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Management 10. März 2020

Führungskräfte auf dem Abstellgleis?

Braucht es in agilen Zeiten überhaupt noch Führungskräfte oder sind diese längst auf dem Abstellgleis? Eine Expertin kommentiert die aktuelle Führungsrolle.
Der Vorgesetzte im Gespräch mit seinen Mitarbeitern – hat sich die Führungsrolle in agilen Zeiten nur verändert oder geraten Führungskräfte womöglich ganz aufs Abstellgleis?
Der Vorgesetzte im Gespräch mit seinen Mitarbeitern – hat sich die Führungsrolle in agilen Zeiten nur verändert oder geraten Führungskräfte womöglich ganz aufs Abstellgleis?

Braucht es in agilen Zeiten überhaupt noch Führungskräfte oder sind diese längst auf dem Abstellgleis? Eine Expertin kommentiert die aktuelle Führungsrolle.

Agile Methoden verändern nicht nur den Arbeitsstil in Unternehmen, sondern haben auch Einfluss auf die Rolle der Führungskräfte – braucht es diese dann überhaupt noch oder gehören sie schon bald aufs Abstellgleis? Dieser Frage geht Brigitte Fritschle, geschäftsführende Gesellschafterin von Böning-Consult, nach und kommentiert:

Brigitte Fritschle, geschäftsführende Gesellschafterin von Böning-Consult
Brigitte Fritschle, geschäftsführende Gesellschafterin von Böning-Consult

„Selbstorganisation, Eigenmotivation und Persönlichkeitsweiterentwicklung – Experten vom Wissenschaftler bis zum Personaler erwarten diese Dinge heutzutage vom modernen Mitarbeiter. Brauchen wir eigentlich noch Führung? Technologischer Fortschritt und dezentrale Arbeit übernehmen das Kommando, Eigenverantwortung ist in aller Munde. Da fällt die Führung doch schnell hinten rüber, oder?

Jeden sich selbst zu überlassen stellt eine idealistische Haltung dar mit einem leichten Hang zur Arroganz. Unterschiedliche Meinungsführer treiben die Debatte über die Eigenverantwortung dennoch stetig voran, ohne dabei die Realität im Auge zu behalten: Was passiert in diesem Zuge mit denjenigen, die über nicht so viel Selbstvertrauen verfügen? Bei dieser Denkweise bleiben diejenigen auf der Strecke, die nicht den Schwung mitbringen, bei neuen Projekten nach vorne zu stürmen und sich etwa mit besonderen Ideen oder großem Fachwissen in den Vordergrund zu spielen.

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Führung gibt Sicherheit

Diese Brainworker brauchen jemanden, der sie in ihrer Freiheit leitet – ihnen eine Richtung vorgibt. Hier schaltet sich die Führung ein. Definierte Spielregeln – Leitplanken – und regelmäßige Feedbackrunden geben die gewisse Sicherheit, die es braucht, um nicht vom richtigen Weg abzukommen oder den Fokus zu verlieren. Solche Streckenbegrenzungen können ganz unterschiedlich aussehen.

Angesprochene Leitplanken nehmen unterschiedliche Gestalt an – je nachdem, was gerade angebracht ist beziehungsweise was die betroffene Person in bestimmten Situationen benötigt. Dabei kann es sich um Zeit handeln, die man sich nehmen muss, um wohldurchdachte und angemessene Worte, die einiges bewirken, oder einfach um Aufmerksamkeit, die man jemandem schenkt. Im Mittelpunkt steht, das Gefühl von Geborgenheit und Relevanz zu vermitteln – eine Aufgabe, der sich Führungskräfte von heute annehmen müssen.

Es geht nicht darum, Dinge von oben herab zwingend durchzubringen. Es geht vielmehr darum, sich Fragen stellen zu lassen – und sie ernst zu nehmen. Auf dieser Grundlage gilt es, in einer immer komplexeren Welt Ziele und Lösungen nachvollziehbar anzubieten und seinen Mitarbeitern entgegenzukommen, ohne dabei die unternehmerischen Werte und Ziele zu vernachlässigen. Besonders negativ allerdings: mangelnde Transparenz und widersprüchliche Kommunikation. Beides erhöht den Druck auf die Mitarbeiter, die sich möglicherweise schon am Limit befinden.

Neue Herausforderungen für Führungskräfte

Verantwortliche in der Führung stehen vor der Herausforderung, junge Menschen sowie unsichere und sensible Persönlichkeiten abzuholen und ihnen eine Richtung aufzuzeigen. Häufig prasseln auf Absolventen, Berufsanfänger oder gar erfahrene Mitarbeiter von allen Seiten erstrebenswerte Lebens- und Denkentwürfe ein – sei es von Lehrern, Dozenten, Freunden, Eltern oder Influencern –, sodass ihnen oftmals der Blick für den richtigen Weg fehlt.

‚Was erwartet mein Arbeitgeber?‘, ‚Wem soll ich glauben?‘, ‚Wie muss ich mich in bestimmten Situationen verhalten?‘ … Diese Individuen benötigen Anstöße, ohne dass sie dabei den notwendigen Raum zur Entfaltung verlieren. Das Motto lautet dann: ‚So wenig Einmischung wie möglich, so viel wie nötig.‘ Überraschende Verhaltensweisen der jungen Menschen gehören dazu – und sollten als normal erachtet werden.

Keineswegs Abstellgleis

Auf dieser Grundlage steht Führung keineswegs auf dem Abstellgleis. Die Kunst besteht darin, Augenmaß zu entwickeln. Führungskräfte sind deswegen in erster Linie Menschenkenner, Empathen. Sie wissen, an welchen Stellen sie sich zurücknehmen können und wann sie handeln müssen. So blicken Mitarbeiter auf echte Vorbilder.“

Brigitte Fritschle / kus

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