Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer Kunststoffland NRW: „Das letzte Entlastungspaket enthält keine Maßnahmen für Unternehmen und industriellen Mittelstand.“
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 Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer Kunststoffland NRW: „Das letzte Entlastungspaket enthält keine Maßnahmen für Unternehmen und industriellen Mittelstand.“

Märkte

Unternehmen kommen beim dritten Entlastungspaket zu kurz

Kunststoffland NRW fordert angesichts der aktuellen Energiepreissituation eine stärkere Entlastung mittelständischer Unternehmen.

Die Wertschöpfungskette Kunststoff ist energieintensiv. Während bei der Herstellung des Rohmaterials im Rahmen der chemischen Produktion eine sichere und wettbewerbsfähige Gasversorgung im Vordergrund steht, erfolgt die Formung von Kunststoffen im Rahmen der Weiterverarbeitung vorwiegend unter Zuhilfenahme von Strom. Insofern hat die sichere als auch wettbewerbsfähige Versorgung mit Strom und Gas für die gesamte Wertschöpfungskette eine existentielle Bedeutung.

„Vor diesem Hintergrund erfüllt uns die aktuelle Situation auf den Energiemärkten mit großer Sorge. Die Versorgungskrise bei Gas droht auf den Strommarkt überzugreifen. Das letzte Entlastungspaket enthält keine Maßnahmen für Unternehmen und industriellen Mittelstand. Angesichts des hierin drohenden Gefahrenpotentials für die Wirtschaft und insbesondere die Kunststoffindustrie, muss ein solches Überschwappen verhindert und Maßnahmen ergriffen werden“, so Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer Kunststoffland NRW.

Für viele KMU sind nach Automobilkrise, Lieferkettenproblemen und Corona sämtliche Rücklagen aufgebraucht, so dass hier schnell gehandelt werden muss. Das Kunststoffland NRW hat angesichts der alarmierenden Energiepreissituation vier Forderungen an die Politik.

Unbürokratische Förderprogramme für Unternehmen

Insbesondere für mittelständische Unternehmen, die die gestiegenen Preise auf der Einkaufsseite nicht weitergeben können und deshalb in Schieflage geraten, sind kurzfristige direkte und unbürokratische Förderprogramme und Hilfen analog den Coronahilfen bereitzustellen. Das gilt gerade mit Blick auf das Energiekostendämpfungsprogramm, welches bislang nur den engen Empfängerkreis sogenannter energieintensive Unternehmen im Fokus hat. Hier sind breitere Härtefallregelungen zur Unterstützung stark belasteter Unternehmen nötig, denen aufgrund der Energiepreise ohne Eigenverschulden jetzt die Insolvenz droht.

Gaseinsatz in der Verstromung reduzieren

Der Gaseinsatz in der Verstromung ist unter Berücksichtigung der Wärmeauskopplung soweit wie möglich zu reduzieren. Kraftwerke mit niedrigeren Grenzkosten sollten zum Einsatz kommen, um die Merit-Order-Kurve möglichst weit nach rechts zu verschieben, so dass Gaskraftwerke so selten wie möglich preissetzend wirken. Neben einem massiven Ausbau der Erneuerbaren gehört hierzu nach Überzeugung des Kunststoffland NRW kurzfristig das schnelle Wiederanfahren von Kohleblöcken und auch der vorübergehende Streckbetrieb der letzten AKW.

Netzentgelte senken

Kompensatorische Maßnahmen sind einzuleiten. Hierzu gehört für das Kunststoffland NRW eine Senkung der Netzentgelte im Umfang von 2 Mrd. EUR, wie sie im Rahmen des Braunkohleausstiegs von der Kohlekommission vorgeschlagen wurde.

Nationale CO2-Bepreisung flexibilisieren

Flexibilisierung der nationalen CO2-Bepreisung, bei der der CO2-Preis sich in Abhängigkeit des Marktpreises ergibt und ein hoher Marktpreis automatisch zu einer Absenkung der CO2- Abgabe bis auf null führt, so dass die CO2-Abgabe nur bei niedrigen Marktpreisen greift. Ähnliche preisstabilisierende Elemente lassen sich auch beim europäischen CO2-Handel einführen. In Anbetracht der exorbitanten Energiepreise, sparen die Unternehmen ohnehin fossile Energieträger und senken damit ihre CO2-Emissionen, wo sie nur können.

„Wir müssen jetzt schnell was tun, sonst kommt es nicht nur zu Störungen in unseren Wertschöpfungsketten, sondern zu einer dauerhaften Schädigung unserer industriellen Basis“, macht Brinitzer die Dringlichkeit der Situation deutlich. gk