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Automation 31. Oktober 2023

So handeln Roboter biegeschlaffe Teile

Lässt sich die Verarbeitung von biegeschlaffen Teilen wie Kabeln automatisieren? Ja, mit flexiblen Roboterzellen von Artiminds.

Die schwierige Aufgabe für den Roboter besteht bei biegeschlaffen Teilen darin, den richtigen Greifpunkt auf einer frei hängenden Leitung zu finden. Der Roboter tastet hierzu mithilfe eines Laserscanners das Leitungsende ab und ermittelt den idealen Greifpunkt und Greifwinkel.
Die schwierige Aufgabe für den Roboter besteht bei biegeschlaffen Teilen darin, den richtigen Greifpunkt auf einer frei hängenden Leitung zu finden. Der Roboter tastet hierzu mithilfe eines Laserscanners das Leitungsende ab und ermittelt den idealen Greifpunkt und Greifwinkel.

Biegeschlaffe Teile wie Kabel oder Leitungen zu verarbeiten, stellt Roboter vor Herausforderungen. Das Potenzial jedoch ist riesig; in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Qualität ebenso wie bei der Entlastung von Mitarbeitern, wenn es zum Beispiel um das Handling großer, schwerer Leitungen geht. Was vor Jahren noch undenkbar war, ist heute durch die Weiterentwicklung der Technik möglich – sei es bei der hochgenauen Vermessung mittels Laserscanner, dem feinfühligen Toleranzausgleich per Kraft-Momenten-Sensor oder durch Tools zur robusten Programmierung von Advanced-Robotics-Anwendungen.

Bislang stammen automatisierte Lösungen für Verarbeitung biegeschlaffer Teiler meist aus dem Sondermaschinenbau. Das Handling von Leitungen bei der Konfektion oder die Produktion kleiner Teilleitungssätze sind aber vielerorts noch ein klassischer Fall für Handarbeit. Robotergestützte Lösungen könnten diese häufig deutlich reduzieren. Doch es lohnt sich, nicht nur auf den letzten Schritt des Produktionsprozesses, das Stecken von Leitungen, Kabeln oder Steckern, zu blicken. Denn großes Potenzial schlummert schon einen Schritt früher, nämlich bei der Leitungszuführung.

Flexible Roboterzelle vielen Standardkomponenten

Herkömmliche Produktionsanlagen werden speziell auf eine Aufgabe optimiert, in der Regel für Spitzenzeiten ausgelegt und somit zu Teilen ihrer Lebensphase nicht ideal ausgelastet. Wird das Produkt nicht mehr hergestellt, wird auch die Maschine nicht mehr benötigt. Nachhaltiger ist die Produktion mit flexiblen Roboterzellen, welche einen hohen Anteil an Standardkomponenten enthalten. Diese lassen sich individuell an die jeweiligen technischen Anforderungen und Produkteigenschaften anpassen. Produktionsmengen können über die Anzahl der eingesetzten Roboterzellen skaliert werden. Für die Bearbeitung biegeschlaffer Teile gilt dies im Besonderen.

Sensorik gleicht Toleranzen biegeschlaffer Teile aus

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Um die bei biegeschlaffen Teilen vorherrschenden Toleranzen effizient auszugleichen, werden Roboter mit flexibel konfigurierbaren Sensoren wie Laserscanner, Kraft-Momenten-Sensor oder smarter Kamera eingesetzt. Hat der Roboter das Ende von Kabel, Leitung oder Schlauch erst einmal gezielt gegriffen, kann er flexibel diverse Fertigungsschritte erledigen, wie zum Beispiel Stecker bestücken, Maschinen zum Crimpen oder Schweißen beladen, Komponenten auf der Leitung aufbringen und vieles mehr.

Hängegestelle eignen sich für lange, schwere Leitungen.
Hängegestelle eignen sich für lange, schwere Leitungen.

Damit ein Roboter jedoch biegeschlaffe Teile zuverlässig greifen kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Artiminds Robotics hat in den vergangenen Monaten unterschiedliche Projekte in der Bordnetzfertigung und im Bereich weiße Ware realisiert, bei denen Roboter biegeschlaffe Teile automatisiert lokalisieren, greifen und weiterverarbeiten. Das Unternehmen aus Karlsruhe hat hierfür einen Ansatz aus Laserscanner in Kombination mit seiner Programmiersoftware RPS entwickelt. „Je nach Fertigungsumgebung sowie abhängig von den Stückzahlen, der Länge und dem Gewicht der verarbeiteten Teile kommen für die Zuführung im Wesentlichen drei Herangehensweisen in die engere Auswahl: Leitungen direkt vor Ort von einer Trommel zuschneiden, der Einsatz von Hängegestellen oder das Nutzen spezieller Kisten“, erklärt CTO Rainer Jäkel.

Vision-Tools vermessen Ende der gegriffenen Leitung

Je definierter ein Kabel oder Schlauch einem Roboter zugeführt wird, desto leichter hat der es mit dem Zugreifen. Steht das Material beispielsweise auf einer Rolle beziehungsweise Trommel zur Verfügung, ist der Greifpunkt bereits ausreichend bekannt. Toleranzen entstehen hier durch den Greifprozess an sich und Eigenschaften des Materials, wie zum Beispiel Drall. Hat der Roboter die Leitung sicher gegriffen, ist es ein Leichtes, weitere Bearbeitungsschritte durchzuführen. „Natürlich braucht es dazu Vision-Tools, die je nach weiterem Verarbeitungsschritt das Ende der gegriffenen Leitung genau vermessen, damit die Software ermitteln kann, in welche Richtung die Leitung aus dem Greifer heraussteht oder in welchem Winkel sie beispielsweise in ein anderes Teil eingeführt werden soll“, ergänzt Jäkel.

Ist die Leitung aber einmal definiert abgegriffen, gibt es vieles, was der Roboter damit machen kann. Zwar kommt der Roboter nicht auf das Tempo einer klassischen Ablängmaschine, aber die Möglichkeit, weitere Prozessschritte zu integrieren und dadurch im gesamten Handling-Prozess Zeit zu sparen, gleicht das schnell aus. Jäkel: „In einem unserer Kunden-Projekte kamen die notwendigen Parameter zusammen: Das Schneiden der Leitungen in der Anlage war kein Problem, da bereits mehrfach realisiert, und ein großer Teil der Wertschöpfung entstand durch die automatisierte, schnelle Montage des Leitungsendes mit integrierter Qualitätsprüfung.“

Hängegestelle bei längeren Leitungen sinnvoll

Bei längeren Leitungen hingegen kann der Einsatz von Hängegestellen sinnvoll sein. Oft sind solche Leitungen nicht nur lang, sondern auch dick und damit schwer, zum Beispiel im Hochspannungsbereich. Die schweren Kabel werden daher oft vom Roboter nur am Ende gegriffen, während der Rest des Kabels auf dem Hängegestell liegen bleibt. Die schwierige Aufgabe für den Roboter besteht darin, den richtigen Greifpunkt auf einer frei hängenden Leitung zu finden. Der Roboter tastet hierzu mithilfe eines Laserscanners das Leitungsende ab und ermittelt den idealen Greifpunkt und Greifwinkel.

Damit das Arbeiten effizient vonstattengeht, werden solche Gestelle oft mit vielen Kabeln bestückt und in die Roboterzelle eingeführt. Nun kann der Roboter über einen längeren Zeitraum ohne Eingriff eines Mitarbeiters arbeiten, bis er wieder Nachschub benötigt. Jäkel: „Mit dieser flexiblen Lösung können Kunden oftmals bestehende Maschinen zur Bearbeitung von Leitungen für die Automatisierung erschließen und damit die notwendigen Investitionen reduzieren.“

Kabel mit einer Länge bis zu etwa 1000 mm lassen sich gut vertikal in Kisten gestapelt zuführen.
Kabel mit einer Länge bis zu etwa 1000 mm lassen sich gut vertikal in Kisten gestapelt zuführen.

Kurze Kabel in Kisten

Kabel mit einer Länge bis zu rund 1000 mm führt man in der Regel am sinnvollsten in Kisten zu. Für die Automatisierung werden die Leitungen dazu in vertikalen Fächern eingelegt, um eine minimale Strukturierung zu gewährleisten, die es dem Roboter mit Sensorik ermöglicht, die Kabel sicher abzugreifen. „Mit der Roboterlösung, die wir nach dieser Methode mit einem Kunden realisiert haben, konnte die notwendige Zeit zur Vorbereitung des Materials stark verringert und die Maschinenauslastung verbessert werden“, berichtet Jäkel. Auch bei diesem Vorgehen weiß der Roboter grob, wo er das Kabel zu erwarten hat, vermisst es dann mit dem Laserscanner detailliert und greift punktgenau zu. Nach einem oder mehreren Verarbeitungsschritten legt er das Kabel dann wieder in einer anderen Kiste ab. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass das Arbeiten mit Kisten ein etablierter Standardprozess ist, der sich gut in die Gesamtfertigung einfügt. Daher ist es gerade für Brownfield-Anlagen ein gut geeigneter Ansatz.

Programmierung leicht gemacht

Ganz egal, auf welche der drei Zuführmethoden die Wahl fällt: Der Anwender profitiert bei einer Roboterlösung mit flexiblen Standardkomponenten davon, dass mit der gleichen Anlage beziehungsweise dem gleichen Fertigungsprozess ohne großen Umrüstaufwand und kostspielige Zusatzentwicklungen verschiedene Leitungen bearbeitet und weitere Fertigungsprozesse integriert werden können. In jedem Fall bleibt aber neben der Frage nach dem geeigneten Zuführkonzept auch die nach der Programmierung der Roboter und Integration von Sensoren und Werkzeugen. Gerade wer wenig Vorerfahrung mit Automatisierung im Allgemeinen oder Robotern im Speziellen hat, schreckt vor dem Einsatz von Sensoren mit Robotern oft zurück.

Entsprechende Templates der Robot Programming Suite (RPS) ermöglichen ein zuverlässiges, kraftgeregeltes Einstecken.
Entsprechende Templates der Robot Programming Suite (RPS) ermöglichen ein zuverlässiges, kraftgeregeltes Einstecken.

Artiminds’ Programmiersoftware RPS erleichtert den Einstieg in die Roboternutzung mit flexiblen Sensoren und Werkzeugen spürbar und macht die robotergestützte Automatisierung fortschrittlicher Anwendungen möglich. Mit ihrer grafischen Bedienoberfläche und fertigen Programmbausteinen lassen sich ohne Zusatzhardware Roboter einfacher, effizienter und dadurch wirtschaftlich rentabel programmieren. Die RPS sorgt dank passender Schnittstellen für eine reibungslose Integration von Sensoren und Werkzeugen, ohne dass Fachwissen für die bestmögliche Verwendung mit dem Roboter oder Kenntnisse in der jeweiligen Robotersprache vorhanden sein müssen. Entsprechende Templates erleichtern das Scannen, Vermessen und präzise Greifen biegeschlaffer Teile und ermöglichen ein zuverlässiges, kraftgeregeltes Einstecken. sk

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