschaftlich zu verarbeiten. Kürzlich erfolgte der erste Serieneinsatz als Flammschutzbarriere für Teile des Kühlsystems in einer Lithium-Ionen-Batterie eines Elektroautos.

Lithium-Ionen-Akkus in Elektroautos benötigen ein hohes Maß an Sicherheit. Das thermische Durchgehen der Batterie gilt es zu verhindern oder zu verzögern. Kunststoffbauteile haben bislang die strengen Testnormen der Automobilindustrie für elektrische Antriebe in der Regel nicht erfüllt. Das ändert Quantix Ultra: Die neue Materialklasse kann sehr hohen Temperaturen widerstehen. Sie schmilzt und entflammt nicht. In Labortests übersteht eine 2 mm dicke Materialprobe sogar über 25 Minuten lang eine aufgebrachte Flamme mit einer Temperatur von 1.200 °C.

Ein Thermoplast übertrifft Aluminium

Weitere Tests simulieren den Ausstoß heißer Partikel unter hohem Druck, wie er auftreten kann, wenn sich Gase in Batteriezellen schlagartig entladen. Quantix Ultra widersteht dem Stresstest 20 Sekunden. Eine 2 mm dicke Aluminiumprobe ist bereits nach zwei bis drei Sekunden zerstört.

Aus dem neuen Material fertigt Freudenberg Sealing Technologies bspw. Flammschutzbarrieren für den Einsatz im Kühlsystem von Lithium-Ionen-Batterien. Ein erster Autohersteller setzt diese ab Februar 2024 in Serienfahrzeugen ein.

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Quantix Ultra eignet sich für sämtliche Anwendungen mit hohen Anforderungen an Brandschutz und Leichtbau. Auch ist die Anwendung nicht auf bestimmte geometrische Formen beschränkt. Für batterieelektrische Antriebe lässt sich das Material bspw. zu Folien verarbeiten. Weitere Anwendungen sind Einhausungen für Stromverteiler, medienführende Leitungen, Kabelisolation, Batterie-Gehäusedeckel oder Bauteile für Elektromotoren.

Flammschutz bei höchsten Temperaturen

Temperaturbeständigkeit ist für technische Kunststoffe ein herausragendes Differenzierungsmerkmal. Dies gilt sowohl für amorphe wie für teilkristalline Werkstoffe. Allen derzeit eingesetzten Polymeren ist jedoch eins gemeinsam: Die Steifigkeit lässt nach Erreichen des sogenannten Glasübergangspunkts spürbar nach und bricht mit dem Überschreiten des Schmelzpunkts schlagartig ein. Ein Flammschutz ist dann nicht mehr gegeben.

Anders Quantix Ultra: „Das neue Material schmilzt nicht bei hohen Temperaturen und weist stattdessen ein elastisches Verhalten auf, das mit Elastomeren vergleichbar ist“, erläutert Kira Truxius, Material Expert Thermoplastics bei Freudenberg Sealing Technologies. „Zudem hat es eine um 53 Kelvin höhere Glasübergangstemperatur und erhält somit seine Steifigkeit und den Flammschutz über einen erheblich längeren Zeitraum. Summiert man die Eigenschaften, so setzt sich Quantix Ultra an die Spitze aller derzeit bekannten Kunststoffe.“

Marco Sutter, Dr. Björn Hellbach und Kira Truxius (v.l.) mit einem Zugstab aus Quantix Ultra für mechanische Belastungstests. Das Grundmaterial ist bereits ein temperaturfester Thermoplast. Eine zusätzlicher Vernetzer sorgt dafür, dass Bauteile aus dem Kunststoff selbst unter enormer Hitze in Form bleiben.
Marco Sutter, Dr. Björn Hellbach und Kira Truxius (v.l.) mit einem Zugstab aus Quantix Ultra für mechanische Belastungstests. Das Grundmaterial ist bereits ein temperaturfester Thermoplast. Eine zusätzlicher Vernetzer sorgt dafür, dass Bauteile aus dem Kunststoff selbst unter enormer Hitze in Form bleiben.

Spezielle Vernetzer erhöhen Stabilität 

Das Grundmaterial von Quantix Ultra ist ein bereits temperaturfester Thermoplast. Die gezielte Zugabe von Füllstoffen wie Glas- oder Kohlenstofffasern verstärkt die mechanische Stabilität selbst unter enormer Hitze. Eine zusätzliche Vernetzung der Kunststoff-Molekülketten sorgt dafür, dass das Bauteil auch unter Extrembedingungen in Form bleibt. Die Materialeigenschaften lassen sich fokussiert auf den jeweiligen Anwendungsfall einstellen.

„Unser Know-how besteht in der gezielten Zugabe geeigneter Materialien, die Brücken zwischen den Molekülketten erzeugen. Es ist ein Ergebnis gelungener Teamarbeit“, erläutert Dr. Björn Hellbach, Material Expert Thermoplastics bei Freudenberg Sealing Technologies.

Produktion in großen Stückzahlen

Quantix Ultra lässt sich einfach per Spritzguss verarbeiten. Die damit verbundenen Vorteile wie etwa das Fertigen komplexer Geometrien bei kurzen Zykluszeiten und damit in großen Stückzahlen teilt es mit anderen Thermoplasten. Zur wirtschaftlichen Fertigung trägt auch das Vernetzungsverfahren bei. Es basiert allein auf dem Einbringen eines speziellen Vernetzers ins Material unter Beibehaltung des Standard-Spritzgussprozesses. Andere bekannte Verfahren sind deutlich aufwendiger. Sie arbeiten mit Gammastrahlung oder in Lösungen.  mg

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