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Werkstoffe 30. August 2023

Mit Künstlicher Intelligenz zum richtigen Polymer

Eine Künstliche Intelligenz, die die Struktur von Polymeren wie eine chemische Sprache behandelt, filtert aus 100 Mio. Polymeren das bestgeeignete.

Prof. Dr. Christopher Kuenneth von der Uni Bayreuth trainiert Künstliche Intelligenz mit der chemischen Sprache der Polymere. Der Bildschirm zeigt die Struktur eines Polymers mit C-Atomen (graue Kugeln) und H-Atomen (weiße Kugeln).
Prof. Dr. Christopher Kuenneth von der Uni Bayreuth trainiert Künstliche Intelligenz mit der chemischen Sprache der Polymere. Der Bildschirm zeigt die Struktur eines Polymers mit C-Atomen (graue Kugeln) und H-Atomen (weiße Kugeln).

Ein Digitales System mit Künstliche Intelligenz entwickelt eine Polymersprache, mit der sich für eine anvisierte Anwendung aus rund 100 Mio. theoretisch möglichen Polymeren genau diejenigen herausfiltern lassen, am besten für die Anwendung geeignet sind.

Zahlreiche Polymere sind in den vielfältigsten Anwendungen bereits im Einsatz. Sie stellen aber nur einen winzigen Ausschnitt aus der riesigen Zahl von rund 100 Mio. Polymeren dar, die es theoretisch geben könnte. Prof. Dr. Christopher Kuenneth an der Uni Bayreuth hat jetzt mit Forschungspartnern in Atlanta/USA ein digitales System entwickelt, das einen hohen wirtschaftlichen, technologischen und ökologischen Nutzen verspricht: Mit einer bisher unerreichten Geschwindigkeit genau diejenigen Polymere herausfiltern, die für eine gegebene Anwendung am besten geeignet sind.

Künstlichen Intelligenz, Polymerchemie und Linguistik

Prof. Kuenneth nennt das neue System „Polybert“. Der Name soll an die interdisziplinäre Vernetzung der Kompetenzen erinnern, aus denen dieses digitale System hervorgegangen ist: Erkenntnisse, Konzepte und Techniken aus der Polymerchemie, der Linguistik und der natürlichen Sprachverarbeitung sowie der lernenden Künstlichen Intelligenz bilden die Grundlage für Polybert.

Polybert ist ein System, das die chemische Struktur von Polymeren wie eine chemische Sprache behandelt: Jedes Wort, das in dieser Sprache gebildet werden kann, ist eine eindeutige Bezeichnung für ein theoretisch mögliches Polymer. Molekulare Bausteine und Struktur des jeweiligen Polymers spiegeln sich in dieser Bezeichnung. Aufbauend auf Erkenntnissen aus der Sprachwissenschaft und der Informatik, ist Polybert von den Forschern in Bayreuth und Atlanta trainiert und zu einem lernenden System entwickelt worden.

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Digitaler Fingerabdruck für jedes Polymer

In einem ersten Schritt hat Polybert die Bezeichnungen von rund 100 Mio. theoretisch möglicher Polymere gelernt. Es handelt sich hierbei um Kombinationen der molekularen Einheiten, die in den rund 13.000 bekannten Polymeren enthalten sind. Das Training hat dazu geführt, dass Polybert die Polymersprache versteht und somit die Bausteine und Strukturen der Polymere richtig identifizieren kann. Zudem ist das digitale System selbstlernend. Es kann die Polymersprache selbständig anwenden, es ist imstande, weitere Bezeichnungen bisher unbekannter, aber theoretisch möglicher Polymere zu erzeugen.

Mit dieser hohen chemischen „Sprachkompetenz“ ist eine weitere Fähigkeit verknüpft: Polybert übersetzt die Bezeichnungen der ihm bekannten Polymere in numerische Darstellungen, in digitale „Fingerabdrücke“. Jeder Fingerabdruck ist ein aus Zahlen bestehendes Codewort, an dem sich die Bausteine und die Struktur des jeweiligen Polymers eindeutig ablesen lassen. Diese automatische Erzeugung digitaler Fingerabdrücke ist weitaus weniger fehleranfällig, als wenn Menschen jeder chemischen Struktur eines bekannten Polymers ein derartiges Codewort zuzuordnen würden.

Die Forscher in Bayreuth und Atlanta haben sodann das System mit einer Vielzahl charakteristischer, für jeweilige Anwendungen relevanter Polymereigenschaften gefüttert. Es ist daher in der Lage, Fingerabdrücke und Eigenschaften von Polymeren eindeutig zueinander in Beziehung zu setzen.

Rasche Vorhersage von Polymereigenschaften

Mithilfe neuer Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz kann Polybert nun mit hoher Präzision und einer bisher unerreichten Geschwindigkeit aus den 100 Mio. theoretisch möglichen Polymeren genau diejenigen Polymere herausfiltern, die für bestimmte Anwendungsziele benötigt werden.

„Polybert ist ein hochleistungsfähiges System zur raschen und präzisen Vorhersage von Polymereigenschaften. Unsere Forschungsarbeiten haben deshalb das Potenzial, das theoretische Design, die Synthese und die technologische Anwendung von Polymeren erheblich zu beschleunigen“, sagt Kuenneth.

In „Nature Communications“ wird das neue System vorgestellt. mg

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