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News 7. August 2023

Tec Part: Altautoverordnung der EU zu ambitioniert

Tec Part kommentiert den Entwurf der EU-Kommission zur neuen Altautoverordnung und bezeichnet einige Vorgaben als zu ambitioniert oder sogar unrealistisch.

Die Forderung der neuen EU-Autoverordnung, die Kunststoffbauteile in Neufahrzeugen mit einem höheren Rezyklatanteil auszustatten, ist nachvollziehbar und wird von Tec Part ausdrücklich begrüßt. Allerdings hält Tec Part die vorgeschlagene Rezyklateinsatzquote von 25 % Post-Consumer-Rezyklat je
Die Forderung der neuen EU-Autoverordnung, die Kunststoffbauteile in Neufahrzeugen mit einem höheren Rezyklatanteil auszustatten, ist nachvollziehbar und wird von Tec Part ausdrücklich begrüßt. Allerdings hält Tec Part die vorgeschlagene Rezyklateinsatzquote von 25 % Post-Consumer-Rezyklat je Neufahrzeug bis 2030 im Moment aus verschiedenen Gründen für zu ambitioniert.

Der Entwurf der EU-Kommission zur neuen europäischen Altautoverordnung war lange erwartet worden, und Tec Part, der Verband Technische Kunststoff-Produkte e.V. in Frankfurt am Main, begrüßt ausdrücklich, dass diese Diskussionsgrundlage nun endlich vorliegt. Bei genauerem Hinsehen beklagt Tec Part allerdings, dass einige der Vorgaben zu ambitioniert sind. Schlimmer noch: Nachdem der Entwurf verschiedene Besonderheiten des Einsatzes von Kunststoffen im Automobilbau nicht berücksichtigt, sind für Tec Part einige der vorgeschlagenen Quoten unrealistisch.

Dennoch bleibt es dabei: Aus dem Entwurf zur neuen Altautoverordnung werden wichtige Ansätze zur Planbarkeit und damit zur Investitionssicherheit deutlich. Automobilhersteller, die Zulieferkette ebenso wie die Recycler sind nun dazu aufgerufen, sich bis Ende September 2023 eine Position zu erarbeiten, mit der es gelingen kann, den Rezyklatanteil in Fahrzeugen zu erhöhen. Diese Positionierung dient dann als Grundlage für weitere Gespräche mit der Kommission.

Erste Analyse zur Durchführbarkeit der EU-Altautoverordnung

Tec Part hat mit seinem Netzwerk zu interessierten Fachkreisen der OEMs, TIERs, Unternehmen der Kunststoff- und Kreislaufwirtschaft sowie mit seinen Mitgliedern in ersten Treffen bereits eine erste Analyse durchgeführt, um die Durchführbarkeit des Kommissionsentwurfs konstruktiv zu prüfen.

Plangröße bei der beispielhaften Überlegung sind 400 kg Kunststoffe, die in jedem Neufahrzeug verbaut werden. Davon fließen derzeit rund 200 kg aus den Materialien PE, PP, PA und ABS in die Kunststoffprodukte ein. Die andere Hälfte der Produkte entsteht aus mehr als 100 verschiedenen Kunststofftypen. Damit ist aus dieser Hälfte je Kunststofftype im Durchschnitt weniger als 2 kg im Auto verbaut. Aber auch diese Kunststoffteile leisten heute im Fahrzeug einen erheblichen Beitrag zur Gewichts- und damit zur Verbrauchsreduzierung der Fahrzeuge während der Nutzungsdauer, was sich im Vergleich zu anderen Werkstoffen positiv auf den CO2-Fussabdruck auswirkt.

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Post-Consumer Rezyklatquote von 25 % zu ambitioniert

Die Forderung der neuen EU-Autoverordnung, die Kunststoffbauteile in Neufahrzeugen mit einem höheren Rezyklatanteil auszustatten, ist nachvollziehbar und wird von Tec Part ausdrücklich begrüßt. Allerdings halten die Kunststoffexperten des Verbands die vorgeschlagene Rezyklateinsatzquote von 25 % je Neufahrzeug bis 2030 für Kunststoffprodukte, die schon im Gebrauch waren (PCR = Post-Consumer Rezyklate), im Moment aus verschiedenen Gründen für zu ambitioniert.

Denn das von Conversio erstellte und in der Branche anerkannte Stoffstrombild Kunststoffe 2021 geht davon aus, dass in Deutschland in der Automobilindustrie 1,2 Mio. t und in der Elektroindustrie 0,9 Mio. t Kunststoffe verarbeitet werden, zusammen also rund 2,1 Mio. t. Rund 1 Mio. t sind Materialien wie PE, PP oder PET, die auch für kurzlebige Wirtschaftsgüter wie Verpackungen eingesetzt, verarbeitet und gesammelt werden.

Aus den restlichen 1,1 Mio. t der in E+E- und Fahrzeuganwendungen verarbeiteten, meist technischen Kunststoffe wie PA, ABS, PBT, POM, PC und viele andere entsteht aber nach ihrer Nutzung kein großer Abfallstrom, auch weil die Einzelteile einer Baugruppe oft aus einem funktionalen Materialmix bestehen.

Ein Großteil der in Deutschland produzierten Fahrzeuge wird in andere Länder exportiert und steht damit nicht zur Verwertung in Deutschland zur Verfügung.
Ein Großteil der in Deutschland produzierten Fahrzeuge wird in andere Länder exportiert und steht damit nicht zur Verwertung in Deutschland zur Verfügung.

Nur 10% der produzierten Fahrzeuge werden hier auch verwertet

Der Abfallstrom wird bei den Fahrzeugen zudem limitiert, da ein Großteil der hier produzierten Fahrzeuge (2022: 3,5 Mio. Stück) zur Weiterverwendung in andere Länder exportiert wird und nur rund 10 % in Deutschland einer Verwertung zugeführt werden. Dazu kommt noch, dass die Rezyklate für den Fahrzeugbau nach dem Verordnungsentwurf der EU zukünftig nicht mehr aus der gemischten Schredderleichtfraktion der Altauto- und Altelektrogeräteverwertung gewonnen werden dürfen. Dies eliminiert eine wertvolle Quelle für hochwertige Kunststoffrezyklate, so Tec Part. Darüber hinaus sind die bisher häufig in Einsatz gebrachten Post-Industrial-Rezyklate (PIR), die aus sortenreinen Abfallströmen der Kunststoffverarbeitung für die Rezyklatherstellung verwendet wurden, auf die nun geforderte Rezyklatquote nicht anrechenbar.

25% der Rezyklate sollen aus Closed Loop alter Fahrzeuge stammen

Schließlich sollen in den 100 kg der ab 2030 in jedem Neufahrzeug verbauten Rezyklate 25 kg aus dem „Closed loop“ alter Fahrzeuge stammen. Rein rechnerisch müssten dann bezogen auf die 400 kg verbaute Kunststoffe je Fahrzeug und einem Rücklauf von nur 10 % aus den dann noch zur Verfügung stehenden 40 kg Kunststoff 25 kg Rezyklat gewonnen werden. Oder anders formuliert: Aus den Kunststoffabfällen der Altfahrzeuge sollen 63% wieder als Kunststoffrezyklate ins Auto fließen – sofern nicht andere Länder die Rezyklate für die deutsche Quotenerfüllung zur Verfügung stellen können.

Nachgefragt bei Tec Part, ob die entsprechenden Mengen auch zur Verfügung stehen, antwortet der Geschäftsführer Michael Weigelt: „Technologisch ist das mit den heute verfügbaren Verwertungssystemen nicht möglich. Zu hoffen ist, dass die sich häufig ändernde Chemikaliengesetzgebung in 2030 die Materialien, die 2010 auf die Straße gebracht und in den Fahrzeugen 20 Jahre genutzt und kontaminiert wurden, dann noch vollumfänglich für eine Wiederverwendung zulässt.“

Fakt ist laut Tec Part, dass die angedachten Quoten für die Fahrzeuge bezogen auf die 400 kg, die im Beispiel eingesetzt wurden, von 20 kg PCR und PIR-Materialien auf künftig 25 kg Rezyklate aus alten Autos und 75 kg aus PCR-Materialien gesteigert werden sollen.

Entwicklungszyklen der Automobilindustrie nicht berücksichtigt

Die Vorstellung, dass dies bereits bis 2030 gelingt, orientiert sich im Entwurf der EU-Kommission nicht an den bisherigen Entwicklungszyklen der Automobilindustrie. Mindestens zwei Jahre vor Serienstart rollen in der Regel bereits die Prototypen auf der Straße zur Erprobung der neuen Komponenten. Zwei Jahre davor müssen die Materialien festgelegt und qualifiziert worden sein, ebenso wie die gesicherte Materialversorgung. Damit sind die Material- und Rezyklaterzeuger bereits heute gefordert, sich entsprechende Abfallströme gleichbleibender Qualität aus Post-Consumer-Abfällen zu sichern.

Darüber hinaus müssen die Zuliefer-, wie auch die Automobilindustrie, schnellst möglich Bauteile so konstruierten, dass sie auch unter dem Einfluss von potenziellen Schwankungen von Rezyklaten funktionieren. Multimaterialsysteme müssen reduziert und die Demontierfähigkeit erhöht werden, um qualitativ und quantitativ bessere Abfallströme für die Wiederverwendung in Zukunft zur Verfügung zu haben.

Sortenreine Industrieabfälle werden nicht mehr angerechnet

Da die Rezyklateinsatzquoten auch für andere Branchen bis 2030 ansteigen werden – wie zeitgleich in den Verpackungsanwendungen diskutiert – und nach dem Entwurf der Kommission PIR nicht mehr als „quotenfähiges“ Rezyklat zählen soll, ist eine drastische Steigerung der Kunststoffverwertung von Post-Consumer-Abfällen in Deutschland und Europa erforderlich. Aus den heute in Deutschland jährlich anfallenden rund 5,4 Mio. t Kunststoffabfällen nach Gebrauch müssten rechnerisch nicht wie bisher 1,3 Mio. t (24%), sondern 3,8 Mio. t (70%) Rezyklate (PCR-Verwertungsquote) hergestellt werden.

Für die im Tec Part organisierten Kunststoffrecycler wären solche Rezyklatmengen der dafür erforderlichen Abfallströme im aktuellen Preiskampf zwar wünschenswert; realistisch sind sie aber nicht. Vielmehr stellt sich für Tec Part die Frage, wenn PIR nicht mehr als Rezyklat für die Quote gezählt wird, was dann mit den sortenreinen Industrieabfällen passiert, insbesondere in einer Situation, wie wir sie derzeit erleben, wo Originalware günstiger ist als das Pendant aus Rezyklat.

Tec Part Geschäftsführer Michael Weigelt: „„Es darf nicht passieren, dass wertvolle und sortenreine Industrieabfälle künftig nicht mehr zur Rezyklatquote für Fahrzeuge gezählt werden.“
Tec Part Geschäftsführer Michael Weigelt: „„Es darf nicht passieren, dass wertvolle und sortenreine Industrieabfälle künftig nicht mehr zur Rezyklatquote für Fahrzeuge gezählt werden.“

Weigelt ist irritiert ob des Ausschlusses von PIR. „Es darf nicht passieren, dass wertvolle und sortenreine Industrieabfälle, die zudem häufig aus den dringend erforderlichen technischen Kunststoffen sind, künftig nicht mehr zur Rezyklatquote für Fahrzeuge gezählt werden sollen. Damit gehen rund 600.000 t Rezyklate verloren, insbesondere dann, wenn die Neuware unter dem Preis des Rezyklat liegt. Bereits heute stellen daher einige Recycler, die schon jetzt unter dem hohen Strompreis leiden, ihr Geschäftsmodell in Frage.“

Die automobile Wertschöpfungskette ist aufgerufen, sich bewusst zu machen, was im vorgelegten Entwurf der europäischen Altfahrzeugverordnung steht. Nur mit einer in sich geschlossenen Argumentation zu den Zielen des Entwurfs der EU-Kommission werden Kunststoffe auch künftig noch ihre wichtige Rolle bei der Gewichts-, Emissions- und Verbrauchsreduzierung im Fahrzeug spielen können, so Tec Part.

Nicht vergleichbar: Autos sind keine Verpackungen

Der vorliegende Entwurf wird deshalb bei Tec Part mit interessierten Stakeholdern gemeinsam kommentiert und konstruktiv bis zu einem harmonisierten Branchenstatement zum Entwurf der EU-Altfahrzeugverordnung begleitet. Das Ziel von Tec Part ist es, sich für realistische und umfassende (PIR und PCR) Rezyklat- und Zeitvorgaben einzusetzen, die dann auch die erforderlichen Sicherheitsaspekte im Fahrzeug besser würdigen, als dies eine pauschale Quote leisten könnte. Auch gilt es deutlich zu machen, dass Autos keine Verpackung sind. Soll heißen, dass die fünf wesentlichen Materialien, wie sie in der Verpackung mit rund 4,4 Mio. t/a verarbeitet werden, gut nutzbare und große Abfall-Stoffströme erzeugen, anders als die 1,2 Mio.t Kunststoffe pro Jahr, die im Fahrzeugbau mit über 100 Materialien eingesetzt werden.

Einladung zur aktiven Mitarbeit am Branchenstatement

Um eine für alle Seiten akzeptable und zielführende Altautoverordnung auf den Weg zu bringen, lädt der Verband der Technischen Kunststoffprodukte Tec Part ausdrücklich zur aktiven Mitarbeit an einem harmonisierten Branchenstatement ein.

Tecpart-Geschäftsführer Michael Weigelt setzt übrigens sich schon seit vielen Jahren für klare, aber auch realistische Rahmenbedingungen und für eine Unterstützung der Industrie bei der Transformation zu einer klimaneutralen Produktion ein. Mehr dazu in seinem Gastkommentar in der K-ZEITUNG

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