Harzbasiert große Stückzahlen ohne Stützstruktur drucken
Das ILT stellt auf der Formnext das industriereife "Two-Cure"-Verfahren vor, mit dem sich Kunststoffbauteile ohne stützende Strukturen in großen Stückzahlen produzieren lassen.
Die Stützstrukturen, auch supports genannt, gelten als eines der großen Nachteile des harzbasierten 3D-Drucks. Zuerst erfordern sie zusätzliche Vorbereitung (Planung im CAD) und dann müssen sie nach dem Druck auch aufwändig entfernt werden. Dies verursacht manuelle Arbeitsschritte und vermeidbaren Abfall.
Anders beim „Two-Cure“-Verfahren, das zwar ähnlich arbeitet wie die Stereolithographie, also mit photolithographischer Belichtung das flüssige Harz schichtweise aushärtet allerdings ohne die bisher unumgänglichen Stützstrukturen, mit denen die oft filigranen Kunststoffbauwerke gestützt werden und an eine Bauplattform angebunden sein müssen.
Bei dem von den Forschern des Fraunhofer ILT im Rahmen eines staatlich geförderten Projektes entwickelten „Two-Cure“-Verfahren wird flüssiges Harz schichtweise auf bereits gehärtetes Harz aufgetragen.
Wie bei einem Videoprojektor projiziert eine LED-Belichtungseinheit die Schichtgeometrie des Bauteils in das flüssige Harzbad, das an den belichteten Stellen aushärtet. Die anderen Harzbereiche werden durch Abkühlen verfestigt, wodurch die ausgehärteten Strukturen support-frei im gesamten Volumen schweben können. Das gesamte 3D-Bauvolumen und nicht nur die Bauplattform der Maschine lässt sich somit zum Druck nutzen.
Geschicktes Zusammenspiel von Licht und Kälte
Die Entwickler aus Aachen setzen dabei auf das geschickte Zusammenspiel von Licht und Kälte: Das Aushärten des Bauteils geschieht chemisch per Licht und das Verfestigen des umgebendem Materials thermisch per Kälte. „Das Material wird im warmen Zustand aufgetragen und dann per Licht irreversibel ausgehärtet“, sagt Holger Leonards, Projektleiter „Two-Cure“ am Fraunhofer ILT. „Gleichzeitig sorgt die gekühlte Maschine dafür, dass das schichtweise entstehende Bauteil mit dem zum wachsartig erstarrten Harz zu einem Block festfriert.“
Der Block lässt sich anschließend bei Raumtemperatur verflüssigen, sodass das stützende Material abfließt. Übrig bleiben die 3D-gedruckten Bauteile, die nur noch kurz gewaschen und nachgehärtet werden.
Den Begriff „Two-Cure“ verdankt das Verfahren auch dieser Hybridtechnik, für die in Aachen eine Maschine mit einem Bauraum von derzeit circa einem Liter Bauvolumen und einer lateralen Auflösung von rund 50 Mikrometern (pixel pitch) entstand.
Die Technologie kommt für alle Unternehmen infrage, die viele individuelle Kunststoff-Kleinteile oder Kleinserien bis hin zur Losgröße 1000 herstellen. So lassen sich mit einer Anlage künftig beispielsweise mehrere 100 individuelle Otoplastiken für Hörgeräte, Formen für die Schmuckherstellung oder Kleinserien an Kunststoff-Komponenten täglich mit dieser Technologie fertigen. Bisher benötigten Anwender für diesen Durchsatz mehrere 3D-Druckmaschinen. Leonards: „Wir hoffen, dass wir mit der „Two-Cure“-Technologie den Weg für eine Additive Produktion von Kunststoffbauteilen in einer Maschine ermöglichen, ohne dabei eine Maschinenfarm bereitstellen zu müssen.
Wirtschaftliche Kleinserien-Produktion
Für das Verfahren spricht nicht nur der 3D-Druck ohne Stützen: Es ermöglicht darüber hinaus eine Positionierung der Bauteile ohne Anbindung an die Bauplattform. Der Anwender kann 3D-Komponenten direkt im Bauraum an beliebigen Stellen aufbauen, daher müssen sie nicht mehr auf der Bauplattform stehen. Es lässt sich daher der gesamte Bauraum besser nutzen und der Betreiber kann deutlich mehr Teile pro 3D-Druckjob herstellen.
Leonards: „Die Maschine zeichnet sich auch durch einen sehr geringen Aufwand für die Vor- und Nachbearbeitung aus. Im Prinzip sind die Bauteile nach der additiven Produktion komplett einsatzbereit, weil das Entfernen der Stützstrukturen entfällt. Es verbleiben nur die Prozessschritte Waschen und Nachhärten, die jedoch problemlos in eine automatisierte Prozesskette eingebunden werden können“.
Hinzu kommt der geringe Aufwand für das Handling, weil die Maschine den gefrorenen Block automatisch in ein Magazin auswirft, um mit der Produktion des nächsten Blocks fortzufahren. „Geplant ist, dass der Anwender 3D-Druckjobs in eine virtuelle Warteschlange schieben kann, die rund um die Uhr im Geisterschicht-Betrieb abgearbeitet wird“, blickt Leonards in die Zukunft. „Es lässt sich also langfristig eine additive Produktion nach dem 24/7-Prinzip realisieren.“
Nach dem Bau der ersten produktionsreifen Maschine steht die Weiterentwicklung an. Das Fraunhofer ILT befindet sich aktuell - auch auf der Messe Formnext in Frankfurt - auf der Suche nach weiteren Kooperationspartnern, die das Forscherteam bei den nächsten Schritten unter anderem bei der Evaluierung des Prozesses im Produktionsbetrieb, bei der Anpassung der Software sowie bei der Optimierung der Werkstoffe unterstützen.
gk