Direkt zum Inhalt
Management 12. Februar 2018

Welche Faktoren bei Burn Out eine Rolle spielen

Immer mehr Berufstätige kämpfen wegen des erhöhten Arbeitsdrucks mit psychischen Problemen. Meisten haben die Ursachen jedoch auch andere Gründe.
Burn-out hat nicht nur berufliche Ursachen.
Burn-out hat nicht nur berufliche Ursachen.

Immer mehr Berufstätige kämpfen wegen des erhöhten Arbeitsdrucks mit psychischen Problemen. Meistens haben die Ursachen jedoch auch andere Gründe.

Neben der Zahl der Arbeitnehmer mit psychischen Belastungen oder gar Erkrankungen, steigt auch die Zahl der Burn-out-Fälle. Ursache hierfür: Die steigende Arbeitsbelastung in den Betrieben. In vielen Unternehmen geht es heute hektischer als früher zu. Zudem sind die Beschäftigungsverhältnisse oft fragiler: Angefangen bei den gering Qualifizierten, die heute häufig nur noch Minijobs und Jobs bei Zeitarbeitsfirmen finden, bis hin zu den Hochqualifizierten, die in den ersten Berufsjahren häufig nur Zeitverträge erhalten.

Doch darin die alleinige Ursache der wachsenden Belastung zu sehen, das greift zu kurz. Unser gesamtes Leben hat sich verändert. Heute wird von den Menschen zum Beispiel insgesamt erwartet, mehr Eigenverantwortung zu zeigen und "private Vorsorge" zu betreiben. Das trägt ebenfalls zur steigenden Belastung bei. Noch entscheidender ist jedoch, dass sich auch die Sozialstrukturen in unserer Gesellschaft verändert haben.

Unterstützungssystem fehlt oft

Vor wenigen Jahrzehnten waren Familien mit drei, vier Kindern ganz normal. Auch der Nachwuchs der eigenen Kinder wuchs  in der Nähe des Elternhauses – wenn nicht gar am selben Ort auf. Entsprechend groß waren das familiäre Unterstützungssystem und der über Jahrzehnte gewachsene Freundeskreis, auf den sich bei Bedarf gestützt werden konnte.

Ad

Heute hingegen dominieren zumindest in den städtischen Ballungsräumen die Singlehaushalte, auch weil die (Liebes-)Beziehungen brüchiger wurden. Und die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie? Sie ist in den Großstädten fast schon die Ausnahme. An ihre Stelle sind die Alleinerziehenden mit Kindern und die Patchwork-Familien getreten. Und die Verwandten, auf die man im Bedarfsfall zurückgreifen kann? Sie existieren vielfach nicht mehr. Oder wohnen Hunderte von Kilometern entfernt.

Auch das erhöht den Druck, unter dem Berufstätige stehen. Denn wegen der fehlenden Unterstützungssysteme werden oft schon Kleinigkeiten zum Stress verursachenden Problem. Zum Beispiel das Paket, das bei der Post abgeholt werden muss. Oder der Besuch eines Handwerkers.

Work-Life-Balance kommt zu kurz

Übereinstimmend betonen Experten: Die veränderte Arbeitswelt ist nur einer von vielen Faktoren, warum heute mehr Berufstätige als früher unter einer großen psychischen Anspannung stehen. Deshalb greifen alle betrieblichen Work-Life-Balance-Konzepte zu kurz, die ihren Blick nur auf die Arbeitswelt richten. Ihr Ausgangspunkt sollte sein: Wie leben die Mitarbeiter heute und mit welchen Anforderungen sind sie aufgrund ihrer Lebenssituation konfrontiert?

Dasselbe gilt für die Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch sie greifen oft zu kurz, weil sie den Fokus primär auf Familien und Alleinerziehende mit Kindern richten. Dabei stehen Singles häufig  "noch stärker unter Strom" als stolze Väter und Mütter – unter anderem, weil sie mehr Zeit in die Pflege eines Freundes- und Bekanntenkreises investieren müssen, der sie emotional trägt.

Viele Berufstätige sind heute aufgrund des fehlenden privaten Unterstützungssystems sehr verletzlich. So lange im Leben alles glatt läuft, ist das meist kein Problem. Doch wehe die Liebesbeziehung oder Ehe bricht auseinander und die Person fällt in ein emotionales Loch. Oder sie erkrankt. Oder ein Elternteil wird zum Betreuungsfall. Dann geraten viele Berufstätige schnell an ihre Belastungsgrenze. Kommen dann noch berufliche Sorgen hinzu, wird die persönliche Krise akut.

Die Balance im Leben bewahren

Bei fast allen Burn-out-Gefährdeten und -Geschädigten hat die Überlastung auch private oder persönliche Gründe. Da ist zum Beispiel die Controllerin, die seit Jahren unter Schlafstörungen leidet – auch weil sie nicht den gewünschten Lebenspartner findet. Oder da ist der Salesmanager und Vater zweier Kinder, der meist nur am Wochenende zuhause ist, weshalb es in seiner Ehe kriselt. Oder da ist die Lehrerin, deren Vater einen Schlaganfall erlitt und nun einer intensiven Pflege bedarf. Bei all diesen Personen hat die Überforderung auch berufliche Gründe, doch nicht nur.

Diesen Zusammenhang haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb bieten sie ihren Mitarbeitern immer mehr Unterstützungsmaßnahmen an, um ihr Leben in Balance zu halten. Und viele machen sich auch Gedanken darüber, wie sie ihre Mitarbeiter entlasten können – zum Beispiel, wenn ein Elternteil zum Betreuungsfall wird. Und ihre Weiterbildungsprogramme enthalten zunehmend neben den üblichen Stressmanagement-Seminaren auch Angebote, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit der Mitarbeiter zu stärken – und diese dafür zu sensibilisieren, wann ein "Gefordert-sein" in ein "Überfordert-sein" umschlägt.

Betriebe entwickeln ausgefeiltere Programme

Zumindest in den meisten Großunternehmen tut sich etwas. Sie entwickeln stets ausgefeiltere Präventionsprogramme, auch weil sie wissen: Wenn ein Leistungsträger, zum Beispiel wegen eines Burn-outs, mehrere Monats ausfällt, entsteht uns ein enormer Schaden. Und: In den kommenden Jahren wird es für uns immer schwieriger werden, qualifizierte Arbeitskräfte, die ausfallen, zu ersetzen. Also investieren sie mehr Zeit und Geld in das Erhalten und Bewahren der Gesundheit ihrer Mitarbeiter – nicht nur zum Wohl der Mitarbeiter, sondern auch des Unternehmens.

jm/Sibylle Brechtel

Passend zu diesem Artikel