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News 14. März 2022

Verarbeiter in hohem Maße unzufrieden mit Erzeugern

Europas Kunststoffverarbeiter klagen über zu hohe Preise und anhaltende Versorgungsengpässe. Sie machen die Erzeuger für die Situation mitverantwortlich.
Europas Verarbeiter sind mit der Lieferzuverlässigkeit vieler ihrer wichtigsten Partner auf Seiten der Erzeuger in hohem Maß unzufrieden.
Europas Verarbeiter sind mit der Lieferzuverlässigkeit vieler ihrer wichtigsten Partner auf Seiten der Erzeuger in hohem Maß unzufrieden.

Europas Kunststoffverarbeiter klagen über zu hohe Preise und anhaltende Versorgungsengpässe. Sie machen die Erzeuger für die Situation mitverantwortlich.

Die Polymers for Europe Alliance, eine Allianz der Kunststoffverarbeiter in Europa, beklagt überzogene und teilweise existenzbedrohende Preise und Versorgungsengpässe seitens der europäischen Kunststofferzeuger.

Die Polymers for Europe Alliance wurde bereits 2015 von dem Europäischen Verband der Kunststoffverarbeiter EUPC gegründet. 2015 war eine Jahr der  außergewöhnlichen hohen Anzahl gemeldeter Force Majeure. Dies führte zu einer ernsten Verknappung einer ganzen Reihe von Polymeren für die Verarbeitung und zu einem extremen Preisanstieg trotz damals stark gesunkener Ölpreise.

Der EUPC betont, dass die Situation für die Kunststoffverarbeiter in Europa ist seit Beginn 2021 noch ernster sein. Im Jahr 2021 wurde eine Rekordzahl von 91 Force Majeures erklärt, etwa doppelt so viele wie noch im Jahr 2015, dem bisherigen Rekordjahr. Zudem verschärft andere globale Probleme die Situation zusätzlich. Die Versorgungskette sein einem noch nie dagewesenen Druck ausgesetzt, die Verfügbarkeit von einiger Polymere würde regelmäßig in Frage gestellt.

Existenz einiger Verarbeiter gefährdet

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Hinzu kämen nicht indexierte Energiepreiszuschläge und eine allgemeine Verschlechterung der Vertragsbedingungen für 2022. Der EUPC warnt, dass die Verarbeiter die erheblichen Preissteigerungen nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergeben könnten, was ihre Rentabilität schwächt und die Existenz einiger Verarbeiter gefährdet. Gleichzeitig erzielten die Erzeuger so hohe Gewinnspannen wie nie zuvor.

Es ist daher vielleicht nicht überraschend, dass die diesjährige Bewertung der Verarbeiter ihrer Zulieferer im Jahr 2021 ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit der überwiegenden Mehrheit der Hauptlieferanten und eine größere Wertschätzung für die wenigen Zulieferer erkennen lässt, die bis vor kurzem wahrscheinlich noch nicht einmal ins Kalkül gezogen worden wären.

Die Abstimmung im Jahr 2021 konzentrierte auf das einzige kritische Thema der Lieferzuverlässigkeit – das Thema, das für die Kunststoffindustrie insgesamt von überragender Bedeutung ist. Der Erzeuger Ercros erzielte mit 93,3 % die beste Leistung, gefolgt von Sibur mit 87,5 % und Sinopec mit 86,7 %. Am schlechtesten schnitten Mitsubishi (40,0 %), Lyondell Basell (39,1 % und A. Schulman (20,0 %) ab.

Force Majeures nach wie vor auf sehr hohem Niveau

Die Probleme, die durch diese Befragung 2021 deutlich wurden, sind noch nicht gelöst. Force Majeures sind nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Die Energiekosten steigen in ganz Europa weiter an. Bei einer Reihe von Materialien (EVOH, um nur eines zu nennen) ist das Angebot nach wie vor unannehmbar knapp, und die Lieferanten haben kaum Aussicht auf eine Lösung. Diese Probleme betreffen die gesamte Branche, Lieferanten und Verarbeiter gleichermaßen.

Webinar mit Erzeugern und Verarbeitern

Letztendlich müssen sich beide Seiten drastisch verbessern, damit die Verarbeiter eine Chance haben, die Bedürfnisse des Marktes zu erfüllen. „Verarbeiter und Erzeuger werden in Europa entweder florieren oder gemeinsam scheitern“, sagte Ron Marsh, Vorsitzender der Polymers for Europe Alliance.

Ron Marsh, Vorsitzender Polymers for Europe Alliance.
Ron Marsh, Vorsitzender Polymers for Europe Alliance.

"Es liegt auf der Hand, dass wir Wege finden müssen, um die Effizienz und Leistung der Lieferkette für Polymerer in Europa zu verbessern"

Ron Marsh, Vorsitzender Polymers for Europe Alliance

Die Allianz hatte daher in Zusammenarbeit mit dem EUPC beschlossen, Anfang März ein Webinar zu veranstalten, an dem prominente Vertreter von Erzeugern und Verarbeitern teilnahmen, um die Frage des „Wiederaufbaus der Kunststoffindustrie in Europa“ zu erörtern. Ziel des Webinars war es, die Aussichten für die Zukunft gemeinsam zu verbessern. „Es liegt auf der Hand, dass wir Wege finden müssen, um die Effizienz und Leistung der Lieferkette in Europa zu verbessern“, so Marsh.

2021 „Annus Horribilis“ für die Kunststoffbranche

Viele Teilnehmer des Webinars waren dann auch von dem starken Konsens überrascht, der sich in der Diskussion zwischen Verarbeitern und Erzeugern abzeichnete. Die jüngsten Schwierigkeiten wurden seitens der Erzeuger eingeräumt, und das Jahr 2021 wurde sogar als „Annus Horribilis“ für die Kunststoffindustrie insgesamt bezeichnet.

Es wurde die Vermutung geäußert, dass die jüngste jährliche Erzeuger-Bewertung ein hohes Maß an Verärgerung bei den Verarbeitern zeigt, da sie die Leistung neuer Marktteilnehmer in Europa loben, während sie die traditionellen Hauptlieferanten auf eine sehr viel bescheidenere Position zurückversetzen.

Europa benötigt dringend neue Investitionen

Man war sich einig, dass Europa dringend Investitionen benötigt, aber einige Polymerlieferanten konnten auf bereits laufende Projekte verweisen. Andere waren der Meinung, dass Investitionen in die Kreislaufwirtschaft Europa die Möglichkeit geben würden, seinen historischen Vorsprung wiederzuerlangen. Wieder andere konnten auf eine saubere Weste bei Force Majeures verweisen, was darauf hindeutet, dass ihr Investitionsbedarf weniger dringlich ist.

Beide Seiten waren sich einig, dass es zur Vermeidung eines anhaltenden Rückgangs der Stellung der europäischen Kunststoffindustrie in der Welt erforderlich ist, ein neues Kapitel in der Branche aufzuschlagen: Mehr Transparenz, klares Bekenntnis zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Respekt für die unterschiedlichen Anforderungen von Erzeugern und Verarbeitern. Zumindest der Wille, dies zu erreichen, war während des Treffens vorhanden.

Das Treffen schloss mit diesem positiven Fazit, wobei eingeräumt wurde, dass mit Beginn des Krieges in der Ukraine neue Faktoren ins Spiel gebracht wurden, deren Folgen noch nicht absehbar sind.

mg

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