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Forschung 31. März 2023

Elektrochrome Folien regeln Lichteinfall

Schaltbare elektrochrome Kunststofffolien können Licht und Wärmeeinstrahlung durch Fenster und Glasfassaden per Knopfdruck regeln und damit Energie sparen.

Das Aufbringen von schaltbaren Kunststofffolien auf Fenster und Glasfassaden, die je nach Bedarf Wärme in die Gebäude lassen oder abblocken, könnte den Energiebedarf für das Heizen und Kühlen drastisch reduzieren.
Das Aufbringen von schaltbaren Kunststofffolien auf Fenster und Glasfassaden, die je nach Bedarf Wärme in die Gebäude lassen oder abblocken, könnte den Energiebedarf für das Heizen und Kühlen drastisch reduzieren.

In den Sommermonaten verbrauchen Klimaanlagen enorme Mengen an Strom, um die durch die Glasfassaden und Fenster von der Sonne aufgewärmten Zimmer zu kühlen. Im Winter dagegen soll die Wärme idealerweise ins Zimmer gelangen und dort verbleiben, um Heizkosten zu sparen. Wie schön wäre es also, schaltbare Folien auf Fenster und Glasfassaden aufzubringen, die je nach Bedarf Wärme in das Gebäude lassen oder abblocken?

Schaltbare Folien für energiesparende Fenster und Glasfassaden

Im neuen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK geförderten Verbundprojekt „EnOB: Flex-G 4.0“ soll jetzt eine kostengünstige Nachrüstlösung mit innovativen, schaltbaren Folien für energiesparende Fenster und Glasfassaden entwickelt werden, die möglichst einfach auf bestehende Glasflächen aufgebracht werden können.

Bei den elektrochromen Kunststofffolien lässt sich die Lichtdurchlässigkeit je nach Bedarf einstellen. Links die Folie im dunklen und rechts im hellen Zustand.
Bei den elektrochromen Kunststofffolien lässt sich die Lichtdurchlässigkeit je nach Bedarf einstellen. Links die Folie im dunklen und rechts im hellen Zustand.

Im Vorgängerprojekt Flex-G wurden bereits entscheidende technologische Grundlagen dafür geschaffen – elektrochrome Folien im Labormaßstab, die nun im Hinblick auf eine industrielle Fertigung weiterentwickelt werden sollen. Koordiniert vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP soll dazu gemeinsam mit sechs weiteren Partnern innerhalb der nächsten vier Jahre der Stand der Technik bis auf Prototypenstadium gebracht werden.

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Energiedurchlass der Fenster künftig einstellbar

„Die schaltbaren Folien können signifikant zur Senkung des Gesamtenergiedurchlassgrades der Fenster, dem so genannten g-Wert, und damit des Energiebedarfs des Gebäudes beitragen“, erklärt Dr. Cindy Steiner, Projektkoordinatorin am Fraunhofer FEP. Das Hauptziel des Projektes ist die Erforschung geeigneter Systemdesigns und Fertigungstechnologien für großflächige elektrochrome Folien zur Verarbeitung direkt auf der Baustelle. Außerdem sollen robuste Verfahren für eine „einfache“ Applikation dieser Folien auf Fenster und Fassaden vor Ort in Bestandsgebäuden entwickelt werden.

Für die Demonstration und das Monitoring ist geplant, die Nachrüstfolien an einem Bestandsgebäude, der 46. Oberschule Dresden, sowie im Neubau eines Labor- und Technikumsgebäudes des Fraunhofer FEP zu integrieren.

Skalierung und Optimierung elektrochromer Folien

Zur Optimierung und Weiterentwicklung elektrochromer Folien und insbesondere der Schaffung einer Nachrüstlösung widmen sich die Projektpartner Tesa SE, Fraunhofer ISC und Coatema den dazu notwendigen Laminationsverfahren und der Materialoptimierung der elektrochromen Zelle. Konkret werden Materialien und Rolle-zu-Rolle (R2R)-Applikationsverfahren für einen Polymerelektrolyten erforscht. Er verbindet die zwei Teilfolien der elektrochromen Zelle nach Art eines Haftklebers miteinander, ist ionenleitend und isoliert gleichzeitig elektrisch, was entscheidend für den Schaltvorgang ist. Für das Aufbringen der elektrochromen Folien auf Fensterglas wird außerdem ein Laminierklebstoff mit langer Lebensdauer entwickelt. Ein robuster baustellentauglicher Applikationsprozess soll das Projekt komplettieren.

Neubau des Labor- und Technikumsgebäudes des Fraunhofer FEP an dessen Südbrücke (rechts) die Nachrüstlösungen des Projektes integriert werden.
Neubau des Labor- und Technikumsgebäudes des Fraunhofer FEP an dessen Südbrücke (rechts) die Nachrüstlösungen des Projektes integriert werden.

Fraunhofer FEP und ISC steuern ihr umfassendes Know-how und ihre Anlagentechnik für R2R-Verfahren zur Aufbringung der elektrochromen Schichten und der Schutzschichten auf die Folien bei. Die R2R-Verfahren beruhen sowohl auf Vakuumdünnschichtverfahren als auch auf Beschichtungen unter Atmosphärendruck. Integraler Bestandteil des Projektes sind ebenfalls Entwicklungen zur Charakterisierung der elektrochromen Folien und zur Qualitäts- und Prozesskontrolle der Fertigungstechnologien. Um spezifische anlagentechnische Fragestellungen zur Überführung der Prozesse in die industrielle Fertigung kümmert sich der Projektpartner Coatema.

Netzunabhängige Energieversorgung über Solarzellen

Um die Folien am Ende ansteuern zu können, werden Lösungen für die netzunabhängige Energieversorgung zum Beispiel über Solarzellen erarbeitet. Dazu beschäftigt sich der Projektpartner Enerthing mit IoT-Systemen (IoT= Internet of Things), der Auslegung der Energieversorgung, den Sensortechnologien für die kabellose und automatisierte Steuerung des Schaltzustands der Folien und der Einbindung der Sensorik in die bestehende Gebäudeleittechnik. Mit diesem System wird eine Optimierung der Energieeinsparung angestrebt.

Umsetzung der Ergebnisse an zwei Gebäuden

Die fertigen Nachrüstfolien werden zunächst an den beiden Gebäuden in Dresden – einer Dresdner Schule und am Fraunhofer FEP – angebracht, um das tatsächliche Energieeinsparpotenzial zu ermitteln. Hierzu finden enge Abstimmungen zwischen den Entwicklern des Konsortiums, der Landeshauptstadt Dresden und der Schule statt, um die Integration der elektrochromen Folie, sowie die Vereinigung dieser mit den IoT-Systemen später umzusetzen.

Was theoretisch an Energieeinsparung möglich ist, das berechnet vorab die Hochschule für Technik Stuttgart mittels Gebäudemodellierungen. Diese werden mit den Eigenschaften der hergestellten Nachrüstfolien an den Schulfenstern und den Ergebnissen von Labormessungen abgeglichen um Verbesserungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Ergänzt werden die Untersuchungen durch Betrachtungen des gesamten Produktlebenszyklus und der Kosten über die gesamte Lebensdauer.

Die 46. Oberschule Dresden als Bestandsgebäude, an der die Nachrüstsätze der schaltbaren Folien im Einsatz getestet werden sollen.
Die 46. Oberschule Dresden als Bestandsgebäude, an der die Nachrüstsätze der schaltbaren Folien im Einsatz getestet werden sollen.

Über zwölf Monate hinweg wird das Einsparpotenzial bezüglich des Kühl- und Heizenergiebedarfs in den beiden Demonstrationsgebäude bestimmt. Hier sollen auch die Schüler in die Forschungsarbeit des Flex-G 4.0 Projekts einbezogen werden. Mit Lernmaterialien für den Unterricht sowie dem Angebot für Orientierungspraktika unterstützen die Projektpartner zusätzlich das Bestreben, Umweltbewusstsein und Interesse für neue Technologien von Schülern aller Bildungswege von Hauptschule bis Hochschulreife zu stärken.

Das Projekt „EnOB: Flex-G 4.0 - Technologien für innovative schaltbare Folien als Nachrüstlösung für energiesparende Fenster und Glasfassaden“ wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK (Förderkennzeichen: 03EN1048) läuft vom 1. August 2022 bis 31. Juli 2026. gk

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