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Technik 24. April 2024

Helikopter-Cockpit aus dem 3D-Granulat-Drucker

Großvolumiger 3D-Granulat-Drucker vereint rasche Aufbaugeschwindigkeiten, günstige Kosten, hohe Oberflächengüte und beste Maßhaltigkeit.

Dieses Helikopter-Cockpit für einen Flugsimulator wurde mit einem Queen 1 Granulat-Drucker von Q-Big komplett 3D-gedruckt 
Dieses Helikopter-Cockpit für einen Flugsimulator wurde mit einem Queen 1 Granulat-Drucker von Q-Big komplett 3D-gedruckt 

Welche Möglichkeiten 3D-Granulat-Drucker zur Herstellung großvolumiger Bauteile heute bietet, zeigt die 3D-Cockpit-Baugruppe eines Full-Flight-Simulators von Reiser Simulation and Training. Das modulare 3D-Cockpits wurde bei Murtfeldt Additive Solutions gefertigt und überzeugt durch das verwendete VFGF-Verfahren (Variable Fused Granulate Fabrication) durch Wirtschaftlichkeit, Wertschöpfung und Nachhaltigkeit.

Das Entwicklungsteam des Level D-Full-Fight Simulators (v.l.): Dennis Herrmann, CTO und Geschäftsführer Q-Big 3D, Helmut Pauser, Applikations-Ingenieur Q-Big 3D, Stefan Ruckaberle, Geschäftsführer Murtfeldt AS, Johannes Matheis, Geschäftsführer Murtfeldt AS, Oliver Friz, Vertriebsleiter Q-Big 3D, Frederik Rommel Produktmanager RS Flight Systems, und Michael Ortmann, Konstruktion und Entwicklung Reiser Simulation and Training
Das Entwicklungsteam des Level D-Full-Fight Simulators (v.l.): Dennis Herrmann, CTO und Geschäftsführer Q-Big 3D, Helmut Pauser, Applikations-Ingenieur Q-Big 3D, Stefan Ruckaberle, Geschäftsführer Murtfeldt AS, Johannes Matheis, Geschäftsführer Murtfeldt AS, Oliver Friz, Vertriebsleiter Q-Big 3D, Frederik Rommel Produktmanager RS Flight Systems, und Michael Ortmann, Konstruktion und Entwicklung Reiser Simulation and Training

Gerade bei der Herstellung übergroßer Kunststoffteile in kleinen und mittleren Serien bietet die werkzeuglose Fertigung enorme Vorteile – und genau dafür wurde das VFGF-Verfahren von Q-Big 3D entwickelt. Für einen Full-Flight Simulator (FFS) von Hubschraubern beauftragte die Reiser Simulation and Training GmbH, Berg bei Starnberg, deshalb die Murtfeldt Additive Solutions GmbH in Kusterdingen mit der Fertigung eines modular aufgebauten Cockpits. Das Cockpit wurde auf einer Queen 1-Anlage von Q-Big 3D bei Murtfeldt hergestellt.

3D-Granulat-Drucker kann große Bauteile ohne Werkzeug herstellen

Die werkzeuglose Fertigung mit einem 3D-Extrusions-Drucker eröffnet Anwendern zeitnahe Time-to-Market-Strategien. Der Entfall der Werkzeugkosten und neue Strategien der Bauteil-Geometrie in der Konstruktion treffen auf extrem kurze Amortisationszeit der Anlagentechnik. Der besondere Clou gegenüber anderen Verfahren der Additiven Fertigung wie FDM-Druckern ist der Einsatz von handelsüblichen Standard-Granulaten und der damit verbundene Verzicht auf teure Filamente im 3D-Druck.

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Mit dem Flugsimulator lassen sich mit einem Conversion-Kit zwei verschiedene Hubschraubermodelle abbilden und zwar die Airbus Helicopter H135 und H145.
Mit dem Flugsimulator lassen sich mit einem Conversion-Kit zwei verschiedene Hubschraubermodelle abbilden und zwar die Airbus Helicopter H135 und H145.

Zielsetzung bei der Entwicklung des Helicopter-Cockpits von Reiser bei Murtfeldt AS war es, die bisherigen Limitationen konventioneller Fertigungsstrategien zu überwinden. So fallen bei klassischen formgebundenen Verfahren, insbesondere bei großvolumigen Bauteilen, hohe Werkzeugkosten und lange Vorlaufzeiten an.

Granulat bis zu Faktor 7 günstiger als Filament

Allerdings können klassische FDM-Drucker (Fused Deposition Modeling) in der Regel keine großvolumige 3D-Bauteile fertigen, die Aufbauraten sind unwirtschaftlich und das Material mit Filamenten weist im Vergleich zu einem 3D-Granulat-Drucker oft einen 7-fach höheren kg-Preis auf. Als Lösung bot sich die Additive Fertigung auf einer Queen 1 von Q-Big 3D an, die bei Murtfeldt AS für übergroße Bauteile zu Verfügung steht. Die Abwicklung eines solchen Projektes ist nach Auskunft der beteiligten Unternehmen binnen drei und sechs Monaten möglich.

Das 3D-Cockpit wurde mit allen Elementen der Baugruppe auf einer Queen 1 von Q-Big 3D bei Murtfeldt Additive Solutions additiv gefertigt. Die Abmessungen des Cockpits betragen 2.260 mm (x), 1.780 mm (y) und 1.705 mm (z). Das Cockpit wiegt nur 200 kg, weil der 3D-Druck einen ressourcenschonenden Leichtbau ermöglicht. Der Bauteilaufbau aller Bauteile betrug etwas über einen Monat.

Für ein Folgeprojekt rechnet Murtfeldt AS durch Optimierung der Prozesskette aber mit kürzeren Aufbauzeiten. Durch ein Druckernetzwerk aus mehreren Queen 1-Anlagen kann die Lieferzeit für zeitkritische Anfragen weiter gekürzt werden. Der längste Einzel-Baujob betrug knapp 100 Stunden.

Michael Ortmann von Reiser Simulation and Training, zuständig für Konstruktion und Entwicklung betont, dass der 3D-Extrusionsdrucker eine Reihe von Potentialen bietet, die bislang nicht möglich schienen: „Extreme Time-to-Market-Zeiten, hohe Aufbaugeschwindigkeit, Leichtbau, Bionik, Funktionsintegration und eine kostengünstige Fertigung ohne Werkzeuge und mit vorteiligen Granulaten, um nur einige Aspekte zu nennen.“

Dazu kommt die Beherrschung von Verzug selbst bei diesen großen und komplexen Bauteilen, enge Toleranzen der Spaltmaße und hohe Oberflächengüte. Gerade die Maßhaltigkeit ist für die Verschraubung und Verstiftung elementar wichtig. Die Gestaltung als zerlegbares Modul war für den Aufbau beim Anwender ebenso von Vorteil, wie auch die Tatsache, dass mit einem „Conversion Kit“, zwei Hubschraubermodelle (Airbus Helicopters H135 und H145) kostenvorteilig abgebildet werden konnten. Nicht zuletzt sind durch eine Segmentierung der 3D-Baugruppe Funktionsintegrationen wie integrierte Kabelkanäle möglich. Aus der Gesamtheit ergaben sich hohe Preisvorteile der fertigen Baugruppe für Lieferanten und Endanwender, bei gleichsam extrem schneller Verfügbarkeit des Cockpits.

Material mit minimaler Formschwindung

Für den Rahmen des Cockpits verwendete Murtfeldt AS ein teilaromatisches Polyamid mit 25% Glasfaseranteil (Q.mid GF25). Dieses Material weist mit einer Formschwindung von 0 % längs und 0,2% quer eine besonders hohe Maßhaltigkeit auf, bietet zudem eine hohe Temperaturstabilität bis 200 °C sowie eine hohe Steiffestigkeit und eine ausgezeichnete Lackierbarkeit. Q.mid GF25 ist für zahlreiche Anwendungsgebiete qualifiziert. Die fertige Cockpit-Baugruppe wird zum Abschluss in matt schwarz lackiert, damit keine störenden Lichtreflexe im Simulator entstehen.

Der 3D-Granulat-Drucker  Queen 1 von Q-Big 3D arbeitet mit dem VFGF-Verfahren (Variable Fused Granular Fabrication), das mit einer verstellbaren Düse und einem leistungsstarken Granulat-Extruder die wirtschaftliche Additive Fertigung großvolumiger 3D-Bauteile aus Kunststoffgranulaten ermöglicht. 
Der 3D-Granulat-Drucker Queen 1 von Q-Big 3D arbeitet mit dem VFGF-Verfahren (Variable Fused Granular Fabrication), das mit einer verstellbaren Düse und einem leistungsstarken Granulat-Extruder die wirtschaftliche Additive Fertigung großvolumiger 3D-Bauteile aus Kunststoffgranulaten ermöglicht. 

Hohe Oberflächengüte und schnelle Aufbauraten

Die Anwendung des 3D-Extrusions-Druckers Queen 1 von Q-Big 3D überzeugte im Projekt mit hoher Oberflächengüte selbst bei starken Überhängen der Geometrie. Dazu kommt eine hohe Passgenauigkeit der Bauteile in der Baugruppe (Maßhaltigkeit, geringe Spaltmaße). Diese Resultate ergeben sich aus einer durchdachten Anlagentechnik: Die aktive Temperierung einer äußeren Kammer sowie des Bauraumes der Queen 1 ermöglicht einen stabilen und wiederholgenauen Prozess, da die Temperaturen nicht nur des Bauraums sondern auch der gesamten Mechanik, unabhängig von Temperaturschwankungen in der Produktionshalle, konstant gehalten werden können.

Eine Besonderheit der Queen 1 ist die variable Düse, deren Durchmesser sich an die Anforderungen der jeweiligen Geometrie anpassen lässt. Filegrane Bereiche der Bauteile werden im normalen Modus der Düse aufgebaut. Flächige Infill-Bereiche an den dicken Holmen des Cockpits hingegen im schnellen Turbo-Modus mit großem Düsendurchmesser, um die Fertigungsdauer zu reduzieren und gleichzeitig die Stabilität zu erhöhen. Den Wechsel der Modi realisiert die Queen 1 automatisch. Konstruktiv gab Reiser für die Düsenansteuerung sensible Bereiche vor: An den Anschraubpunkten der Türschaniere beispielsweise wurde Vollmaterial vorgegeben. Die variable Düse ermöglicht hier eine stark verkürzte Fertigungszeit gegenüber einer fixen Düse und zudem einen materialsparenden Leichtbau der 3D-Bauteile.

Johannes Matheis, Geschäftsführer bei Murtfeldt AS: „Wenn man die gesamte Prozesskette beherrscht, sind komplexe, große 3D-Bauteile mit hoher Wiederholgenauigkeit und Bauteilgüte auf einem neuen Niveau möglich.“
Johannes Matheis, Geschäftsführer bei Murtfeldt AS: „Wenn man die gesamte Prozesskette beherrscht, sind komplexe, große 3D-Bauteile mit hoher Wiederholgenauigkeit und Bauteilgüte auf einem neuen Niveau möglich.“

Positives Fazit

Eine Additive Fertigung mittels der Queen 1-Anlagentechnik mit dem Entfall der Werkzeugkosten bietet dem Anwender ein niedriges Investitionsrisiko und den Entfall von Nachbearbeitungskosten. Weiterhin bietet diese Strategie auch Vorteile gegenüber konkurrierenden AM-Strategien, wie SLS- oder FDM-Druck, da diese Bauteile bei großen Elementen häufig verklebt werden müssen. Damit verbunden sind oft Nachteile bei Funktionalität, Dichtigkeit und Maßhaltigkeit aufgrund von Toleranzungenauigkeiten. Johannes Matheis, Geschäftsführer bei Murtfeldt AS: „Mit der innovativen VFGF-Anlagenlagentechnik von Q-Big 3D für großvolumige 3D-Bauteile können wir bei Murtfeldt AS gezielt weitere Anwendungsgebiete für die Additive Fertigung erschließen. Wenn man die gesamte Prozesskette beherrscht, sind komplexe, große 3D-Bauteile mit hoher Wiederholgenauigkeit und Bauteilgüte auf einem neuen Niveau möglich.“

Variable Fused Granular Fabrication – VFGF

Das VFGF-Verfahren (Variable Fused Granular Fabrication) ermöglicht die Additive Fertigung großvolumiger 3D-Bauteile aus Kunststoffgranulaten. Charakteristisch für dieses 3D-Extrusions-Verfahren ist die Düse mit variablem Düsendurchmesser. Dadurch kann das VFGF-Verfahren einerseits feine Details präzise und hochauflösend drucken, zum Beispiel an den Außenflächen eines Bauteils. Andererseits können innenliegende Strukturen oder Bereiche, bei denen die Auflösung weniger relevant ist, in einem sogenannten Turbomodus grob und damit schneller gedruckt werden. Nach Erfahrung von Q-Big 3D ist dadurch eine Steigerung der Aufbaugeschwindigkeiten bis hin zum Faktor 100 möglich.

Da das Verfahren ohne Filamente auskommt und marktgängige Kunststoffgranulate verwendet, lassen sich zudem technische Kunststoffe mit seriennahen Eigenschaften und sehr günstigen Stückkosten zu verarbeiten. Durch das Aufschmelzen in einem speziell entwickelten Schneckenextruder können höhere Durchsätze ermöglicht werden, was die Druckdauer signifikant reduziert. Zusätzlich lassen sich fasergefüllte Materialien mit hoher Dimensionsstabilität sowie elastische Materialen drucken.

Das VFGF-Verfahren verknüpft Nachhaltigkeitsaspekte mit hoher Wirtschaftlichkeit und bietet sich für Rapid Prototyping, Ersatzteile und Serienfertigung an.

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