Direkt zum Inhalt
Veranstaltungen 12. März 2024

IKV-Kolloquium: Ohne Maschinenbau keine Zukunft

Das diesjährige internationale Kolloquium Kunststofftechnik des IKV betonte die Innovationskraft der K-Branche in der Krise. 600 Teilnehmer informierten sich über neueste Entwicklungen und Technologien.

IKV-Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann begrüßt auf dem 32. IKV-Kolloquium Ende Februar in Aachen rund 600 Experten aus Forschung und Industrie in der Kunststoffbranche.
IKV-Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann begrüßt auf dem 32. IKV-Kolloquium Ende Februar in Aachen rund 600 Experten aus Forschung und Industrie in der Kunststoffbranche.

Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen bietet mit seinem alle zwei Jahre durchgeführten IKV-Kolloquium ein lebendiges Forum für den fachlichen Austausch der Kunststoffbranche. Rund 600 Teilnehmer aus Forschung und Industrie ergriffen am 28. und 29. Februar 2024 die Gelegenheit, sich auf dem 32. IKV-Kolloquium im Aachener Eurogress über die neuesten Entwicklungen und Technologien in der Kunststoffbranche zu informieren. Hochkarätige Plenarredner, darunter IKV-Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann und der VDI-Präsident Prof. Lutz Eckstein, warben für die Innovationskraft der Branche und die Zukunft des Ingenieurberufs.

In der Krise neue Perspektiven erkennen

Das Kolloquium hat auch gezeigt, dass die Kunststoffbranche in Deutschland aktuell vor großen Herausforderungen steht – allen voran die stetig sinkende Zahl an Nachwuchskräften sowie eine sehr im internationalen Vergleich schlechte Performance bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung. Dennoch – so der Tenor vieler Teilnehmer – ist die K-Branche in Deutschland weiterhin sehr innovativ und entwickelt zahlreiche neue Lösungen, die den aktuellen Herausforderungen gerecht werden.

Die kurzatmige Hektik des zunehmend von Krisenmeldungen geprägten Alltags zu durchbrechen und innezuhalten, um Standpunkte zu reflektieren und neue Perspektiven zu erkennen, das sei derzeit besonders notwendig, ermunterte Prof. Hopmann bei der Begrüßung der Teilnehmer. Dazu bot das Kolloquium reichlich Gelegenheit: bei der Präsentation neuester Forschungsergebnisse in 15 Vortragssessions, bei Führungen durch Technika und Labore des IKV, auf der Industrieausstellung im Foyer des Eurogress, beim Recruiting Speeddating und nicht zuletzt in den Pausen zwischen den Programmpunkten.

Wertvolle Denkanstöße auf dem IKV-Kolloquium

Ad

Viele wertvolle Denkanstöße kamen von den Keynote-Speakern, die sich den Zukunftsthemen der Branche aus unterschiedlichen Blickwinkeln näherten. VDI-Präsident Prof. Dr.-Ing. Lutz Eckstein machte deutlich, wie wichtig der Berufsstand der Ingenieure für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ist. „Ohne den Maschinenbau findet in Deutschland keine Zukunft statt“, so Eckstein. Es sei zwar breiter Konsens, dass technische Innovationen für Wirtschaft, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit wichtig seien, gleichzeitig seien Ingenieure und Ingenieurinnen im öffentlichen Bewusstsein wenig präsent.

Prof. Eckstein forderte die anwesenden Teilnehmer auf, sich selbstbewusst in der Gesellschaft zu engagieren, die Menschen für technische Innovationen zu begeistern und mitzunehmen. „Verlassen Sie sich nicht allein auf Politik und Medien, sondern tragen Sie alle dazu bei, das Vertrauen in Technologie und Fortschritt gesellschaftlich zu festigen“, so Prof. Eckstein. Um Zukunftsfähigkeit zu erreichen, müssten Fakten klar kommuniziert und Fiktionen als solche erkennbar werden.

Auch IKV-Institutsleiter Prof. Christian Hopmann thematisierte die große Skepsis der Gesellschaft gegenüber neuen Technologien sowie die Nachwuchssorgen, die die ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen umtreiben. Er erklärte, was das IKV unternimmt, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu sichern. Doch die Entwicklung in Deutschland insgesamt sei bedenklich: „Die Zahl der Studienanfänger, die sich für den Fachbereich Maschinenbau einschreiben, hat sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren halbiert. Einen derartigen Rückgang hat es in keinem anderen Fachbereich gegeben“, so Prof. Hopmann. Deutschland gehen die Ingenieure aus, eine Gefahr für den Technologie- und Innovationsstandort Deutschland.

Riesiges Potenzial bei der Digitalisierung

Prof. Hopmann zeigte aber auch auf, wie die Kunststofftechnik mit neuen Entwicklungen vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung einer befürchteten Deindustrialisierung in Deutschland entgegentreten kann. Beide Themen stehen im Mittelpunkt zahlreicher Forschungsprojekte am IKV, über die er einen Überblick gab. „Wir brauchen eine digitale Wertschöpfungskette, insbesondere für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Hier liegt noch ein riesiges Potenzial, welchen wir heben sollten.“

In diesem Kontext stellte Prof. Hopmann seinen Kollegen Prof. Dr.-Ing. Achim Grefenstein vor, der seit Januar 2024 in der neu geschaffenen Position eines wissenschaftlichen Direktors für Kreislaufwirtschaft am IKV tätig ist. Prof. Grefenstein ist seit 1998 Dozent für Compoundiertechnik und Recycling an der RWTH und dem IKV. Künftig wird der – neben seiner Tätigkeit in der Industrie als R&D-Leiter bei Constantia Flexibles – das Thema Kreislaufwirtschaft am IKV vorantreiben. Damit unterstreicht das IKV die Bedeutung der Nachhaltigkeit für die eigene Forschung und schafft eine weitere wichtige Verbindung zur Industrie.

Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Denkanstöße zum Potenzial von Kunststoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe lieferte der Plenarvortrag von Dr.-Ing. Martin Bussmann (Neste SE). Er ordnete den Themenkomplex sehr übersichtlich ein, von der Unterscheidung zwischen biobasierten und bioabbaubaren Kunststoffen über verschiedene Quellen bis zur kommerziellen Verfügbarkeit von Biokunststoffen. Er wies auf zahlreiche verschiedene Normen für die Abbaubarkeit und Anwendung hin und deckte Widersprüche zwischen Erwartungen und Möglichkeiten auf. Sowohl für biobasierte als auch für bioabbaubare Kunststoffe gibt es bereits sinnvolle Einsatzbereiche und Ansätze, die es lohnen, weiterverfolgt zu werden.

Dr. Alexander Kronimus, Geschäftsführer und Leiter Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft von Plastics Europe Deutschland, beschrieb die Aufgaben der Kunststoffindustrie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Europas 2050. Nach einer Analyse des Status-quo in Europa kam er zu dem Schluss, dass sich das Ziel mit einer Klimaoptimierung des bestehenden Kunststoffsystems nicht erreichen lässt. Nötig sei vielmehr eine Integration der Basischemie in die Kreislaufwirtschaft, sodass Plastikabfall nicht nur als Rohstoffquelle für die Kunststoffkreislaufwirtschaft dient, sondern für die Herstellung von Grundchemikalien genutzt werden kann.

Aktuelle Forschung für die Praxis am IKV

Die insgesamt 15 Vortragssessions, in denen jeweils aktuelle Forschungsergebnisse des IKV zu Themen aus der Industrieforschung in Bezug gesetzt wurden, bildeten das Rückgrat des 32. Kolloquiums. Die Diskussionsrunden am Ende jeder Session wurden intensiv zum Austausch genutzt. Im Einklang mit der Zielsetzung des IKV „Forschung für die Praxis“ widmeten sie sich besonders den Perspektiven und Anforderungen der Industrie. Neben der übergreifenden Rolle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung ging es unter anderem um neue Prozesstechnologien im Spritzgießen, in der Extrusion und in der Fügetechnik sowie um Simulationen und Modelle für Materialien und Verfahren.

IKV 360° – Labore und Technika live erleben

Im Rahmen von IKV 360° hatten die Besucher die Gelegenheit, die in den 15 Sessions vorgestellten Themen in der Praxis zu erleben und darüber hinaus weitere Einblicke in die aktuelle Forschung am IKV zu gewinnen. Auf der Tour durch sämtliche Hallen und Labore des IKV standen die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an rund 80 Stationen bereit, um den Gästen ihre Arbeit vorzustellen und Fragen zu beantworten. Laufende Maschinen und Prozesse aus zahlreichen den Bereichen der Kunststofftechnologie vermittelten anschaulich die Bandbreite und den Praxisbezug der IKV-Forschung.

Mit Recruiting Speeddating junge Talente begeistern

Die Kunststoffindustrie und junge Talente zusammenzubringen, war das Anliegen des Recruiting Speeddating. In kurzen, prägnanten Gesprächen konnten Studierende und Absolventen mit potenziellen Arbeitgebern in Kontakt treten und sich über ihre Zukunftschancen informieren. Gleichzeitig konnten sich die rund 20 teilnehmenden Unternehmen als Arbeitgeber präsentieren, ihre potenziellen Bewerber kennenlernen und passende Kandidaten für Praktika und Einstiegspositionen in der Kunststoffindustrie finden. Das Feedback war durchweg positiv und sowohl Bewerber als auch Unternehmen waren mehr als zufrieden.

Kontakte knüpfen und pflegen

Während des gesamten Kolloquiums hatten die Besucher in einer 400 m² umfassenden Industrieausstellung die Gelegenheit, Netzwerke zu pflegen und Austausch mit Experten, Entscheidungsträgern und Geschäftspartnern zu betreiben. Unter den rund 40 Ausstellern war die gesamte Wertschöpfungskette der Kunststoffbranche vertreten, von Maschinen- und Anlagenherstellern über Verarbeiter und Rohstofflieferanten bis hin zu Herstellern von Analyse- und Prüftechnik sowie Consultingunternehmen.

Viele der Aussteller sind bereits seit Jahren dabei – wie in jedem Jahr konnte das IKV aber auch Neuausteller gewinnen. Besonderes Interesse erregten die beiden aus dem IKV hervorgegangenen Start-ups Ion Kraft und Osphim, die jeweils mit einem eigenen Stand vertreten waren.

Nächstes IKV-Kolloquium 2026

Das 33. Internationale Kolloquium Kunststofftechnik des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen findet am 4. und 5. März 2026 wiederum in Aachen statt. mg

Passend zu diesem Artikel