Das Hinterrad schwingt mit Carbon
BMW Motorrad entwickelt preisgekrönte Hinterradschwinge aus CFK-verstärkten Spritzgussteilen mit eingeschlossenen CFK-Tapes.
BMW Motorrad hat für die Entwicklung und Herstellung einer Hinterradschwinge aus Carbon den JEC Innovation Award 2018 erhalten. Die Preisverleihung fand im Rahmen der JEC World Anfang März in Paris statt. Den Preis nahm Dr. Joachim Starke, bei BMW übergreifend verantwortlich für Förderprojekte Faserverbund-Leichtbau entgegen.
Intelligenter Materialmix
Sowohl bei Automobilen als auch Motorrädern setzt die BMW Group auf Leichtbau und einen intelligenten Mix unterschiedlicher Materialien mit Carbon als bedeutendem Werkstoff. Jüngstes Beispiel von BMW Motorrad war die HP4 Race, deren kompletter Hauptrahmen bereits aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff im industriellen RTM-Verfahren gefertigt wurde. Mit dem Carbon-Rahmen der HP4 Race schlug BMW Motorrad 2017 ein neues Kapitel im Fahrwerksbau von Motorrädern auf.
CFK-Spritzguss mit eingelegten CFK-Tapes
Mit einer Hinterradschwinge aus Carbon, die ebenfalls in einem industriellen Herstellungsverfahren entsteht, geht BMW Motorrad nun einen weiteren Schritt in Richtung Leichtbau. So gelang dem Motorradhersteller zusammen mit Partnern, bei diesem Bauteil einen serientauglichen Fertigungsprozess von CFK-verstärkten Spritzgussteilen mit eingeschlossenen CFK-Tapes unter Verwendung von thermoplastischem Kunststoff wirtschaftlich darzustellen.
Endlosfasern nur dort, wo man sie braucht
BMW Motorrad Projektleiter Elmar Jäger sagt zur Konzeptentwicklung: "Wir haben uns für dauerbelastete Fahrwerkskomponenten entschieden, da diese besonders hohe Anforderungen stellen. Während Pkw-Fahrwerksteile im Verborgenen sitzen, bot sich für unser Projekt die sichtbare Motorrad-Hinterradschwinge an, denn hier ist auf den ersten Blick erkennbar, welche Belastungen auftreten. Unsere Fertigungstechnik sieht CFK in Form von starken Endlosfasern dort vor, wo es die Belastungen erfordern, während ein Spritzgussumfang mit kurzen CFK-Recycling-Fasern dort zum Einsatz kommt, wo die Belastungen nicht ganz so hoch sind."
Auf diese Weise hat BMW eine kostengünstige Bauweise realisiert, die je nach Anforderungen skalierbar ist, indem mehr oder weniger "starke" Endlosfasern in das gleiche Werkzeug eingelegt werden. "Die Erkenntnisse, die wir mit der Motorrad-Komponente gewonnen haben, sind gleichermaßen für die Pkw-Entwicklung wertvoll und übertragbar", so Jäger.
Taktzeiten unter einer Minute
Joachim Starke erläutert das neue Fertigungsverfahren und seine Vorteile: "Neben Gewichtsvorteilen und erheblicher Kostenreduzierung ist es uns gelungen, eine Technologie zu entwickeln, die es ermöglicht, durch unterschiedliche Composite- und Metall-Einleger die Bauteileigenschaften gezielt einzustellen." Diese Skalierbarkeit bedeutet, dass sich mit nur einem Werkzeug bei Taktzeiten von unter einer Minute eine große Vielfalt unterschiedlicher Bauteile produzieren lässt. Die maximale Festigkeit kann durch zusätzlich angebrachte CFK-Platten eingestellt werden, die thermoplastisch zu fügen sind. Dazu wurden Versuche mit Schweißrobotern erfolgreich durchgeführt.
"All das hat ganz erheblichen Einfluss auf die Bauteilkosten sowie die Eigenschaften des Bauteils", so Starke weiter. "Mit diesem Projekt am Beispiel der Hinterradschwinge hat BMW Motorrad eine Vorreiterrolle in der Fahrzeugindustrie übernommen. Die gewonnenen Erkenntnisse bauen auf dem BMW i3 als Keimzelle für den CFK Serieneinsatz auf und bieten interessante Aspekte für die zukünftige Entwicklung neuer Motorräder und Automobile."
mg