Direkt zum Inhalt
PUR 9. November 2023

E-Mobilität: Polyurethan gewinnt an Bedeutung

Die E-Mobilität stellt neue Anforderungen an den Automobilbau. Dabei ergeben sich neue Chancen für die Polyurethan-Industrie.

Die E-Mobilität stellt neue Anforderungen, etwa bei Batteriegehäusen oder bei der Schall- und Wärmedämmung im Interieur eines Elektroautos. Polyurethan bietet sich hier oftmals als Werkstoff der Wahl an.
Die E-Mobilität stellt neue Anforderungen, etwa bei Batteriegehäusen oder bei der Schall- und Wärmedämmung im Interieur eines Elektroautos. Polyurethan bietet sich hier oftmals als Werkstoff der Wahl an.

Der Automobilbau muss mit Blick auf die E-Mobilität in vielen Punkten neue Wege bestreiten, was zu neuen Anwendungen für Polyurethane (PUR) führt. So ergeben sich neue Anforderungen etwa bei Batteriegehäusen oder der Schall- und Wärmedämmung, bei denen sich Lösungen aus Polyurethan anbieten.

Die Zukunft gehört der E-Mobilität

Die Entscheidung der EU zum Verbot von Verbrennungsmotoren in neu zugelassenen Pkws ab 2035 ist gefallen. Damit ist die Zukunft der E-Mobilität wahrscheinlich nicht mehr aufzuhalten. Das Flottenziel der EU, den CO2-Ausstoß neu zugelassener Pkw bis 2035 schrittweise auf null Emissionen zu reduzieren, lässt sich ohne Elektroantriebe nicht realisieren.

Damit muss der Automobilbau in vielen Punkten neue Wege bestreiten. Bei der Optimierung der Konstruktion und des Designs von Elektrofahrzeugen spielen Kunststoffe eine besondere Rolle, um neuartige Spezifikationen zu erfüllen, die im klassischen Automobilbau irrelevant oder zumindest weniger wichtig waren.

Mit Polyurethan leichter werden

Ad

Die begrenzte Kapazität selbst der leistungsstärksten Akkus und deren hohes Gewicht schränken die Reichweite von Elektrofahrzeugen ein. Um diese zu erhöhen, arbeiten Wissenschaftler an verbesserten Batterie-Technologien. Zudem verfolgen viele Hersteller das Ziel, das Gesamtgewichts ihrer Elektrofahrzeuge um bis zu 50 % zu reduzieren. Dadurch können kleinere (und damit leichtere) Motoren eingesetzt und der Energieverbrauch für den Antrieb gesenkt werden.

Das Thema Leichtbau in Automobilanwendungen ist nicht neu. Bereits 2016 hat der FSK - Fachverband Schaumkunststoffe die Arbeitsgruppe „Leichtigkeit PUR“ ins Leben gerufen. Dieses Expertengremium entwickelt Leichtbaukonzepte, die den Werkstoff Polyurethan nutzen. Die Arbeitsgruppe veranstaltet halbjährlich Expertentreffen, um sich zu aktuellen Entwicklungen in speziellen Anwendungsgebieten auszutauschen.

E-Autos brauchen Wärme- und Schalldämmung

Da Elektromotoren kaum Wärme abgeben, lässt sich das Fahrzeuginnere nicht mehr aus der sowieso anfallenden Abwärme des Motors heizen, sondern muss auf Kosten der Reichweite elektrisch betrieben werden. Daher sind neue Designkonzepte des Fahrgastraumes und wärmedämmende Materialien erforderlich. Hier ergeben sich für Schaumkunststoffe, insbesondere für PUR-Schaumstoffe, neue Chancen.

Elektromotoren sind sehr geräuscharm. Das bringt aber nicht nur Vorteile mit sich. Fahrwind und Rollgeräusche werden plötzlich – da nicht mehr vom Sound eines Verbrennungsmotors überdeckt – unangenehm. Das gilt auch für andere Nebengeräusche wie Knacken oder Knarzen. Daher sind für Elektrofahrzeuge völlig neue Konzepte der Schallisolierung nötig. Auch hier bieten sich Lösungen auf Basis geschäumter Kunststoffe.

E-Mobilität steigert Nachfrage nach PUR-Schaum

Mit geschäumten Kunststoffen kann der Innenraum von Fahrzeugen sowohl schall- und vibrationsgedämmt als auch wärmegedämmt werden. Daher wird die Nachfrage nach Bauteilen aus Schaumstoffen in Zukunft steigen. Dabei sind Polyurethane vielseitig einzusetzen – von der Wärme- bis zur Schalldämmung. So lassen sich mit offenzelligen PUR-Schäumen Bauteile mit komplexen Geometrien und hochwertiger Oberflächen herstellen, die gleichzeitig eine gute Schalldämmung aufweisen.

So produziert die Firma Polytec seit 2020 eine Polyurethan-Motorabdeckung für einen Mild-Hybrid-Antrieb eines deutschen Automobilherstellers in Serie. In Zukunft sollen mehr als 600.000 Einheiten dieser anspruchsvollen Abdeckung pro Jahr vom Band laufen. Darüber hinaus beschäftigen sich Material- und Prozessexperten damit, wie man zukünftig Polyurethan-Rezyklate dem Fertigungsprozess wieder zuführen kann, um Ressourcen zu schonen.

Auch die Firma Foampartner arbeitet in Kooperation mit Rinspeed an der Entwicklung von neuen Fahrzeuginterieurs auf Basis von Polyurethanschaum. „Die Automobilwelt ist im Umbruch“, sagt Kay Kosar, Leiter der globalen Geschäftseinheit Acoustic & Thermal Solutions (A&TS) bei Foampartner. „Die zunehmende E-Mobilität verlangt nach neuen wertschöpfenden Konzepten, die das Fahrerlebnis signifikant steigern.“

Konzeptfahrzeug Micro Snap von Rinspeed: Neue Lösungen zur Schall- und Wärmedämmung auf Basis geruchsarmer PUR-Schaumstoffe für Dachhimmel, Türverkleidungen und Armauflagen.
Konzeptfahrzeug Micro Snap von Rinspeed: Neue Lösungen zur Schall- und Wärmedämmung auf Basis geruchsarmer PUR-Schaumstoffe für Dachhimmel, Türverkleidungen und Armauflagen.

Das von Rinspeed entwickelte Konzeptfahrzeug Micro Snap illustriert diesen Ansatz. Der 2019 auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas und auf dem Genfer Autosalon vorgestellte Micro Snap profitiert von neuen Lösungen zur Schall- und Wärmedämmung auf Basis geruchsarmer Schaumstoffe aus Polyurethanester und Polyurethanether für Dachhimmel, Türverkleidungen und Armauflagen.

Polyurethan macht Akkus sicherer

In modernen Elektrofahrzeugen kommen meist Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz. Wegen der hohen chemischen Reaktivität des Lithiums besteht bei Überhitzung Brandgefahr. Auch eine Beschädigung der luftdichten Versiegelung der einzelnen Akkuzellen, zum Beispiel bei einem Unfall, können Brände auslösen.

Die Herausforderung der Automobilhersteller lautet: Ein Batteriegehäuse zu entwickeln, das eine sehr hohe mechanische Festigkeit gewährleistetet und dennoch möglichst wenig Gewicht mitbringt. Derzeit entfallen ca. 20 bis 30 % des Gesamtgewichts eines Fahrzeuges allein auf die Einhüllung der Batterie. Faserverstärkte Kunststoffe können hier helfen, Gewicht einzusparen und Akkus bei Unfällen gegen mechanische Schäden zu schützen und so Batteriebrände zu vermeiden.

Wie Polyurethane dabei helfen können, zeigt Covestro mit einem neuen Akkukonzept. Dabei wird mittels Pultrusion ein stabiles, crashsicheres Gehäuse hergestellt und durch Verwendung wärmeleitender Lückenfüller und Kleber auf Polyurethanbasis als thermische Zwischenlagermaterialien (TIMs) die Batterieleistung verbessert.

Gehäuse aus pultrudierten PUR-Teilen

Autohersteller benötigen zudem modulare, leichte und stabile Batterierahmen, die viele Lithium-Ionen-Akkuzellen auf begrenztem Raum aufnehmen können und dabei sehr fest und steif bleiben. Mittels Pultrusion lassen sich Verbundrahmenteile aus langlebigem Polyurethanharz und Glas- oder Kohlefasern herzustellen: Endlosfasern werden durch eine gehärtete Pultrusionsdüse gezogen, während flüssiges Polyurethan eingespritzt wird. Das Material wird dann geformt und ausgehärtet, bevor es in die gewünschten Formen und Größen geschnitten wird. Dies ergibt ein stabiles, leichtes Batteriegehäuse in einem einzigen, kostengünstigen Herstellungsprozess.

Die so hergestellten Batteriegehäuse von Covestro übertreffen bisherige Materialien in mehreren Crashtestsimulationen. Dabei wurden Gehäuse getestet, bei denen pultrudiertes Polyurethan in der Bodenplatte, den Streben und dem Rahmen verwendet wird. In zwei wichtigen Simulationen – einem Crashtest nach chinesischer Norm und einem Seitenpolcrashtest nach NCAP-Anforderungen – übertraf die pultrudierte Konstruktion den Benchmark aus aktuellen Materialien.

Bei der Simulation wurden Energieabsorption und Verformung gemessen und die Ergebnisse zeigten eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung der Batteriezellen mit dem neuen Design. Auch in drei UNECE R100-Tests zur Bewertung der mechanischen Integrität, des mechanischen Stoßes und der Vibration erzielte das Covestro-Batteriedesign hervorragende Ergebnisse.

PUR als Wärmeleiter

Die Wärmeabfuhr von Batterien ist essenziell, sie verbessert den Durchsatz der Batteriezellen und schützt vor Überhitzung. Für eine optimale Wärmeabfuhr werden TIM (Thermal Interface Materials) als Lückenfüller und Klebstoff verwendet. Sie verbessern die Wärmeübertragung von den Batteriezellen zu den Kühlvorrichtungen. TIM, in die Polyurethane integriert sind, sind leichter und wärmeleitfähiger als herkömmliche Materialien auf Basis von Aluminiumoxid. Dadurch bringt das Elektrofahrzeug mehr Leistung und ein schnelleres Aufladen ist möglich.

„Dieser innovative Akkusatz übertrifft bei Crashtests nicht nur die Leistung von Benchmark-Materialien, sondern ist zudem auch leicht und modular“, so Galen Greene, Marketing Manager Transportation, Covestro.

Lösungen aus PUR für vielfältige Herausforderungen

Batteriegehäuse sowie Schall- und Wärmedämmung auf Basis von Polyurethan sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Vielzahl möglicher Anwendungen in Elektrofahrzeugen. Der FSK und seine Mitglieder verfügen über eine breit gestreute Expertise zu Schaumkunststoffen und arbeiten kooperativ an neuen Lösungen aus Polyurethan für die Zukunft der Elektromobilität.

Passend zu diesem Artikel