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News 18. April 2018

Kunststoffe: Erfolgsgeschichte mit Imageproblem

Plastics Europe verkündet eine wachsende Kunststoffproduktion. Doch die Meeresverschmutzung kratzt am Image. Eine Selbstverpflichtung soll eine mögliche Kunststoffsteuer verhindern.

Plastics Europe verkündet eine wachsende Kunststoffproduktion. Doch die Meeresverschmutzung kratzt am Image. Eine Selbstverpflichtung soll eine mögliche Kunststoffsteuer verhindern.

Claus-Jürgen Simon, Leiter des Wirtschaftsressorts bei Plastics Europe Deutschland, hatte zum Fachpressetag des Verbandes der Kunststofferzeuger abermals schöne Zahlen mitgebracht. "Verglichen mit 2016 messen wir für 2017 ein globales Wachstum der Kunststoffproduktion um 3,8 Prozent auf 348 Millionen Tonnen", freut sich Simon. Simon wies darauf hin, dass die meist wenig beachteten Polyolefine nach Tonnage immerhin 46 % des Weltmarktes für Kunststoffe ausmachen, und dass die technischen thermoplastischen Kunststoffe mit rund 8 % Anteil nur noch leicht höhere Wachstumsraten als die Standardkunststoffe aufweisen.

Märkte verschieben sich weiterhin nach Asien

Allerdings setzte sich ein Trend fort, der sich schon in den letzten Jahren abzeichnete: "Der Anteil Chinas an der weltweiten Produktion steigt weiter und machte mit mehr als 100 Millionen Tonnen im Jahr 2017 schon 29,4 Prozent der Weltproduktion aus", erklärt Simon. Schaut man auf ganz Asien, kommt man sogar auf 50,1 % der weltweiten Kunststoffproduktion allein in dieser Region. Damit ist innerhalb weniger Jahre China zum wichtigsten Kunststoffproduzenten aufgestiegen. Alle anderen Regionen mit Ausnahme des restlichen Asiens verloren globale Produktionsanteile.

Claus-Jürgen Simon: Globales Wachstum der Kunststoffproduktion in 2017 um 3,8 % auf 348 Mio. t
Claus-Jürgen Simon: Globales Wachstum der Kunststoffproduktion in 2017 um 3,8 % auf 348 Mio. t
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Schaut man allein auf Europa, ist die Freude hier nicht ganz so groß, aber man kann durchaus zufrieden sein: Die Produktion von Kunststoffen in Primärformen stieg in 2017 um 2,9 % und die Herstellung von Kunststoffprodukten sogar um 3,3 %. Hintergrund ist die gute wirtschaftliche Situation der wichtigsten Abnehmerbranchen: Haupttreiber war der E&E-Sektor mit plus 6,3 %, gefolgt von der Automobilindustrie (+ 4,9 %) und dem Maschinenbau (+ 4,8%).

"Insgesamt steigt die Nachfrage nach Kunststoffen in Europa seit 2012 stetig an", stellt Simon fest, wobei im Jahr 2016 (für 2017 liegen noch keine Zahlen vor) ein Viertel der Nachfrage aus Deutschland kam, gefolgt von Italien (14,2 %) und Frankreich (9,6 %).

Man könnte also durchweg zufrieden sein, zumal Plastics Europe für dieses Jahr einen Anstieg der Kunststoffproduktion in Europa von rund 3 % erwartet.

Kunststoff hat ein Plastik-Imageproblem

Doch gleichzeitig hat der Werkstoff ein zunehmendes Imageproblem. Eine von Plastics Europe Deutschland durchgeführte Repräsentativumfrage zeigt: Kunststoff und seine Industrie ist bei Verbrauchern und Entscheidern zwar bekannt und beliebt, doch die Meeresverschmutzung und eine aus globaler Sicht nicht ausreichende Wiederverwertung belasten das Ansehen des Werkstoffs.

Dr. Rüdiger Baunemann: "Kunststoffverpackungen sind in den Medien derzeit ein stark kontrovers diskutiertes Thema."
Dr. Rüdiger Baunemann: "Kunststoffverpackungen sind in den Medien derzeit ein stark kontrovers diskutiertes Thema."

"In den Publikums- und Tagesmedien sind vor allem Kunststoffverpackungen aktuell ein häufig gewähltes Thema", kommentiert Dr. Rüdiger Baunemann, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland. "Im Mittelpunkt der Debatte stehen dabei die hohen Abfallmengen, vor allem diejenigen, die ins Meer gelangen, und die Frage, wie Verbraucher Kunststoffverpackungen zu Gunsten der Umwelt vermeiden können." Dabei betont Baunemann nochmals, dass Kunststoff-Verpackungen entscheidende Funktionen erfüllen wie Produktschutz, längere Haltbarkeit und Hygiene und Kunststoff zudem als besonderes ressourceneffizienter Werkstoff gilt.

Verbände warnen vor Steuer auf Kunststoffe

Dennoch: Die EU-Kommission denkt bereits über eine will europäische Kunststoffsteuer nach. "Die Kunststoffmenge in der EU müsse aus Umweltschutzgründen reduziert werden", begründetet EU-Kommissar Günther Oettinger eine solche Steuer. Für die Verbände Plastics Europe, GKV und VDMA Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen ist dies genau der falsche Weg. Sie setzten stattdessen auf eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft, wie sie auch die EU in einen Zukunftsplan für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft erarbeitet hat.

Karl-H. Foerster: "Eine europäische Steuer auf Kunststoff ist keine Lösung für das globale Problem der Meeresverschmutzung."
Karl-H. Foerster: "Eine europäische Steuer auf Kunststoff ist keine Lösung für das globale Problem der Meeresverschmutzung."

"Mit einer Steuer auf Kunststoff, so sagte Karl-H. Foerster, Executive Director von Plastics Europe, "würden wichtigen Beiträge zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz, die der Werkstoff Kunststoff leistet, gefährdet und Innovation behindert." Mit Blick auf das Lebensende von Kunststoffprodukten brächte eine Steuer ebenfalls wenig, wie der Executive Director ausführte. Schon heute sensibilisiere die Branche dafür, dass Kunststoff zu schade zum Wegwerfen und auch nach der Nutzenphase eine Quelle zur Erzeugung hochwertiger Sekundärrohstoffe sei. Voraussetzung für deren Nutzung sei ein funktionierendes Abfallmanagementsystem. Mit Blick auf das globale Problem des Mülls im Meer ergänzte Foerster, dass eine europäische Steuer auf Kunststoff hier keine Lösung biete. Wichtig seien vielmehr weltumspannende Anstrengungen für ein besseres Abfallmanagement sowie die Aufklärung der Menschen vor Ort. So hätten Kunststoffverbände aus aller Welt mit einer globalen Deklaration Lösungen gegen Meeresmüll ins Rollen gebracht und seitdem zahlreiche Projekte gestartet.

Freiwillige Verpflichtung zur Wiederverwertung

Um eine drohende Steuer zu verhindern, hat Plastics Europe kürzlich eine freiwillige Verpflichtung (Plastics 2030) zur Wiederverwertung von Kunststoffverpackungen veröffentlicht. Hierin fordert der Erzeugerverband harmonisierte Vorschriften, die sicherstellen, dass bis zum Jahr 2030 alle in der EU in Verkehr gebrachten Kunststoffverpackungen wiederverwendet, recycelt und nicht verunreinigt werden können. "Wir, die europäischen Kunststoffhersteller, setzen uns dafür ein, hohe Wiederverwendungs- und Recyclingquoten zu gewährleisten, mit dem Ziel, bis 2030 60 Prozent der Kunststoffverpackungen zu erreichen. Eine hundertprozentige Wiederverwertung aller Kunststoffverpackungen auf europäischer Ebene ist bis 2040 unser Ziel", so Foerster auf der Fachpressekonferenz.

Deponierung von Kunststoffabfällen muss unterbunden werden

Um diese ehrgeizigen Recyclingziele zu unterstützen, muss vor allem die Deponierung von Kunststoffabfällen unterbunden werden, doch hierzu sind wirksame Abfallbewirtschaftungssysteme aufzubauen. "Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, da kein Kunststoff in die Umwelt gelangen darf", sagte Foerster. "Seit 2011 fordert die europäische Kunststoffindustrie Zero Plastics zur Deponierung. Nur eine rechtlich verbindliche Deponie-Beschränkung werden der Deponierung aller Abfälle, die als Ressource genutzt werden können, ein Ende bereiten."

Alle wichtigen Verbände der Wertschöpfungskette Kunststoff in Deutschland ziehen beim Thema Kreislaufwirtschaft an einem Strang. In einem Positionspapier bekennen sich zur unternehmerischen Verantwortung für Ressourcen- und Umweltschonung. Weiterhin begrüßen die Verbände insbesondere den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Intensivierung des Dialogs der betroffenen Akteure wie Erzeuger, Verarbeiter, Recycler und Verwaltung.

BVSE stellt konkrete Forderungen

Thomas Probst: "Wir müssen jetzt und nicht irgendwann bessere Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft in Europa schaffen."
Thomas Probst: "Wir müssen jetzt und nicht irgendwann bessere Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft in Europa schaffen."

Ebenfalls lobend äußert sich der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung BVSE zu der Initiative. Dr. habil. Thomas Probst, Fachreferent für Kunststoffrecycling beim BVSE, fordert aber auch konkrete Aktivitäten ein. "Das Kunststoffrecycling muss ausgebaut und gefördert werden. Grundsätzlich gilt: Recycling vor Verbrennen und Qualität vor Quantität. Darüber hinaus hilft das Kunststoffrecycling durch CO2-Einsparungen auch die Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen. Wichtig ist daher, die Kapazitäten für das Kunststoffrecycling schnell und deutlich auszubauen", erklärte er. "Wir müssen jetzt und nicht irgendwann bessere Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft in Europa schaffen. Das Kunststoffrecycling ist dazu ein wichtiger Baustein. Und die restriktiven Einfuhrbeschränkungen für Kunststoffabfälle in China werden in Deutschland und Europa zu einem erhöhten Mengenangebot an Kunststoffabfällen führen." Um die Recylingquoten zu erhöhen, sei ein Verbessern der Sammelstrukturen nötig, welches ein Vermischen von Restmüll mit Verkaufsverpackungen unterbindet.

Für Deutschland zieht Baunemann allerdings ein positive Bilanz: "Insbesondere in Sachen Umweltverträglichkeit und Verwertung habe die Kunststoffindustrie in Deutschland ihre Hausaufgaben gemacht. Die Verwertungsquote für gebrauchte Kunststoffe liegt hierzulande heute bei vorbildlichen 99 Prozent, das ist kaum noch zu steigern. Auch im Recycling erreichen wir mittlerweile eine Quote von 45 Prozent", schildert Baunemann.

Marine Litter ist ein globales Problem

Doch ausruhen möchte man sich in Deutschland nicht. "Marine Litter ist ein globales Problem – um es erfolgreich anzugehen, müssen alle Stakeholder an einem Strang ziehen", ruft Baunemann zur weltweiten Zusammenarbeit auf. Erste Schritte seien bereits getan. Zu nennen sei etwa die "Global declaration for solutions on marine litter", die von 69 Kunststofforganisationen in 35 Ländern unterzeichnet wurde, die "Identiplast", eine europäische Konferenz zur Sammlung und Verwertung von Kunststoffabfällen, sowie eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Und innerhalb der Kunststoff-Wertschöpfungskette habe man mit dem globalen Programm "Operation Clean Sweep" das Ziel, den Eintrag von Kunststoffgranulaten in die Umwelt stark zu reduzieren.

mg

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