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Werkstoffe 1. August 2023

Aus Polystyrol-Abfällen werden Basischemikalien

Aus Polystyrol-Abfällen lassen sich wertvolle Basischemikalien rückgewinnen. Und das auch ohne teure Katalysatoren oder energieintensive Prozesse.

Styropor-Abfall bei der Bausanierung landet meist in der Verbrennungsanlage.
Styropor-Abfall bei der Bausanierung landet meist in der Verbrennungsanlage.

Ein amerikanisches Forschungsteam entwickelt einen thermochemischen Recyclingprozess, bei dem aus Polystyrol-Abfällen in nur zwei Prozessschritten hochwertige Basischemikalien hergestellt werden. Vor allem Pack- und Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol (EPS) könnten somit in eine echte chemische Kreislaufwirtschaft rückgeführt werden.

Polystyrol-Abfälle werden bislang kaum recycelt

Polystyrol, der Grundstoff für Plastikgeschirr und EPS-Schäume, ist eines der am meisten verwendeten Polymere, wird aber bislang kaum recycelt, das bestehende Verfahren sehr teuer sind. „Mit unserer neuen Degradation-Upcycling-Technik könnte aus Polystyrol-Abfällen eine Bibliothek hochwertiger aromatischer Basischemikalien gewonnen werden“, erläutert Prof. Guoliang Liu vom Virginia Polytechnic Institute in Blacksburg, USA.

Liu und seine Ko-Autoren erläutern in der Zeitschrift Angewandte Chemie, wie dieser zweistufige Prozess ohne den Einsatz teurer Katalysatoren und übermäßig viel Energie funktioniert: Zuerst wird Polystyrol zu Benzol abgebaut, das in einem zweiten Reaktionsschritt noch im gleichen Reaktor chemisch verändert wird. Dabei entstehen Benzolderivate, die wichtige Grundstoffe für die Kosmetik- und Pharmaindustrie sind.

Um Polystyrol in seine Komponenten abzubauen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die aber zumeist teure Katalysatoren erfordern oder sehr energieintensiv sind. Liu und seine Kollegen entwickelten nun ein thermochemisches Verfahren, das mit preiswertem Aluminiumchlorid als Katalysator funktioniert und bei moderaten 80 °C abläuft. Ein weiterer Vorteil sei die intelligente Nutzung des Lösungsmittels Benzol. „Nur das aus dem Polymer abgebaute Benzol wird in das gewünschte chemische Produkt umgewandelt. Nicht verwendetes Lösungsmittel wird in die Verarbeitung von mehr Polymerrohstoff recycelt“, sagt Liu.

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Hohe Ausbeute an Basischemikalien

Als Beweis für die Machbarkeit der Strategie löste das Team Polystyrol-Abfälle wie Verpackungsschaum oder Plastikgeschirr in Benzol auf und erwärmte die Mischung in einem Reaktor unter Luftausschluss mit Aluminiumchlorid als einzigem Reagenz. Das flüssige Produkt, hauptsächlich Benzol, konnte in hoher Ausbeute und Selektivität direkt zu höherwertigen Chemikalien umgesetzt werden.

Das Prinzip des Upcycling von Polystyrol-Abfall zu hochwertigen aromatischen Basischemikalien.
Das Prinzip des Upcycling von Polystyrol-Abfall zu hochwertigen aromatischen Basischemikalien.

Durch Zugabe des Reagenzes Acetylchlorid erhielt das Team zum Beispiel Acetophenon, das eine wichtige Grundchemikalie für die Kosmetik- und Pharmaindustrie ist. Mit dem ähnlichen Reagenz Oxalylchlorid entstand Benzophenon, ein Bestandteil von Sonnenschutzmitteln und wichtiges Kunststoffadditiv. Schwefelhaltige aromatische Produkte – zum Teil Hochleistungslösungsmittel für die Kunststoffindustrie – ließen sich ebenfalls mit einer hohen Selektivität aus den Polystyrol-Abfällen gewinnen.

Das neue Upcyling-Verfahren zielt darauf ab, großvolumige Polystyrol-Abfälle zu hochwertigen Basischemikalien zu recyclen und anderen Prozessen zur Verfügung zu stellen. Besonders Schäume und Dämmstoffe eignen sich kaum für ein profitables mechanisches Recycling durch Sortierung, Schreddern und Transport zur Erzeugung neuer Werkstoffe. Der Degradation-Upcycling-Prozess sei hingegen robust, toleriere Kontaminationen und eigne sich als Plattform für chemisches Upcycling großvolumiger Polystyrol-Abfälle. mg

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