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Unternehmen 12. Oktober 2022

Wittmann: „Die eigene Steuerung macht uns flexibler“

Die Eigenentwicklung der Spritzgießmaschinen-Steuerung macht die Wittmann Group flexibler, sagt President Michael Wittmann im Interview mit der K-ZEITUNG.

Michael Wittmann, President der Wittmann Group: „Mit unserer eigenen Steuerung haben wir unser Schicksal sehr viel mehr in der Hand. Sollten gewisse Komponenten für die Steuerung wie in der jetzigen Situation nicht oder nur sehr mangelhaft verfügbar sein, können wie das Redesign flexibel selbst
Michael Wittmann, President der Wittmann Group: „Mit unserer eigenen Steuerung haben wir unser Schicksal sehr viel mehr in der Hand. Sollten gewisse Komponenten für die Steuerung wie in der jetzigen Situation nicht oder nur sehr mangelhaft verfügbar sein, können wie das Redesign flexibel selbst übernehmen.“

Wittmann sowie Rainer Weingraber, Geschäftsführer von Wittmann Battenfeld, und Valentina Faloci, Leiterin Vertrieb Wittmann Battenfeld, berichten im Interview, wie der Rollout der neuen Steuerung B8X geplant ist, dass Lieferengpässe im Elektronikbereich die Produktion beeinträchtigen, dass der chinesische Markt für die Unternehmensgruppe ein schwieriges Terrain ist und dass die Gewinnmargen unter den Preiserhöhungen leiden.

Ihr Umsatz für 2021 belief sich auf 376 Mio. EUR. Woran lag es vor allem, dass trotz Rekord beim Auftragseingang der Umsatzrekord nicht geknackt werden konnte?

Michael Wittmann: Unterm Strich war es ein gutes Jahr für uns, wir sind nicht unzufrieden. Aber ja, wenn man sich nur rein den Auftragsbestand anschaut, wäre ein höherer Umsatz schon möglich gewesen. Leider war der begrenzende Faktor die Verfügbarkeit von Materialien.

Wie läuft das aktuelle Geschäftsjahr – und mit welchem Umsatz rechnen Sie heuer?

Wittmann: Wir werden wahrscheinlich heuer auf einen ähnlichen Wert kommen wie im Vorjahr, also auch wieder in den Bereich von 376 Mio. EUR. Auch da muss man dazu sagen, dass diese Summe nicht ganz mit dem Auftragseingang übereinstimmt. Denn der Auftragseingang im ersten Halbjahr war ausgesprochen gut, wir haben erneut einen Rekord erzielt. Doch sind uns nach wie vor die Hände gebunden, was die Verfügbarkeit von kritischen Komponenten betrifft.

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Welche Vorprodukte fehlen vor allem?

Wittmann: Es konzentriert sich mehr oder weniger auf ein paar wenige Elektronikbauteile, ohne die wir aber keine Maschinen bauen können. Dazu gehören typischerweise Komponenten wie FPGAs oder IGBTs. Ebenso Mikroprozessoren von bestimmten Herstellern, die ihre Prozessoren in erster Linie in den Spielebereich liefern, eine Branche, die konstant ungleich höhere Mengen abnimmt als wir Maschinenbauer. Auch sicherheitsrelevante Relais, E/A-Module oder SPS sind derzeit knapp – und da sie eine TÜV-Zulassung benötigen, haben unsere Lieferanten nicht die Freiheit, fehlende Einzelkomponenten gegen Alternativ-Komponenten auszutauschen. Glücklicherweise ist zumindest die große Welle der Bauteil-Abkündigungen im Elektronikbereich abgeebbt. In den vergangenen Jahren mussten unsere Entwicklungsabteilungen oft Alternativen entwickeln; dadurch waren viele Entwicklungskapazitäten gebunden. Das ist nun deutlich anders. Insofern sehe ich das als positives Zeichen, dass wir vielleicht doch wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen werden und sich die Versorgungssituation beruhigen wird. Aber wir sind noch nicht angekommen.

Rainer Weingraber: Auch Elektrikbauteile wie Kabelsätze sind noch immer mit längeren Lieferzeiten belegt. Zudem haben Spezialstähle, also zum Beispiel besonders harte Stähle, lange Lieferzeiten.

Hat sich die Verfügbarkeit von Containern wieder eingespielt?

Wittmann: Nein, auch Container sind auf zahlreichen Routen nach wie vor ein knappes Gut. Das hat einerseits Auswirkungen auf die Belieferung mit Vorprodukten, aber andererseits auch auf die Auslieferung von Maschinen an die Kunden. Auf Container mit Destination USA wartet man zum Teil vier oder fünf Wochen. Dadurch bedingt benötigen wir derzeit sehr viel Stellfläche hier in Kottingbrunn, um fertig verpackte Maschinen, die nicht abgeholt werden können, zwischenzulagern.

Macht es es für Sie einfacher, dass Sie nun Ihre Steuerung – im ersten Schritt für die Smartplus-Baureihe – selbst entwickeln?

Wittmann: Mit unserer eigenen Steuerung haben wir unser Schicksal sehr viel mehr in der Hand. Sollten gewisse Komponenten für die Steuerung wie in der jetzigen Situation nicht oder nur sehr mangelhaft verfügbar sein, können wie das Redesign flexibel selbst übernehmen und somit eine bessere Versorgungssicherheit und Planbarkeit herstellen.

Weingraber: Die neue Steuerung B8X, die wir selbst entwickelt haben, wird nun Zug um Zug auf die verschiedenen Maschinenbaureihen ausgerollt. Nach der Smartplus ist nun zur K 2022 die elektrische Ecopower-Baureihe an der Reihe. Und im nächsten Jahre folgt die Smartpower Standardbaureihe. Hier beginnen wir mit den Spritzgießmaschinen im kleineren Schließkraftbereich. Bis Ende 2023 soll die gesamte Smartpower-Baureihe dann mit der B8X ausgeliefert werden. Bis wir alle Baureihen umgestellt haben, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Grundsätzlich will ich dazu nochmals anmerken, dass die neue Steuerung so gestaltet ist, dass der Bediener der Maschine keine Veränderungen zur Unilog B8 Steuerung feststellen wird. Das User-Interface ist gleich geblieben, sodass kein weiteres Training notwendig ist.

Welche Märkte laufen gut, welche weniger? Gab es Verschiebungen?

Weingraber: Bei Wittmann Battenfeld sehen wir bis Anfang August einen hohen Auftragseingang auf allen Märkten weltweit; ganz gleich ob Europa oder Nordamerika. Allerdings sehen wir seit September eine Abkühlung des Marktes.

Valentina Faloci: Südamerika hat vor allem in diesem Jahr wieder deutlich zugelegt, der Markt ist wieder zurück, nachdem dort ja viele Länder extrem unter der Pandemie gelitten haben. Allerdings hat Südamerika in Summe nicht die große Bedeutung für uns. In Europa, immer schon unser stärkster Markt, stellen wir fest, dass die osteuropäischen Märkte nicht mehr ganz so aktiv sind. Dies könnte am Ukraine-Krieg liegen.

Wie hat sich der chinesische Markt für Sie entwickelt?

Wittmann: Wir sind nicht ganz zufrieden mit der Entwicklung in Asien und China, da haben wir noch Verbesserungspotenzial. Der Markt in China ist über die letzten Jahre extrem stark gewachsen, aber daran konnten wir mit unserem Werk vor Ort in Kunshan, wo wir Roboter und Peripheriegeräte produzieren, nicht im gleichen Ausmaß partizipieren. Da müssen wir noch zulegen.

War das Werk von Lockdowns betroffen?

Wittmann: Wir mussten das Werk in Kunshan beginnend Anfang April für insgesamt fünf Wochen schließen. Das war eine sehr lange Zeit, speziell, wenn man sehnsüchtig auf die Nachricht zum Wiederanlaufen wartet. Es hätte uns aber auch noch schlimmer treffen können, denn im benachbarten Shanghai war die Lockdown-Phase länger.

Die Führungsriege der Wittmann Group (von links): Markus Wolfram (neuer Head of Sales Wittmann Technology, Michael Wittmann (President Wittmann Group), Valentina Faloci (Leiterin Vertrieb Wittmann Battenfeld) und Rainer Weingraber (Geschäftsführer Wittmann Battenfeld)
Die Führungsriege der Wittmann Group (von links): Markus Wolfram (neuer Head of Sales Wittmann Technology, Michael Wittmann (President Wittmann Group), Valentina Faloci (Leiterin Vertrieb Wittmann Battenfeld) und Rainer Weingraber (Geschäftsführer Wittmann Battenfeld)

War die Produktion in der Zeit komplett gestoppt?

Wittmann: Ja, das war so. In der Zeitung las man zwar immer von Fabriken, in denen die Mitarbeiter auch während eines Lockdowns blieben und dort übernachteten. Aber unser Werk war ja auch vom Warenfluss komplett abgeschnitten. Das heißt, wir hätten selbst dann nichts produzieren können, wenn die Leute dageblieben wären.

Was haben Sie vor, um sich in China zu stärken? Wollen sie weitere Niederlassungen gründen oder auch Spritzgießmaschinen produzieren?

Wittmann: In der jetzigen Phase, in der China durch die Null-Covid-Politik ja nicht wirklich zugänglich ist für uns Europäer oder prinzipiell für Nicht-Chinesen, können wir dort kein neues Produkt einführen. Wir können aktuell den jetzigen Standard und das Produktportfolio halten und gewisse Adaptionen vornehmen. Natürlich war es einmal unser Plan, dort eine Spritzgießmaschinenproduktion aufzubauen, denn wenn man in China keine Maschinen produziert, ist man nicht wirklich am Markt präsent. Das müssen wir ganz einfach zur Kenntnis nehmen. Der Plan ist nicht vom Tisch, aber wir haben ihn zunächst auf Eis gelegt. In südostasiatischen Märkten sind wir hingegen gut präsent. Unter anderem planen wir in Vietnam zusammen mit unserer jetzigen Vertretung eine eigene Niederlassung aufzubauen. Grundsätzlich geht es für uns in Asien darum, den Vertrieb wieder zu stärken. Reisen sind zum aktuellen Zeitpunkt in alle asiatische Länder bis auf China wieder relativ uneingeschränkt möglich, sodass wir dort wieder aktiv akquirieren können.

Wie läuft das Geschäft mit der Automobilindustrie derzeit?

Faloci: Die Automotive-Branche ist wieder voll zurück im Spiel. Da gibt es viele neue Projekte. Das freut uns natürlich sehr, weil die Branche für Wittmann Battenfeld traditionell die wichtigste ist.

Sie haben vor zwei Jahren neben der Automobilindustrie weitere Branchen und Technologien als Schwerpunkte für sich identifiziert, was sich auch im Vertrieb abbildet. Hat es seitdem bei Ihnen Umsatzverschiebungen gegeben?

Faloci: Die Medizintechnik gehört zu diesen Branchen. Hier hat sich der Umsatz seit der Pandemie deutlich erhöht. Und auf diesem Niveau sind wir weiterhin. Die Bereiche Haushaltswaren und Spielwaren sind nicht mehr ganz so stark wie während der Pandemie-Hochphase.

Weingraber: Der Medizintechnikmarkt hat seine eigenen Spielregeln. Hier geht es sehr stark um Zertifizierung und Stabilität in der Produktion. Die Projekte sind durch die sehr hohen Zertifizierungsstandards größer und längerfristig. Die Branchenorientierung macht hier für uns sehr viel Sinn, weil es die Projekte ehr spezifisch sind.

Faloci: Für uns als Unternehmensgruppe sind die Projekte auch deshalb sehr komplex und interessant, weil der Automatisierungsgrad in der Medizintechnik sehr hoch ist. Das heißt, wir liefern nicht nur die Spritzgießmaschine, sondern die komplette Fertigungszelle einschließlich Automation.

Die Verpackungsbranche gehört auch zu den Branchen, auf die Sie vor zwei Jahren den Fokus gelegt haben. Wie hat sich das Geschäft entwickelt?

Faloci: Wir haben mit der Ecopower Xpress schon sehr gut Fuß gefasst im Packaging-Bereich. Die neuen Kunden, die wir dafür gewonnen haben, sind sehr zufrieden mit der Maschine, sodass wir uns das Ziel gesetzt haben, dass die Verpackungsbranche in fünf Jahren für uns der Bereich mit dem stärksten Wachstum sein soll. Ich bin mir sicher: Ohne Verpackungen geht es auch in Zukunft nicht. Und die Kunden sind derzeit dabei, ihre Produkte auf neue Materialien und/oder Rezyklate umzustellen. Dadurch wird es sicher auch neuen Bedarf auf Maschinenseite geben.

Wo sehen Sie weiteres Wachstumspotenzial?

Wittmann: Angesichts der massiv steigenden Energiekosten rückt bei den Kunden der Energieverbrauch von Spritzgießmaschinen sehr viel stärker in den Mittelpunkt. Und da sehen wir für uns ein sehr großes Potenzial, da wir generell über ein junges und modernes Maschinenportfolio verfügen und schon immer großen Wert auf die Energieeffizienz der Maschinen gelegt haben. Deshalb garantieren wir den Kunden auch, dass wir eine neuerworbene Wittmann-Battenfeld-Maschine zurücknehmen, wenn die vergleichbare Maschine eines Wettbewerbs bei gleicher Anwendung energieeffizienter sein sollte. Im Zuge der Diskussion um den Carbon Footprint von Produkten sehe ich große Chancen für uns.

Faloci: Das gilt übrigens auch für die elektrischen Maschinen. Wir haben sehr viel gemessen und sind immer zu dem Ergebnis gekommen, dass unsere Maschinen, die wenigste Energie benötigen. Mit dem Modul Imago XT in der MES-Software Temi+ können Kunden ja auch jederzeit sehen, wieviel Energie sie bei einem Bauteil in der Produktion sparen. Insofern können wir selbstbewusst eine solche Garantie abgeben.

Apropos Preiserhöhungen: Wie haben sich die Preise für Ihre Produkte in den vergangenen Monaten entwickelt?

Weingraber: Der Druck auf den Markt ist definitiv da. Die Lieferzeiten werden länger, unsere Lieferanten erhöhen die Preise, was aufgrund der gestiegenen Rohmaterialkosten auch verständlich ist. So bleibt uns letztlich auch nichts anderes über, als mit Maß und Ziel diese Preiserhöhungen weiterzugeben. Mit Maß und Ziel sage ich deshalb, weil wir ja auch sehr lange Lieferzeiten haben – und sich von der Bestellung bis zur Auslieferung bei den Preisen noch sehr viel ändern kann. Die meisten Kunden zeigen dafür auch Verständnis. In den vergangenen zwölf Monaten haben wir die Preise für unsere Produkte im Schnitt um 10 % erhöht.

Faloci: Unsere Preise sind absolut marktkonform. Wir haben bislang noch keinen Auftrag verloren, weil unsere Preise zu hoch waren. Im Moment ist für die Kunden die Lieferfähigkeit wichtiger.

Wittmann: Die Gewinnmargen leiden auf alle Fälle darunter, das ist keine Frage, so schnell kann man gar nicht reagieren. Außerdem wollen wir die Lieferfähigkeit unserer Produkte aufrechterhalten, sodass wir sehr oft auch höhere Preise für Vorprodukte in Kauf nehmen. Das ist unsere Philosophie und dazu stehen wir. Wir sind bereit, diese höheren Kosten im Sinne der Lieferfähigkeit – und auch der Produktionsauslastung der Werke – auf uns zu nehmen. Als familiengeführtes Unternehmen müssen wir dies ja auch nicht vor Shareholdern erklären, da haben wir mehr Freiheiten als andere Unternehmen.

Wie lang sind die Lieferzeiten derzeit?

Weingraber: Wir haben einen Auftragsbestand, der im Endeffekt eine Jahresproduktion abbildet. Die exakte Lieferzeit variiert natürlich von Baureihe zu Baureihe.

Faloci: Ein Jahr Lieferzeit hört sich sehr lang an. Aber wir haben ja auch Maßnahmen ergriffen, damit Kunden schneller an Maschinen kommen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir die neuen Smartplus-Basismaschinen in den Niederlassungen vorhalten. Zugegeben, viele Smartplus-Maschinen sind nicht auf Lager, da sie quasi aus der Fabrik schon an die Kunden ausgeliefert werden. Außerdem ist unsere Produktion sehr flexibel, sodass auch Sonderwünsche zwischendrin immer wieder erfüllt werden können. Lieferfähigkeit ist für uns wirklich sehr, sehr wichtig.

Sie haben die Smartplus-Baureihe auf der Fakuma vorgestellt. Wie ist das Feedback aus dem Markt?

Faloci: Die Smartplus-Spritzgießmaschinen kommen sehr gut an, weil sie schnell verfügbar und gleichzeitig günstiger sind. Diese Kombination ist für Kunden mit Standardanwendungen, die keine asiatische Maschine kaufen wollen, sehr attraktiv.

Wittmann: In unserem ungarischen Werk in Mosonmagyaróvár laufen derzeit die Vorkehrungen, um die Produktion der Smartplus noch weiter hochzufahren. Dort haben wir ein angrenzendes Grundstück gekauft. Nun entsteht eine neue Maschinenhalle, die mit unserem bestehenden Gebäude verbunden wird. Dieses Bauprojekt wird bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Wie schätzen Sie die Entwicklung in den nächsten Monaten ein?

Weingraber: Wie es weitergeht, ist eine Frage der gesamten Wirtschaft. Im Endeffekt hängt alles mehr oder weniger vom privaten Konsum der Gesellschaft ab. Preissteigerungen sind auf breiter Basis spürbar. Daher ist die Frage, wie stark der Konsum in den nächsten Monaten sein wird. Daran richten sich die Bedarfe unserer Kunden aus. Wir sind natürlich froh über den Rekordauftragseingang im ersten Halbjahr, aber sind uns auch bewusst, dass die Party recht bald zu Ende sein kann. Eine Überhitzung des Markts ist spürbar.

Wittmann: Wir merken sehr wohl, dass so mancher Kunststoffverarbeiter angesichts der derzeitigen Situation – steigende Material- und Energiekosten, Inflation etc. – verunsichert ist. Erstmalig seit September 2020 verzeichnen wir eine Abkühlung im Auftragseingang.

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